Mittwoch, 26. Juni 2019

Textil- und Sportartikelmarken: Zu wenig Engagement für existenzsichernde Löhne



Anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentags vom 19.-23. Juni 2019 in Dortmund veröffentlichte SÜDWIND die Studie „Wege zu existenzsichernden Löhnen – Das Beispiel Indonesien" zur Lohnsituation in der Textilbranche Indonesiens. Indonesien gehört zu den wichtigsten Lieferländern von Textilien und Bekleidung weltweit. Viele deutsche Textil- und Sportartikelmarken lassen dort produzieren. Die Löhne für die Beschäftigten in den Textil-, Bekleidungs- und Sportschuhbetrieben liegen allerdings weit unterhalb von existenzsichernden Löhnen. Mehr als eine Million Menschen arbeiten in den zahlreichen Textil-, Bekleidungs- und Sportartikelbetrieben in Indonesien. Von den niedrigen Löhnen dort profitieren nicht nur die Firmen in Indonesien, sondern auch die Auftraggeber aus Deutschland, wie zum Beispiel adidas, H&M, Lidl oder Puma. „Obwohl die staatlichen Mindestlöhne in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind, sind sie immer noch viel zu niedrig, um die Existenz der meist weiblichen ArbeiterInnen und ihrer Familien auf einem menschenwürdigen Niveau zu sichern", so Dr. Sabine Ferenschild von SÜDWIND. „Es ist höchste Zeit, dass die Marken- und Handelsunternehmen aus Deutschland, die in Indonesien einkaufen, dieses Problem ernst nehmen und aktiv werden, um die Lohnsituation der Beschäftigten zu verbessern." Die SÜDWIND-Studie untersucht nationale wie internationale Ansätze zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Indonesien daraufhin, ob sie einen Beitrag zur Verbesserung der dortigen Löhne leisten. Vielversprechend scheinen das indonesische Protokoll zur Vereinigungsfreiheit und dessen Erweiterung um das Lohnthema zu sein, ebenso wie die Aktivitäten der niederländischen Fair Wear Foundation oder Globale Rahmenabkommen mit internationalen Gewerkschaften. „Als Teil der Kampagne für Saubere Kleidung arbeitet SÜDWIND seit vielen Jahren zu den Arbeitsbedingungen in Indonesien. Wir fordern alle Unternehmen, die textile Produkte in Indonesien einkaufen, auf, sich in glaubwürdiger, messbarer und überprüfbarer Weise an der Umsetzung existenzsichernder Löhne in ihren Zulieferbetrieben zu beteiligen“, betont Ferenschild. SÜDWIND stellt die Ergebnisse der Studie beim Workshop „Lohn zum Leben! Auch bei Zulieferern von adidas & Co.?"
Quelle: www.forum-csr.net

Freitag, 7. Juni 2019

Bananen bei Lidl: Alles fair, oder was?


Im Herbst 2018 machte der Lebensmittel-Discounter Lidl positive Schlagzeilen mit der Ankündigung, in allen Filialen nur noch Bananen mit dem Fairtrade-Siegel zu verkaufen. Damit setze man einen Meilenstein beim Ausbau nachhaltiger Produkte, so der Discounter. Bei der Siegelinitiative TransFair jubelte man über den zukünftigen Verkauf von 150.000 Tonnen fair erzeugter Bananen und lobte die Vorreiterrolle, die Lidl einmal mehr einnehme. Anfang 2019 rief Bundes-entwicklungsminister Gerd Müller den Handel während der Agrarmesse „Grüne Woche Berlin“ auf, Lidl‘s Beispiel zu folgen, und ebenfalls nur noch faire Bananen anzubieten. Die Welt schien damals – zumindest bei Bananen – ein wenig fairer zu werden. Im Frühjahr 2019 dann der Rückzieher von Lidl: Überraschend zog Firmenchef Klaus Gehrig die Notbremse und stoppte die Umstellung auf 100 Prozent Fairtrade-Bananen, die bis dahin bei etwa 40 Prozent der rund 3.200 Lidl Filialen in Deutschland vollzogen war. „Es ist uns nicht gelungen, den Kunden von unserem Engagement zu überzeugen“, zitiert die Lebensmittelzeitung Gehrig. Der Kunde wolle eine billige Banane. Der Kunde als Sündenbock? Mehr als fraglich, denn die fair gehandelte Banane kostet gerade einmal 0,10-0,20 Euro mehr als die konventionelle Frucht. Bei einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland von 12 Kilo ist das ein Mehrpreis von 1,20-2,40 Euro. Zu viel selbst für Geringverdiener? Es lässt zumindest auch die Verbraucher ziemlich schlecht aussehen, wenn sie wegen wenigen Cents Ersparnis den Laden wechseln. Doch es geht gerade um diese „Minimalbeträge, die einen Markt zum Besseren drehen können, und es sind Cent-Beträge, an denen genau das scheitert“, schreibt der Spiegel in seiner Ausgabe 9/19.

Fairtrade beim Discounter – eine scheinheilige Zweckehe

Der wahre Grund für Lidl‘s Kehrtwende heißt Aldi. Der Discounter-Konkurrent bietet seine Bananen billiger an als Lidl, und zieht damit Kunden in seine Läden. Lidl‘s Fairtrade-Bananen haben den Preisunterschied noch etwas größer gemacht. Zu groß für die Gehrig. Er sprach von einem Fehler in der Bananenpolitik des Hauses und düpierte damit Jan Bock, seinen Geschäftsleiter Einkauf, der noch im Januar angesichts des Preisdrucks im Bananensektor optimistisch verkündet hatte, es werde keinen grundsätzlichen Rückzug  geben. Zur Glaubwürdigkeit des ohnehin umstrittenen Discounters trägt der Rückzieher nicht gerade bei. Gibt man sich doch sonst bei Lidl gerne demonstrativ pro Fairtrade. Falls man bei TransFair enttäuscht bis wütend war, zeigt man dies beim deutschen Lizenzgeber von Fairtrade-Produkten nicht – zumindest nicht öffentlich. Man bedaure Lidl‘s Entscheidung sehr, heißt es lapidar in einem Statement. Und appelliert gleichzeitig an die Moral von Handel und Konsumenten. Mehr aber auch nicht. Zu wichtig ist die Zweckehe zwischen TransFair und Lidl, einem wichtigen Abnehmer Fairtrade-zertifizierter Ware.  Vom Sommer 2019 an will Lidl nun drei Bananenvarianten anbieten: Fairtrade+Bio, nur Fairtrade und eine Banane im „Preiseinstiegsegment“, wie Lidl seine Billigbanane euphemistisch nennt. Der Kunde hat die Wahl, kann sich also nun auch wieder für miese Arbeitsbedingungen und viel Chemie auf seiner Banane entscheiden. Dafür ist seine Tropenfrucht, die in Lateinamerika von unterbezahlten Arbeitern monatelang mit viel Wasser, Kunstdünger und Pestiziden groß gezogen, gepflückt und verpackt wurde, 10.000 Kilometer hinter sich gebracht, und die ihre Farbe in einer Reiferei von Grün auf Gelb gewechselt hat, unschlagbar billig. Das Kilo kostet deutlich weniger als ein Kilo deutscher Äpfel. Traurig zu sehen, dass Geld weiter vor Moral kommt – beim Händler wie beim Verbraucher.
Autor: Frank Herrmann, Fotos: Frank Herrmann