Donnerstag, 15. Juli 2021

Fairer Handel: Umsatzzahlen 2020 erstmal mit Rückgang

Nach über einer Dekade im Aufwind ist der Umsatz mit fairen Produkten in Deutschland infolge der Corona-Pandemie erstmalig zurückgegangen. Doch die Fair-Handels-Bewegung ist es gewohnt, gegen den Strom zu schwimmen. "Fair-Handels-Unternehmen wollen mit ihren Handelspartnern durch die Krise kommen, nicht auf deren Kosten", erklärt Matthias Fiedler, Geschäftsführer des Forum Fairer Handel. „Dass die deutschen Supermärkte und Discounter in der Corona-Krise Rekord-gewinne eingefahren haben, verdeutlicht, woran das System krankt“, kritisiert Fiedler anlässlich der Jahrespressekonferenz des FFH. "Viele der Menschen, die uns ernähren, kämpfen täglich um ihr Überleben, weil sie Preise akzeptieren müssen, die nicht einmal die Produktionskosten decken“, erklärt Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des FFH. Deswegen fordert das FFH anlässlich seiner Jahrespressekonferenz in Berlin ein Verbot von Dumpingpreisen für Lebensmittel. Das wäre ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen, zukunftsfähigen Wirtschaft. Was die wirtschaftliche Entwicklung des Fairen Handels in Deutschland betrifft, gibt die aktuelle Verbraucher*innenbefragung zum Fairen Handel Anlass zu Optimismus: Denn immer mehr Menschen in Deutschland greifen zu fairen Produkten.

Umsatzentwicklungen im Corona-Jahr 2020

Im Geschäftsjahr 2020 gaben die Verbraucher*innen in Deutschland 1,8 Milliarden Euro für Produkte aus Fairem Handel aus. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Umsatzrückgang von 2,9 %. Im Durchschnitt gaben die Verbraucher*innen in Deutschland pro Kopf 21,63 Euro für faire Lebensmittel und Handwerksprodukte aus. 78 % des Umsatzes wurden mit fairen Lebensmitteln generiert, alleine 30 % davon mit Kaffee. Die anerkannten Fair-Handels-Unternehmen vertrieben im vergangenen Jahr fair gehandelte Waren im Wert von 207 Millionen Euro (- 8,4 %). Dieser Rückgang hängt vor allem mit geringeren Verkäufen in den Weltläden infolge von Lockdowns sowie Umsatzeinbrüchen im Außer-Haus-Bereich zusammen. In den Weltläden, den Fachgeschäften des Fairen Handels, wurden Waren im Wert von 72 Millionen Euro verkauft (- 13,3 %). Die Einbußen gegenüber dem Vorjahr sind vor allem mit Ladenschließungen und leeren Innenstädten infolge der Pandemie zu erklären. Insgesamt sind die Weltläden als wichtige Pfeiler des 100 % Fairen Handels jedoch gut durch die Krise gekommen – Geschäftsaufgaben ließen sich verhindern. Wie auch in den Vorjahren wurde der größte Teil des Umsatzes mit Fairtrade-gesiegelten Produkten generiert (1,45 Milliarden, - 3,2 %). Diese Produkte sind häufiger in Supermärkten und auch Discountern verfügbar, was die geringeren Umsatzrückgänge erklärt. Hingegen setzte der "Faire Handel im Norden" 2020 seinen Erfolgskurs fort. Der Umsatz mit fair gehandelten Produkte aus Europa belief sich auf 136 Millionen Euro, was einem Plus von 13 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. "Im Fairen Handel stehen immer Menschen und Umwelt vor dem Profit. Das hat sich natürlich auch in Krisenzeiten nicht geändert", erklärt Matthias Fiedler. "Und so sind Fair-Handels-Akteure 2020 an die wirtschaftliche Schmerzgrenze gegangen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem dies nicht honoriert, sondern menschenrechtliche Sorgfalt und nachhaltiges Wirtschaften zum strukturellen Nachteil werden lässt, ist ein Skandal, der durch die Corona-Krise nochmal deutlicher hervortritt", kritisiert Fiedler.

Licht und Schatten – fair und konventionell: Blick auf einzelne Produkte

In Folge von Lockdowns und Homeoffice wurde in Deutschland 2020 mehr Fair Trade Kaffee zuhause getrunken. Im Geschäftsjahr 2020 ist der Absatz von fair gehandeltem Kaffee im Vergleich zum Vorjahr auf 27.394 Tonnen gestiegen (+ 4,6 %). Der Marktanteil von Kaffee aus Fairem Handel liegt weiterhin bei über 6 %. Erstmalig seit 1999 verzeichen Fairtrade-gesiegelte Bananen in 2020 einen Absatzverlust (- 14 %). Dieser ist vornehmlich auf den extremen Preiskampf der großen Discounter zurückzuführen. Die soziale, ökologische und ökonomische Rechnung für diesen Unterbietungswettlauf bezahlen die Bananen-Produzent*innen im Globalen Süden. Positiv hat sich der Absatz fairer Schokolade in Deutschland entwickelt: 4.598 Tonnen wurden 2020 verkauft, was einem Absatzplus von über 32 % entspricht. Diese Entwicklung ist umso erfreulicher, da die Bedingungen im konventionellen Kakaosektor – den langjährigen Lippenkenntnissen der Industrie zum Trotz – bitter sind. Insbesondere auf westafrikanischen Kakaofarmen ist ausbeuterische Kinderarbeit nach wie vor weit verbreitet. Um die Kinderarbeit im konventionellen Kakaosektor abzuschaffen, braucht es flächendeckende Strategien zur Erzielung von existenzsichernden Einkommen für Kakaohaushalte. Im Fairen Handel wird dies sehr ernst genommen. So hat Fairtrade International Ende 2019 seinen Kakaopreis angehoben und einen Fairtrade Living Income Reference Price für Kakao berechnet. Fair-Handels-Unternehmen gehen häufig noch einen Schritt darüber hinaus.

Dumpingpreise zügig verbieten

Obwohl auf dem konventionellen Kaffee-, Bananen- und Kakaomarkt Milliardenerträge erwirtschaftet werden, sind die Einkommen der Erzeuger*innen nicht existenzsichernd. Daraus folgen in vielen Fällen Hungerlöhne und schlechte Arbeitsbedingungen von angestellten Arbeiter*innen auf den Feldern sowie ausbeuterische Kinderarbeit. Um existenzsichernde Einkommen und Löhne am Anfang von Agrarlieferketten zu ermöglichen, muss dringend die Preisfrage adressiert werden. Hierbei darf die unterschiedliche Machtverteilung in globalen Lieferketten nicht übersehen werden. Denn durch ihre Vormachtstellung können Unternehmen am Ende vieler Lieferketten Liefer- und Markteintrittskonditionen sowie Preise diktieren. Mit dem "Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich", welches im Mai 2021 verabschiedet wurde, wurden einige der gravierendsten unlauteren Handelspraktiken entlang globaler Lieferketten im Agrar- und Lebensmittelhandel verboten. Das ist ein Fortschritt, doch was fehlt, ist u. a. ein Verbot von Dumpingpreisen. "Immerhin hat der Bundestag beschlossen, ein gesetzliches Verbot des Einkaufs von Lebensmitteln unterhalb der Produktionskosten zu prüfen. Die neue Bundesregierung sollte diese Prüfung nun zügig durchführen und ein Verbot schnellstmöglich umsetzen, um den regelmäßigen Preiskämpfen der großen Lebensmitteleinzelhändler entgegenzuwirken", fordert Andrea Fütterer im Namen des FFH. Laut der aktuellen Verbraucher*innenbefragung zum Fairen Handel befürworten 77,5 % der Menschen in Deutschland ein Verbot von Preisen, die nicht die Produktionskosten decken.

Quelle: Forum Fairer Handel

Dienstag, 6. Juli 2021

Was haben Tabakanbau und –konsum mit Frauenrechten zu tun?

Tabakproduktion und -konsum sind mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen verknüpft und erschweren es, die Nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen. Im Tabakanbau werden die Rechte von Frauen verletzt, wie das Beispiel Bangladesch zeigt: durch Ausbeutung, fehlenden Arbeitsschutz und hohe Gesundheitsrisiken. Tabakprodukte und deren Vermarktung wiederum verletzen hierzulande und weltweit die Frauenrechte auf Gesundheit und Vorsorge. In der reproduktiven Lebensphase sind Frauen und Mädchen in besonderer Weise von den Folgen des Tabakkonsums und der Tabakproduktion betroffen. Doch gerade dann ist das Recht auf Gesundheit und Vorsorge wichtig, um auch (ungeborenen) Kindern eine gesunde Lebensgrundlage zu geben. Deshalb gilt das Motto des Weltnichtrauchertags "Commit to quit" gleichermaßen für (passiv)rauchende Frauen bei uns wie für Frauen im Tabakanbau im Globalen Süden.

Prof. Dr. Sabina Ulbricht, Vorsitzende von Frauen Aktiv Contra Tabak (FACT) e.V., resümiert die Entwicklungen der weiblichen Tabakrauchprävalenz der letzten Jahre: „Der erfreuliche Rückgang des Tabakkonsums im Jugendalter zeigt sich bislang bei den Erwachsenen nicht. Denn die Anzahl der Rauchstoppversuche, ein wichtiges Zeichen um Tabakabstinenz zu erreichen, ist hier sogar rückläufig.“ Ihre Forderung an die Politik lautet: „Um der Verfestigung gesundheitlicher Ungleichheit entgegenzutreten, bedarf es Angebote, mit denen vor allem Frauen mit einem niedrigeren Sozialstatus erreicht werden, da sie die Mehrheit der Raucherinnen stellen und nachweislich sehr viel weniger von bisherigen Unterstützungsangeboten profitieren.“

Sonja von Eichborn, Leiterin von Unfairtobacco, weist auf die Verletzung von Frauenrechten in Bangladesch und anderen Tabakanbauländern hin: „Kleinbäuerinnen im Globalen Süden können mit dem arbeitsintensiven Anbau von Tabak nur schwer ihren Lebensunterhalt verdienen und sind durch fehlenden Arbeitsschutz gravierenden Gesundheitsgefahren ausgesetzt.“ Sie betont: „Deutschland trägt als einer der größten Rohtabakimporteure der Welt auch Verantwortung dafür. Neben der Verabschiedung eines wirksamen Lieferkettengesetzes muss sich die deutsche Regierung verstärkt dafür einsetzen, dass im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit Tabakbäuerinnen in Ländern wie Bangladesch Unterstützung für den Ausstieg aus dem Tabakanbau erhalten.“

Eine schnellere Umsetzung der WHO-Rahmenkonvention für Tabakkontrolle ist Teil der nachhaltigen Entwicklungsziele. Die UN-Frauenrechtskonvention ist für beide Instrumente die Basis. In ihr sind das Recht auf Gesundheit und Vorsorge genauso verankert wie das Recht auf Arbeitsschutz. Daraus ergibt sich: Frauen und Mädchen weltweit haben ein Recht auf eine tabakfreie Welt, in der Tabakkonsum auf ein bedeutungsloses Niveau herabgesenkt wurde und die Tabakindustrie sehr stark reguliert ist.Dieser Tage muss die deutsche Regierung zur Umsetzung von Frauenrechten an die Vereinten Nationen berichten. Wir begleiten diesen Prozess mit Blick auf die Tabakindustrie und informieren das UN-Frauenrechtskomitee über den Stand der Tabakkontrolle in Bezug auf Frauen.

Quelle: Unfair Tobacco

Zum Factsheet von Unfair Tobacco