Vor
sieben Jahren ist die Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch eingestürzt. Mehr
als 1.200 Frauen und Männer starben damals. Doch noch immer werden bei der
Produktion unserer Kleidung Menschen- und Arbeitsrechte verletzt – aktuell
durch die Coronakrise. Nicht nur in Asien oder Afrika, sondern auch bei uns in
Europa. Wir brauchen endlich ein Gesetz, das Modeunternehmen zwingt, dafür zu
sorgen, dass die Menschenrechte in ihren Lieferketten nicht mehr verletzt
werden. In Serbien, der Ukraine, Kroatien und Bulgarien nähen an die
120.000 Beschäftigte für deutsche Modefirmen wie Hugo Boss, Gerry Weber, Esprit
sowie andere deutsche Supermarkt-, Drogerie- und Modeketten. Fabrikbesitzer
zwingen sie auch jetzt, in die Fabrik zu gehen und zu arbeiten – trotz des
Risikos, sich und damit ihre Familien mit dem SARS-CoV-2 zu infizieren. Das
zeigen aktuelle Recherchen der Clean Clothes Campaign und von Brot für die
Welt. “Hugo Boss verweist immer auf seinen Corporate Health Award, doch bei
seinem kroatischen Lieferanten gab es im Januar nicht einmal genügend Seife und
Toilettenpapier“, kritisiert
Bettina Musiolek von der Clean Clothes Campaign (CCC). „Die Coronakrise hat
die Modehäuser getroffen – doch derzeit tragen vor allem die letzten Glieder
der Kette, die Beschäftigten, die Hauptlast. Wie sie diese Last mildern wollen,
darüber hüllen sich Hugo Boss, Esprit und Gerry Weber in Schweigen.“
Wer
sich krank meldet, muss mit Repressalien seitens des Managements rechnen. Eine
kroatische Näherin, deren Fabrik Hugo Boss beliefert, sagt: “Wenn du krank
bist, bringst du dich besser gleich um – krank zu sein, kann sich hier keiner
leisten!“. Hinzu kommt, dass die Löhne in der Textilproduktion auch in Ost-
und Südosteuropa noch immer extrem niedrig sind. Wer wie beispielsweise eine
Näherin in der Ukraine umgerechnet nur 126 Euro pro Monat verdient, kann kein
Geld für Notfälle wie die Coronakrise zurücklegen. “Um vom Lohn leben zu
können, müssten die Näherinnen in der Ukraine, Serbien, Kroatien oder Bulgarien
das Drei- bis Fünffache verdienen“, so Musiolek. Dies passiere auch nicht,
weil Marken wie Hugo Boss, Esprit und Gerry Weber ihren Lieferanten viel zu
niedrige Einkaufspreise zahlen. Aktuell fällt selbst dieser Lohn oft weg, weil
Modeunternehmen in Deutschland Aufträge kündigten. Oder weil Fabriken, die für
deutsche Modemarken wie Hugo Boss produzieren, ihre Beschäftigten zwingen,
unbezahlten Urlaub zu nehmen. Ausfallszahlungen gibt es nicht.
Kaum Verbesserungen
Die
CCC fordert von Esprit, Gerry Weber und Hugo Boss, sich bei ihren Lieferanten
zu engagieren. “Das heißt derzeit konkret, die erteilten Aufträge nicht zu
stornieren und fristgerecht zu bezahlen“, so Musiolek. „Und sie müssen
ihre Lieferanten in den Produktionsländern dabei unterstützen, den
Gesundheitsschutz der Näherinnen sicherzustellen“. Dazu gehört, die
Arbeitenden sicher zu den noch arbeitenden Fabriken zu transportieren, dort für
ausreichend Abstand zwischen den Nähmaschinen zu sorgen sowie Schutzausrüstung
bereitzustellen. Dies sei bislang zumeist nicht der Fall, berichten
Beschäftigte. Musiolek resümiert: “Trotz aller freiwilligen
Brancheninitiativen und wohlklingenden Siegel hat sich in den letzten
Jahrzehnten die Menschenrechtssituation in den Kleiderfabriken der europäischen
Billigproduktionsländer nicht verbessert.“ Umso wichtiger ist die Forderung
der Initiative Lieferkettengesetz nach einem gesetzlichen Rahmen, der auch in Krisenzeiten
garantiert, dass Unternehmen die Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten
sicherstellen.
Quelle:
Kampagne für Saubere Kleidung