Im Herbst 2018 machte der
Lebensmittel-Discounter Lidl positive Schlagzeilen mit der Ankündigung, in
allen Filialen nur noch Bananen mit dem Fairtrade-Siegel zu verkaufen. Damit
setze man einen Meilenstein beim Ausbau nachhaltiger Produkte, so der Discounter.
Bei der Siegelinitiative TransFair jubelte man über den zukünftigen Verkauf von
150.000 Tonnen fair erzeugter Bananen und lobte die Vorreiterrolle, die Lidl
einmal mehr einnehme. Anfang 2019 rief Bundes-entwicklungsminister Gerd Müller den
Handel während der Agrarmesse „Grüne Woche Berlin“ auf, Lidl‘s Beispiel zu
folgen, und ebenfalls nur noch faire Bananen anzubieten. Die Welt schien damals
– zumindest bei Bananen – ein wenig fairer zu werden. Im Frühjahr 2019 dann der
Rückzieher von Lidl: Überraschend zog Firmenchef Klaus Gehrig die Notbremse und
stoppte die Umstellung auf 100 Prozent Fairtrade-Bananen, die bis dahin bei
etwa 40 Prozent der rund 3.200 Lidl Filialen in Deutschland vollzogen war. „Es
ist uns nicht gelungen, den Kunden von unserem Engagement zu überzeugen“,
zitiert die Lebensmittelzeitung Gehrig. Der Kunde wolle eine billige Banane.
Der Kunde als Sündenbock? Mehr als fraglich, denn die fair gehandelte Banane
kostet gerade einmal 0,10-0,20 Euro mehr als die konventionelle Frucht. Bei
einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland von 12 Kilo ist das ein
Mehrpreis von 1,20-2,40 Euro. Zu viel selbst für Geringverdiener? Es lässt
zumindest auch die Verbraucher ziemlich schlecht aussehen, wenn sie wegen wenigen
Cents Ersparnis den Laden wechseln. Doch es geht gerade um diese „Minimalbeträge,
die einen Markt zum Besseren drehen können, und es sind Cent-Beträge, an denen genau
das scheitert“, schreibt der Spiegel in seiner Ausgabe 9/19.
Fairtrade
beim Discounter – eine scheinheilige Zweckehe
Der wahre Grund für Lidl‘s
Kehrtwende heißt Aldi. Der Discounter-Konkurrent bietet seine Bananen billiger
an als Lidl, und zieht damit Kunden in seine Läden. Lidl‘s Fairtrade-Bananen
haben den Preisunterschied noch etwas größer gemacht. Zu groß für die Gehrig.
Er sprach von einem Fehler in der Bananenpolitik des Hauses und düpierte damit Jan
Bock, seinen Geschäftsleiter Einkauf, der noch im Januar angesichts des Preisdrucks
im Bananensektor optimistisch verkündet hatte, es werde keinen grundsätzlichen Rückzug geben. Zur Glaubwürdigkeit des ohnehin umstrittenen
Discounters trägt der Rückzieher nicht gerade bei. Gibt man sich doch sonst bei
Lidl gerne demonstrativ pro Fairtrade. Falls man bei TransFair enttäuscht bis wütend
war, zeigt man dies beim deutschen Lizenzgeber von Fairtrade-Produkten nicht – zumindest
nicht öffentlich. Man bedaure Lidl‘s Entscheidung sehr, heißt es lapidar in
einem Statement. Und appelliert gleichzeitig an die Moral von Handel und Konsumenten.
Mehr aber auch nicht. Zu wichtig ist die Zweckehe zwischen TransFair und Lidl,
einem wichtigen Abnehmer Fairtrade-zertifizierter Ware. Vom Sommer 2019 an will Lidl nun drei
Bananenvarianten anbieten: Fairtrade+Bio, nur Fairtrade und eine Banane im „Preiseinstiegsegment“,
wie Lidl seine Billigbanane euphemistisch nennt. Der Kunde hat die Wahl, kann sich
also nun auch wieder für miese Arbeitsbedingungen und viel Chemie auf seiner
Banane entscheiden. Dafür ist seine Tropenfrucht, die in Lateinamerika von
unterbezahlten Arbeitern monatelang mit viel Wasser, Kunstdünger und Pestiziden groß
gezogen, gepflückt und verpackt wurde, 10.000 Kilometer hinter sich
gebracht, und die ihre Farbe in einer Reiferei von Grün auf Gelb gewechselt hat,
unschlagbar billig. Das Kilo kostet deutlich weniger als ein Kilo deutscher
Äpfel. Traurig zu sehen, dass Geld weiter vor Moral kommt – beim Händler wie
beim Verbraucher.
Autor: Frank Herrmann, Fotos: Frank Herrmann