Montag, 25. Mai 2020

Textilproduktion: Ausbeutung "Made in Europe"


Vor sieben Jahren ist die Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch eingestürzt. Mehr als 1.200 Frauen und Männer starben damals. Doch noch immer werden bei der Produktion unserer Kleidung Menschen- und Arbeitsrechte verletzt – aktuell durch die Coronakrise. Nicht nur in Asien oder Afrika, sondern auch bei uns in Europa. Wir brauchen endlich ein Gesetz, das Modeunternehmen zwingt, dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte in ihren Lieferketten nicht mehr verletzt werden.  In Serbien, der Ukraine, Kroatien und Bulgarien nähen an die 120.000 Beschäftigte für deutsche Modefirmen wie Hugo Boss, Gerry Weber, Esprit sowie andere deutsche Supermarkt-, Drogerie- und Modeketten. Fabrikbesitzer zwingen sie auch jetzt, in die Fabrik zu gehen und zu arbeiten – trotz des Risikos, sich und damit ihre Familien mit dem SARS-CoV-2 zu infizieren. Das zeigen aktuelle Recherchen der Clean Clothes Campaign und von Brot für die Welt. “Hugo Boss verweist immer auf seinen Corporate Health Award, doch bei seinem kroatischen Lieferanten gab es im Januar nicht einmal genügend Seife und Toilettenpapier“, kritisiert Bettina Musiolek von der Clean Clothes Campaign (CCC). „Die Coronakrise hat die Modehäuser getroffen – doch derzeit tragen vor allem die letzten Glieder der Kette, die Beschäftigten, die Hauptlast. Wie sie diese Last mildern wollen, darüber hüllen sich Hugo Boss, Esprit und Gerry Weber in Schweigen.“

Extrem niedrige Löhne

Wer sich krank meldet, muss mit Repressalien seitens des Managements rechnen. Eine kroatische Näherin, deren Fabrik Hugo Boss beliefert, sagt: “Wenn du krank bist, bringst du dich besser gleich um – krank zu sein, kann sich hier keiner leisten!“. Hinzu kommt, dass die Löhne in der Textilproduktion auch in Ost- und Südosteuropa noch immer extrem niedrig sind. Wer wie beispielsweise eine Näherin in der Ukraine umgerechnet nur 126 Euro pro Monat verdient, kann kein Geld für Notfälle wie die Coronakrise zurücklegen. “Um vom Lohn leben zu können, müssten die Näherinnen in der Ukraine, Serbien, Kroatien oder Bulgarien das Drei- bis Fünffache verdienen“, so Musiolek. Dies passiere auch nicht, weil Marken wie Hugo Boss, Esprit und Gerry Weber ihren Lieferanten viel zu niedrige Einkaufspreise zahlen. Aktuell fällt selbst dieser Lohn oft weg, weil Modeunternehmen in Deutschland Aufträge kündigten. Oder weil Fabriken, die für deutsche Modemarken wie Hugo Boss produzieren, ihre Beschäftigten zwingen, unbezahlten Urlaub zu nehmen. Ausfallszahlungen gibt es nicht.

Kaum Verbesserungen

Die CCC fordert von Esprit, Gerry Weber und Hugo Boss, sich bei ihren Lieferanten zu engagieren. “Das heißt derzeit konkret, die erteilten Aufträge nicht zu stornieren und fristgerecht zu bezahlen“, so Musiolek. „Und sie müssen ihre Lieferanten in den Produktionsländern dabei unterstützen, den Gesundheitsschutz der Näherinnen sicherzustellen“. Dazu gehört, die Arbeitenden sicher zu den noch arbeitenden Fabriken zu transportieren, dort für ausreichend Abstand zwischen den Nähmaschinen zu sorgen sowie Schutzausrüstung bereitzustellen. Dies sei bislang zumeist nicht der Fall, berichten Beschäftigte. Musiolek resümiert: “Trotz aller freiwilligen Brancheninitiativen und wohlklingenden Siegel hat sich in den letzten Jahrzehnten die Menschenrechtssituation in den Kleiderfabriken der europäischen Billigproduktionsländer nicht verbessert.“ Umso wichtiger ist die Forderung der Initiative Lieferkettengesetz nach einem gesetzlichen Rahmen, der auch in Krisenzeiten garantiert, dass Unternehmen die Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten sicherstellen. 
Quelle: Kampagne für Saubere Kleidung 

Dienstag, 12. Mai 2020

Rekord: Verbraucher gaben 2019 zwei Milliarden für Fairtrade-Produkte aus



TransFair veröffentlicht den Jahres- und Wirkungsbericht 2019/2020
Erstmalig knackten Fairtrade-Umsätze die 2 Milliarden Euro Marke. Und auch während der Corona-Krise bleibt die Nachfrage nach fairen Lebensmitteln wie Kaffee, Bananen oder Kakao stabil. Aber: „Die Pandemie demaskiert soziale und wirtschaftliche Ungleichheit“, sagte Dieter Overath, Vorstandsvorsitzender von TransFair e.V. „In den Anbauländern der Fairtrade-Produkte sind Gesundheitsversorgung und Wirtschaft fragil. Umso wichtiger ist es, dass der Weg aus der Krise verantwortungsvoll und nachhaltig vonstatten geht und nicht an nationalen Grenzen endet.“
Marktentwicklung von Fairtrade-Produkten in Deutschland
2,04 Milliarden Euro gaben Verbraucher im letzten Jahr für faire Produkte aus, das entspricht 25 Euro pro Kopf und einem Wachstum von 26 Prozent.  Die Verkaufsmengen legten entsprechend kräftig zu: am stärksten bei Bananen, um 41 Prozent auf 130.000 Tonnen. Hier gab vor allem die zusätzliche Einlistung von Fairtrade-Bananen ohne Bio-Siegel bei Lidl den Ausschlag. Der Marktanteil liegt bei 20 Prozent. Auch Kaffee kam häufiger fair in die Tasse: Mit einem Wachstum von 12 Prozent auf 23.000 Tonnen klettert der Marktanteil auf rund 5 Prozent.  In immer mehr Schokoladenwaren steckt fairer Kakao: 79.000 Tonnen wurden 2019 eingesetzt, 45 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit hat fairer Kakao einen Marktanteil von 17 Prozent. Gut eine halbe Milliarde faire Rosen wurde verkauft, ein Plus von 19 Prozent. Der Marktanteil liegt bei 30 Prozent. Durch den heißen Sommer wurde etwas weniger Tee getrunken (-6 Prozent, 359 Tonnen). Positiv dagegen entwickelten sich Honig (+12 Prozent auf 1.500 Tonnen) und Reis (+40 Prozent, 1.170 Tonnen); letzterer vor allem durch die Einlistung von Reisprodukten von Davert bei der Drogeriekette dm. Steigende Nachfrage nach Berufsbekleidung und Baumwolltaschen, begünstigt durch das Plastiktütenverbot, führten zu einem Absatzplus von Textilien mit Fairtrade-Baumwolle von 59 Prozent auf 22,2 Mio. Stück.
Fairtrade-Prämie fließt in Maßnahmen gegen das Virus
Produzentenorganisationen im globalen Süden erhalten für Fairtrade-Verkäufe stabile Mindestpreise als Sicherheitsnetz gegen schwankende Weltmarkpreise und einen zusätzlichen Aufschlag, die Fairtrade-Prämie. Durch Verkäufe für den hiesigen Markt belief sich allein die Prämie auf 38 Millionen Euro. „Gerade jetzt ist die Prämie wichtig, weil sie oft die einzige Rücklage ist, die Produzenten haben. Wir sehen vorbildliche Maßnahmen wie Aufklärungs­kampagnen und die Anschaffung von Hygienemitteln, aber auch, dass damit Einkommenseinbußen kompensiert werden“, erläuterte Mary Kinyua, Vorsitzende des Produzentennetzwerks Fairtrade Africa. „Neben der Angst um die Gesundheit sind die wirtschaftlichen Folgen dramatisch: Auf Blumenfarmen wurden im März tausende Beschäftigte entlassen. Bei Rohstoffen, für die die Ernte noch aussteht, fehlen Erntehelfer. Wo die Ernte eingeholt ist, ist die Logistik unsere Sorge. Mobilitätseinschränkungen machen den Transport zum Hafen schwieriger und teurer. Wir hoffen, dass die Häfen offen bleiben.“

Quelle: Fairtrade Deutschland

Dienstag, 5. Mai 2020

Buchtipp: „Nachhaltig Reisen – Die besten Ideen für Europa“


Das Corona-Virus hat die Tourismusbranche kalt erwischt. Reisen, wie wir es gewohnt sind, wird längere Zeit unmöglich und danach wohl mit Auflagen und Einschränkungen verbunden sein. Reisen in Europa und auch das Thema Nachhaltigkeit werden an Bedeutung gewinnen. Gut, dass bereits erste Bücher beides verknüpfen, wie etwa das frisch erschienene Nachhaltig Reisen – Die besten Ideen für Europa“. Ein „Inspirationsbuch“ nennt es der DuMont Reiseverlag, der das Buch veröffentlich hat. Den Leser erwarten 296 nachhaltige Tipps in ganz Europa, unterteilt in acht Kapitel wie „Auf dem Wasser aktiv“, „Kulinarisch reisen“ oder „Besondere Nächte“. Die Empfehlungen reichen vom Insel-Yoga in Finnland über Schwitzhütten bauen in Nürnberg bis zum Beobachten von Berberaffen. Alles in allem ein gelungener erster Versuch mit einigen Kinderkrankheiten. So fehlt eine Übersichtskarte für den schnellen geografischen Überblick, ein ausführliches Inhaltsverzeichnis oder eine separate Sortierung der Tipps nach Ländern. Sehr dünn fällt das erste Kapitel „Vor der Reise“ aus, in dem die Autoren grundsätzliche Tipps für nachhaltiges Reisen vorstellen. Dem Punkt 13 „Fliegen: Muss das sein“ sind gerade einmal 10 halbseitige Zeilen gewidmet! Auf das Thema Kompensation von Klimagasen, die auch bei Bus- und Bahnfahrten entstehen, gehen die Autoren gar nicht ein. Da gilt es bei der Folgeauflage nachzubessern!
Quelle: Frank Herrmann

Nachhaltig reisen – Die besten Ideen für Europa
Dirk Engelhardt und Michaela Harfst
DuMont Reiseverlag
240 Seiten
Preis: € 19,95 (D) / 21,50 (A) / 28,90 (CH)
ISBN: 978-3-7701-8475-0