Knapp ein Viertel aller klimaschädlichen Gase
entstehen im Agrar- und Lebensmittelsektor. Nicht nur der Transport der Güter
spielt hierbei eine wesentliche Rolle, sondern auch die Art des Anbaus und der
Verarbeitung.
Den
Konsumentinnen und Konsumenten ist meist unbekannt, wie es um den ökologischen
Fußabdruck eines Lebensmittels bestellt ist. Abhilfe schaffen sollen sogenannte
Klimasiegel. Auf die Packung aufgedruckt, geben sie Käufern schnell und
unkompliziert bereits im Laden Auskunft darüber, ob ein Produkt klimafreundlich
ist. Die Agrarwissenschaftlerin Athena Birkenberg von der Universität Hohenheim
in Stuttgart untersuchte in ihrer Dissertation anhand des Beispiels Kaffee,
welche Voraussetzungen Anbaugebiete, Verarbeitungsbetriebe und Konsumenten
erfüllen müssen, damit ein Siegel erfolgreich sein kann. Fallbeispiel ist die
Kaffeekooperative Coopedota in Costa Rica, die den ersten klimaneutralen Kaffee
der Welt anbietet. In Zusammenarbeit mit der Rösterei Hochland Kaffee
Hunzelmann in Stuttgart ist der Kaffee auch in Deutschland erhältlich. Ein
gutes Beispiel für ein erfolgreiches Siegel, so das Urteil der Forscherin.
Grundsätzlich sieht sie aber noch Verbesserungsmöglichkeiten. Um eine
Klima-Zertifizierung erfolgreich umsetzen zu können, seien günstige
Rahmenbedingungen in der Politik und Wirtschaft eines Landes entscheidend,
erklärt Athena Birkenberg. Costa Rica sei hier ein positives Beispiel: „Das
Land strebt auf nationaler Ebene aktiv die Klimaneutralität an“, so die Agrarwissenschaftlerin
weiter. „Die Kleinbauerngenossenschaft Coopedota wird daher
vom Staat in ihrem Vorhaben unterstützt. Es werden Anreize geschaffen z.B. mit
Recycling und alternativen Energien zu wirtschaften und somit den CO2-Ausstoß
zu verringern.“ Auch aus landwirtschaftlicher Sicht sei der Standort günstig:
„Die Anbauflächen in Costa Rica sind gut geeignet für den Kaffeeanbau. Trotzdem
setzen die Bauern Stickstoffdünger ein, um angemessene Erträge zu erzielen.“ Da Stickstoffdünger zur Bildung von
Treibhausgasen beitrage, sei es wichtig, diesen möglichst effizient und in
möglichst geringen Mengen auszubringen, um ein klimafreundliches Produkt zu
erhalten. Bei der Produktion des Stickstoffdüngers entstehen Treibhausgase, da
der Prozess sehr energieaufwendig ist und der Einsatz des Düngers in den
Kaffeeplantagen verursacht Lachgasemissionen. Dieses, erklärt Birkenberg, sei
noch viel schädlicher für das Klima als reines CO2. Um eine Zertifizierung
erhalten zu können, sei es für die Bauern außerdem notwendig, umfangreiche
Daten aus der Produktion zu erheben und zu erhalten. „Auch diesbezüglich hat
Costa Rica anderen Entwicklungsländern gegenüber einen Vorteil“, so Birkenberg.
„Die meisten Bauern können lesen und schreiben und sind von Vorgänger-Projekten
auch schon daran gewöhnt, regelmäßig Daten zu erfassen.“ In Ländern mit
niedrigerem Bildungsniveau stelle die Datenerhebung dagegen ein großes Problem
dar.
Erfolgreiches
Fallbeispiel: Zertifizierungsprozess verbesserte die Produktion
Bei dem untersuchten Beispiel hat diese Datenerhebung
dazu geführt, die Produktion zu verbessern: „Um das Siegel zu erhalten, müssen
die Bauern jedes Jahr einen Plan vorlegen, in dem nicht nur steht, wie viel
Treibhausgas sie im Folgejahr produzieren werden, sondern auch, wie und an
welchen Stellen sie Treibhausgase zukünftig vermeiden.“ Konkrete Beispiele:
Statt Röstöfen mit Holz zu feuern, nutzt die Genossenschaft heute Abfallprodukte
wie die Schalen der Kaffeebohnen, was CO2 einspart. Andere Abfallprodukte wie
das Fruchtfleisch der Kaffeekirsche werden inzwischen kompostiert. In der
Vergangenheit ließen sie die Landwirte einfach verrotten, wodurch das sehr viel
klimaschädlichere Methan entstand. Die Treibhausgase, die trotz aller
Reduktionsmaßnahmen dennoch entstehen, muss die Genossenschaft ausgleichen,
indem sie Klimazertifikate kauft. Hier sieht die Forscherin noch eine
Möglichkeit zur Verbesserung: „Denkbar wären auch andere Ausgleichsmaßnahmen,
die die Genossenschaft direkt vor Ort durchführt. Dazu könnten zum Beispiel
Schattenbäume oder Baumpflanzungen zählen, die CO2 binden und gleichzeitig vor
Ort die Umwelt verbessern.“ Ob eine Zertifizierung erfolgreich ist, hänge
jedoch nicht allein vom Anbau und der Vermarktung ab, erklärt Birkenberg den
zweiten Teil ihrer Studie. „Da zertifizierte Lebensmittel teurer sind, braucht
es auch Konsumenten die bereit sind, mehr für klimaneutralen Kaffee auszugeben.“
Diese Bereitschaft sei durchaus da, fanden die Forscher im zweiten Teil ihrer
Studie heraus, nur sei den meisten Konsumenten zunächst gar nicht bewusst
gewesen, dass Kaffeegenuss klimaschädlich sein kann. „Da es sich um ein
natürliches Produkt einer Pflanze handelt, gehen viele Menschen automatisch
davon aus, dass das fertige Produkt gar nicht klimaschädlich sein kann.“ Ein
weiteres Fehlurteil: Viele Konsumenten schätzen die Klimaauswirkungen des
Transportes wesentlich höher ein als die beim Anbau. Das Umgekehrte ist der
Fall, weiß Birkenberg: Mit einem Schiff können Tonnen von Kaffee transportiert
werden, wohingegen im Anbau viele Tonnen Stickstoffdünger und Kalk ausgebracht
werden müssen, um diese Menge Kaffee zu produzieren. Hier plädiert die
Agrarwissenschaftlerin für mehr Aufklärung. „Durch Klimasiegel werden die
Konsumenten sensibilisiert. Wer ein solches Siegel z.B. vom Kaffee kennt, wird
zukünftig vielleicht auch bei anderen Produkten auf Klimasiegel achten.“ Ebenfalls
sinnvoll ist laut Athena Birkenberg die Kombination von Klimasiegeln mit
anderen, bereits bekannteren Zertifizierungen. „Studien zeigen, dass viele
Konsumenten bereit sind, für Kaffeeprodukte mit Fair Trade-Siegeln oder aus
Direkthandel mehr Geld auszugeben. Kombiniert man Klimaneutralitätslabel
beispielsweise mit einer deklarierten direkten Handelsbeziehung, wie es Hochland Kaffee Hunzelmann anbietet, scheint
die Zahlungsbereitschaft deutlich höher zu sein.“
Cafés &
Kantinen können zusätzlichen Beitrag leisten
Doch auch Cafés, Restaurants und Kantinen können einen
Beitrag zum Umweltschutz leisten. Denn selbst, wenn alle Schritte von
Kaffeeproduktion, Transport, Rüsten und Logistik klimaneutral erfolgen, fehlen
zur vollkommenen Klimaneutralität noch die Schritte der Zubereitung und
Entsorgung. Vor allem Vollautomaten hätten jedoch einen sehr hohen
Energieverbrauch. „Solche großen Maschinen laufen oft meistens Tag und Nacht
bei einem sehr hohen Energieverbrauch pro Liter zubereitetem Kaffee“, so
Birkenberg. Die Zubereitung kann dadurch bis zu 45 Prozent der gesamten
Treibhausgasemissionen des Kaffees ausmachen, der Anbau etwa 50-60 Prozent.“ Ihre
Empfehlung lautet daher, die Maschinen nicht nur zu optimieren, sondern auch
ihren Energieverbrauch – wie bei Kühlschränken und Waschmaschinen längst üblich
– kenntlich zu machen. „Bislang ist diese sogenannte
Energieverbrauchs-Kennzeichnung für Profi-Kaffeemaschinen noch nicht verfügbar.
Beim Kauf ist also nicht ohne größeren Aufwand nachvollziehbar, wie
umweltfreundlich oder – schädlich eine solche Maschine ist. Erstmals in
Hohenheim ausgeschenkt wurde der klimaneutrale Kaffee bereits am Tag der
offenen Tür der Universität Hohenheim im Juli 2018. Dabei handelte es sich um
eine Spende der Firma Hochland. Die Einnahmen in Höhe von rund 1.500 Euro
werden deshalb ohne Abzüge zur Förderung einer Schule in Costa Rica verwendet.
Quelle:
UD/pm, alle Fotos: Frank Herrmann