Samstag, 28. Februar 2015

Faire Mode: Tchibo und Inditex verzichten auf Angoraprodukte



Es ist ein großer Erfolg für den Tierschutz. Der spanische Textilriese Inditex hat verkündet, keine Angoraprodukte mehr zu verkaufen. Der Inditex-Konzern, zu dem Marken wie Zara, Bershka und Massimo Dutti gehören, reagiert damit auf skandalöse Praktiken auf sogenannten Angora-Farmen in China. Einen maßgeblichen Anteil an der Entscheidung dürfte die Tierschutzorganisation Peta (People for the Ethical Treatment of Animals) haben. Im November 2013 hatte sie ein heimlich gefilmtes Video veröffentlicht, das zeigt, wie schreienden Angora-Kanichen das wertvolle Fell vom Körper gerupft wird. Die blutenden Tiere wurden nach der Tortur in enge Käfige gesperrt. Bis zu viermal jährlich müssen die Tiere die Qualen ertragen, die laut Peta Standard in China sind, woher über 90 Prozent der Angorawolle stamme. Nach der Peta-Recherche verbannten zahlreiche Unternehmen – einige sofort, andere erst nachdem die Konkurrenz den Schritt gemacht hatte – Angora aus ihrem Sortiment. Darunter sind laut Peta H&M, Esprit, C&A, Calvin Klein, Lacoste, Gerry Weber, Tom Tailor, Marc O´Polo, GAP und Tommy Hilfiger. Seit Februar 2015 hat nun auch der Einzelhändler Tchibo den Verkauf von Angoraprodukten eingestellt.

Online-Petition zeigt Wirkung

„Wir streben eine zu 100 Prozent nachhaltige Geschäftstätigkeit an“, zitiert Peta Stefan Dierks von Tchibo. „Dazu gehört für uns, soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen. Daher sind wir bei unserem Einkaufsstopp für Angoraprodukte geblieben und werden keine Angoraprodukte mehr anbieten.“ Nach einer Online-Petition mit über 300.000 Unterstützen hatte auch Inditex im Dezember 2013 angekündigt, seine Angora-Aufträge solange einzufrieren, bis sichergestellt sei, dass die Angoraproduktion nach den „Erfordernissen des Unternehmens“ ablaufe. Das berichtet der Guardian. Zu einem generellen Verkaufsende wollten sich die Spanier zunächst aber nicht durchringen. Jetzt ziehen auch Inditex und damit seine 6400 Modegeschäfte weltweit nach. Dem Guardian sagte eine Konzernsprecherin am Montag, dass es auch künftig auf den Verkauf von Angoraprodukten verzichten werde. Zwar habe man keine Beweise dafür gefunden, dass auf den Angorafarmen der Zulieferer grausame Praktiken durchgeführt würden. Doch nach Gesprächen mit Tierschutzorganisationen sei man der Meinung, dass ein Angoraverbot die richtige Entscheidung sei.

Angorakleidung für Syrien-Flüchtlinge

Angorakleidung, die bereits produziert wurde, soll Menschen in Not helfen. Der Konzern will 20.000 Kleidungsstücke mit einem Einzelhandelswert von rund 878.000 Dollar an syrische Flüchtlinge im Libanon spenden. „Einzig Menschen, denen es an lebensnotwendigen Gütern fehlt, haben eine Entschuldigung dafür, ein Fell zu tragen, das einem lebenden Tier aus dem Körper gerissen wurde“, sagt die PETA-Vorsitzende Ingrid E. Newkirk. „Wir appellieren an alle anderen Einzelhändler, die diese Kaninchenqual-Produkte noch immer vermarkten, dem Beispiel von Inditex und anderen schnellstmöglich zu folgen – sonst werden ihnen die Kunden mit dem Geldbeutel in der Hand weglaufen.“
Quelle: Wiwo Green, Foto: PETA Asia-Pacific

Mittwoch, 25. Februar 2015

UN-Report: Waldrodung in Afrika schlimmer als Wilderei



Die Körper der einst so kräftigen Elefanten sind erschlafft, sie liegen tot inmitten der Steppe. Tiefe Wunden zeugen von der Gewalt, mit der Wilderer ihnen die Stoßzähne entfernt haben. Achtlos haben sie die Kadaver zurückgelassen. Mit solchen Bildern wollen Umwelt- und Tierschützer auf ein wachsendes Problem aufmerksam machen: die brutale und illegale Jagd auf die Elefanten und Nashörner Afrikas. In ihren Kampagnen appellieren die Tierschützer aber nicht mehr nur an das Mitgefühl für die Tiere, sondern führen auch ein sicherheitspolitisches Argument auf: Der Elfenbeinhandel sei eine der Haupteinnahmequellen von Terroristen, Milizen und organisierten Banden aller Art, die in afrikanischen Ländern ihr Unwesen treiben, warnen sie. “Denen könnte man den Geldhahn faktisch zu drehen, wenn man den Handel (mit Elfenbein) illegal machen würde”, formuliert es der deutsche Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke in einem Interview. “Nicht nur der Handel, sondern auch der Besitz von Elfenbein muss illegal werden.” Grundsätzlich ist es ein berechtigtes und ehrenwertes Anliegen, sich für die Tiere einzusetzen. Doch Jaenickes Aussage steht beispielhaft für eine Verzerrung der Tatsachen: In Wahrheit decken die Terroristen meist einen vergleichsweise geringen Teil ihrer Einnahmen durch den Handel mit Elfenbein. Zwar ist es den Tierschützern zu verdanken, die Wilderei auf die internationale Agenda gesetzt zu haben. Gleichzeitig wird so ein Umweltproblem überschattet, dessen Schäden ähnlich verheerend wie die Wilderei sind: Die Rodung der Wälder für den illegalen Handel mit Holz und Kohle. Dieser spült weitaus mehr Geld in die Kassen der Terroristen als die Wilderei; nur lässt sich dieses Thema bei weitem nicht so medienwirksam vermarkten.

Mahagoni für Kalaschnikows

Den derzeit umfassendsten Bericht über das Ausmaß der Tier- und Umweltschäden, die aus der Finanzierung von Kriegen und Terrorismus entstehen, haben die Vereinten Nationen im vergangenen Sommer veröffentlicht. Demnach ist die illegale Jagd auf Elefanten und Nashörner insgesamt durchaus lukrativ mit einem geschätzten Jahresumsatz zwischen sieben und 23 Milliarden Dollar. Auf den globalen Schwarzmärkten bringt ein Kilo Elfenbein etwa 750 Dollar. Der Report lässt keine Zweifel daran, dass auch Terroristen tief in das schmutzige Geschäft verstrickt sind – Boko Haram im Westen Afrikas zum Beispiel, die Lord Resistance Army im Zentrum und die al-Shabaab-Milizen im Osten. Aber das meiste Geld aus dem illegalen Handel mit Horn und Elfenbein fließt nicht in die Taschen der Terroristen. In der Untersuchung wird die Rolle der Wilderei bei der Finanzierung der Terroristen relativiert: “Der Umfang der Einnahmen durch kriminelle Wilderei ist winzig im Vergleich zur illegalen Abholzung und der Waldkriminalität.” Dazu zählt die Rodung von Wäldern für edle Mahagoni-Hölzer, Plantagen und Papier. Was nach der Lektüre des UN-Berichtes klar wird: Trotz internationaler Abkommen, die die Abholzung weiter Teile der Regenwälder verbietet, werden regelmäßig ganze Landstriche entwaldet. 90 Prozent des afrikanischen Holzes wird dabei in Form von Holzkohle als Brennstoff genutzt. Die Terrorgruppen machen ihr Geschäft vor allem mit der illegalen Besteuerung des Brennstoffs. Schäden für Umwelt und Gesundheit In den von ihnen kontrollierten Gebieten errichten sie Straßensperren und verlangen Gebühren in einer Höhe von rund 30 Prozent für den Handel mit dem Material. In den umkämpften Regionen schätzen die Vereinten Nationen die Einnahmen aus dem Handel mit Holzkohle auf 111 bis 289 Millionen Dollar jährlich. Zum Vergleich: Elfenbein würde nur zwischen vier und 12,2 Millionen Dollar einbringen.

Tierschutzkampagnen mit zweifelhaften Zahlen

Weshalb also kursieren immer wieder Zahlen, die belegen sollen, dass die Wilderei die entscheidende Einnahmequelle der Terroristen sei? Für eine Kampagne hat zum Beispiel die Organisation “WildAid” die US-amerikanische Regisseurin Kathryn Bigelow angeheuert. In einem Kurzfilm zeigt die Oscar-Gewinnerin, wie der Elfenbeinhandel die somalische Terrorgruppe al-Shabaab finanziert. 600.000 Dollar würde die Terrorgruppe monatlich durch die illegale Wilderei eintreiben, heißt es im Film. Die Einnahmen der al-Shabaab aus dem Handel mit Elfenbein wirken gigantisch. Verglichen mit ihren Einnahmen durch die Kontrolle des Geschäfts mit der Holzkohle sind sie jedoch gering: Jährlich spült die illegale Tätigkeit bis zu 56 Millionen Dollar in ihre Kassen. Die Tierschützer der “Elephant Action League” wollen sogar recherchiert haben, dass 40 Prozent der Einnahmen der Gruppe auf den Handel mit Elfenbein zurückgehen. Als Beleg liefern sie jedoch keine umfassende Studie, sondern ein Treffen mit Insidern und grobe Schätzungen. Als “höchst unzuverlässig” bezeichnet der Report der Vereinten Nationen deren Behauptungen. Denn sie würden bedeuten, dass die al-Shabaab-Milizen fast das ganze Elfenbein aus West-, Zentral- und Ostafrika an einen einzigen Hafen in Somalia bringt und von dort verschifft. Es ist gut und wichtig, dass sich Tierschützer gegen die illegale Jagd auf Elefanten und Nashörnern stemmen. Doch dabei müssen sie sich an Fakten halten. Sonst überschatten ihre Hilferufe das gesamte Ausmaß des Raubzugs gegen die Umwelt und setzen ihre und die Glaubwürdigkeit anderer Organisationen aufs Spiel. In ihrem Report geben die Vereinten Nationen Empfehlungen, wie die Weltgemeinschaft nun reagieren soll. Die erste lautet: “Nehmt die vielfältigen Aspekte der Umweltkriminalität wahr.” Ein guter Ansatz.
Quelle: Wiwo Green, Bilder: „The Environmental Crime Crisis“

Sonntag, 22. Februar 2015

Fair & Bio – für Vielfalt und gesunde Böden



Die Kombination Fairtrade und Bio kommt bei deutschen Verbrauchern gut an: 2014 waren ersten Hochrechnungen zufolge 79 Prozent der verkauften Lebensmittelmengen mit Fairtrade-Siegel auch Bio-zertifiziert. „Bio-Produkte haben sich auf dem deutschen Markt zu einer festen Größe entwickelt, aber Bio heißt nicht automatisch auch Fair“, so TransFair-Geschäftsführer Dieter Overath auf der Biofach-Messe in Nürnberg. „Deshalb ist es sinnvoll, Bioanbau mit den ökonomischen und sozialen Kriterien  von Fairtrade zu verbinden.“ Der Faire Handel setzt Bio nicht voraus, fördert aber die Umstellung auf biologischen Anbau. Ein Drittel der Standards befasst sich mit Umweltaspekten, zu denen auch der Erhalt der biologischen Vielfalt gehört. Intensive Landwirtschaft trägt weltweit zum Artensterben bei. „Anbauweisen, die Biodiversität fördern, müssen das Leitbild landwirtschaftlicher Produktion werden“, betonte daher Stefan Hörmann, Leiter des Ressorts Business und Biodiversity des Global Nature Fund.

Vielfalt bewahren

Fairtrade-Standards geben soziale und ökonomische Richtlinien vor – darunter stabile Mindestpreise und eine zusätzliche Prämie für Gemeinschaftsprojekte sowie Versammlungsfreiheit und das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit. Umweltaspekte spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, beispielsweise die Wahrung der biologischen Vielfalt: So schreiben die Fairtrade-Standards den Schutz von Gebieten mit großer Artenvielfalt und die Einrichtung von Pufferzonen vor, verbieten Brandrodung und gestatten Wildsammlung nur in sehr begrenztem Rahmen. „Die Fairtrade-Richtlinien beinhalten bereits zahlreiche Vorgaben für die Landwirte, wie sie die Biodiversität aktiv fördern und die negativen Auswirkungen der landwirtschaftlichen Produktion auf Natur und Umwelt verringern können“, erläuterte Stefan Hörmann. Er ergänzte: „Unsere Untersuchung zu Integration und Wirksamkeit von Biodiversitäts-Kriterien in Standards und Siegeln der Lebensmittelbranche hat gezeigt, dass oft noch Luft nach oben ist. Gemeinsam mit Fairtrade wollen wir das Thema Biodiversität künftig noch stärker in den Standards und auch in der Anbaupraxis verankern, zum Beispiel durch Schulungskonzepte für Kleinbauern und Zertifizierer.“

Produzenten setzen auf Bio-Anbau

Die Bio-Zertifizierung ist die wichtigste Zweitzertifizierung für Fairtrade-Produzenten. Rund 50 Prozent der Produzentenorganisationen weltweit sind neben Fairtrade- auch Bio-zertifiziert. Ein Beispiel, wie Biodiversität in der Landwirtschaft geschützt werden kann, gab Bijumon Kurian. Er ist Präsident der Kleinbauern-Kooperative Manarcadu Social Service Society in Indien, die neben Fairtrade auch Bio-zertifiziert ist: „Wir führen mit Hilfe von Fairtrade-Prämiengeldern Projekte durch, um unsere Bodenfruchtbarkeit zu schützen und die Kultur- und Sortenvielfalt zu erhalten.“ Im Schulungszentrum der Kooperative informieren sich die Kleinbauern regelmäßig über biologischen Pflanzenschutzmethoden. Sie ersetzen Pestizide und fördern die biologische Vielfalt der Böden.  Kurian betonte: „Monokulturen gibt es in unserer Kooperative nicht. Die meisten Mitglieder bauen neben Kaffee oder Kakao auch Gewürze an. So halten sie ihr Land fruchtbar und schaffen gleichzeitig alternative Einkommensquellen.“

Grün und fair in Deutschland – große Bandbreite

Fast 70 Prozent des fair gehandelten Kaffees, der 2014 in Deutschland verkauft wurde, ist auch biologisch angebaut. Bei Schokolade sind 54 Prozent bio-zertifiziert, im Bereich Süßwaren 60 Prozent, bei Trinkschokoladen 70 Prozent. Bei Fairtrade-Reis liegt dieser Anteil bei gut zwei Dritteln; bei Tee sogar bei 80 Prozent. Übertroffen werden diese hohen Bioanteile nur von Fairtrade-Bananen. Sie sind unangefochtene Spitzenreiter. 2014 trugen 98 Prozent der fair gehandelten Bananen auch ein Bio-Siegel. Rund drei Viertel aller Bio-Bananen auf dem deutschen Markt sind auch Fairtrade-zertifiziert. Doch es gibt auch Ausreißer nach unten: Weit unter 20 Prozent Bioanteil haben Honig, Zucker, Eiscreme oder Fruchtsaft. Und noch immer gibt es keine biologisch angebauten Fairtrade-Blumen.
Quelle: TransFair/PM

Donnerstag, 19. Februar 2015

Kinderarbeit: Ferrero antwortet Greenpeace



Im Blogbeitrag vom 16. Februar ging es um die Missstände bei der Herstellung des Brotaufstrichs „Nutella“. Ferrero erklärte daraufhin, Kinderarbeit zu „missbilligen“, konnte die Vorwürfe aber nicht entkräften. Nachdem das Greenpeace Magazin eine Fake-Werbeanzeige für Nutella ins Netz gestellt hatte, reagierte auch Ferrero prompt. Greenpeace hatte darin unter anderem auf Vorwürfe hingewiesen, der Nutella-Hersteller profitiere von Kinderarbeit. Eine Unternehmenssprecherin rief Greenpeace an und versprach, bis zum nächsten Tag per Email Informationen zum Engagement des Konzerns zu schicken. Zitieren sollten Greenpeace aus dem Gespräch nicht. Seitdem wurde das Greenpeace Nutella-Motiv auf Facebook rund 1900-mal geteilt und erreichte mehr als 400.000 Leser. Doch Ferrero schweigt gegenüber dem Greenpeace Magazin bis heute. Die versprochene Stellungnahme traf nicht ein.

Auch andere Medien berichten

Inzwischen haben andere Medien die Berichterstattung des Greenpeace Magazins aufgegriffen und berichten ebenfalls über den Fall. Sie haben von Ferrero eine direkte Antwort erhalten. Eines dieser Schreiben liegt Greenpeace vor. Man „missbillige“ jede Form von Kinderarbeit, heißt darin. Bestritten werden die Vorwürfe aber nicht. Vielmehr beteuert Ferrero seine Pläne für die Zukunft. Man sei sich bei der Beschaffung der Rohstoffe Haselnüsse und Kakao „seiner Verantwortung bewusst“. So solle das von der Firma selbst erdachte „Ferrero Farming Values Programm“ Verbesserungen für Bauern und Saisonarbeiter in der Haselnussernte bringen. Es gelte aber ebenso, „die gesamte Bevölkerung zu sensibilisieren, um die kulturellen und sozialen Gegebenheiten vor Ort nachhaltig zu ändern. Hierbei ist Ferrero auch auf die Zusammenarbeit mit Institutionen, Verbänden und der lokalen Regierung angewiesen.“ Die Verantwortung will der Großabnehmer offenbar nicht alleine tragen.

Vorwürfe nicht entkräftet

Mit Blick auf das für den Brotaufstrich verwendete Palmöl legt Ferrero Wert darauf, dass der Konzern beim Einkauf über die Kriterien der umstrittenen RSPO-Zertifizierung hinausgehe. Man habe eine firmeneigene Palmöl-Charta und wolle nur noch Palmöl aus solchen Quellen beziehen, die nicht zu Rodungen, dem Artensterben, Treibhausgas-Emissionen und Verstößen gegen Menschenrechte beitragen. Außerdem arbeite man in der „Palm Oil Innovation Group“ mit. Tatsächlich erkennt Greenpeace Ferreros Engagement beim Palmöl an. Das in unserem Artikel beschriebene Problem, dass mit dem RSPO-Siegel frühere Abholzungen nachträglich legitimiert werden, bleibt allerdings bestehen.

Übrigens: Unter „dein Nutella“ kann man weiterhin personalisierte Etiketten bestellen – auch mit dem Namen Ernst.
Quelle: Greenpeace Magazin/Kurt Stukenberg, Wolfgang Hassenstein

Update 16. Februar 2015:
Inzwischen ist die angekündigte schriftliche Stellungnahme von Ferrero Deutschland bei Greenpeace eingetroffen. „Mit großer Ernsthaftigkeit“ beschäftige sich die gesamte Ferrero-Gruppe „mit den komplexen Themenfeldern Kinderarbeit, Biodiversität und Minimierung von Umwelteinflüssen“, heißt es darin. Die Ferrero-Gruppe sei sich bewusst, dass ein einzelner Akteur eine Lieferkette nicht alleine verändern kann, deshalb müssten „alle Beteiligten Hand in Hand auf das gemeinsame Ziel nachhaltiger Wertschöpfungsketten hinarbeiten“. Ferrero beschreibt verschiedene Initiativen und legt Wert darauf, dass seine „Nachhaltigkeitsaktivitäten weit über das hinausgehen“, was im Blogbeitrag vom 16. Februar beschrieben wurde, ohne jedoch die geschilderten Missstände grundsätzlich zu bestreiten. 

Montag, 16. Februar 2015

Personalisiertes Nutella – Ablenkungsmanöver von Ferrero



Nutella gilt als Wohlfühlprodukt für Kinder und Erwachsene. Ferrero, der Konzern hinter dem Brotaufstrich, hat es geschafft, eine sehr hohe Kundenbindung aufzubauen. Das Produkt gilt als Inbegriff der Schokocreme und als Symbol für eine heile Frühstückswelt. Der neueste Marketing-Coup: Nutella-Liebhaber können sich personalisierte Etiketten drucken lassen. Die Schokocreme soll jetzt nicht nur einen festen Platz am Frühstückstisch, sondern auch noch einen individuellen Namen haben. Was steht hinter der Kampagne, die von den massiven Problemen auf Haselnuss-, Kakao- und Palmölplantagen ablenken soll:

Haselnüsse

Die für die Nutella-Produktion verwendeten Haselnüsse werden nach Angaben von Ferrero vor allem aus der Türkei bezogen, rund ein Viertel der weltweiten Haselnussernte kommt von dort. Ferrero will den Anbau bis 2020 als nachhaltig zertifizieren lassen – was das im Einzelfall bedeutet, bleibt vage. Auf den türkischen Haselnussplantagen ist bekanntermaßen Kinderarbeit ein großes Problem. Laut einem Bericht der Zeit vom Dezember 2014 wird in dem Land sogar in amtlichen Statistiken darauf verwiesen, dass rund 400.000 Kinder zwischen 6 und 17 Jahren regelmäßig in der Landwirtschaft arbeiten müssen. Offen bleibt, ob sich Ferrero bis in fünf Jahren mit fragwürdigen Zertifikaten der sozialen Verantwortung für ihre Produktion entledigen oder sich der ernsten Lage auf den Plantagen ihrer Zulieferer tatsächlich stellen wird.

Kakao

Der Kakao für Nutella stammt nach Angaben von Ferrero aus der Elfenbeinküste, aus Ghana, Nigeria oder Ecuador. Der Konzern wirbt auch in Bezug auf Kakao damit, dass der Anbau bis 2020 als nachhaltig zertifiziert werden soll. Recherchen des NDR auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste zeigten, dass viele Kinder dort trotz anderslautender Versprechungen der Schokoladen-Industrie noch immer unter ausbeuterischen Bedingungen für die Ernte von Kakao eingesetzt werden. Das Kinderarbeit auf den Kakao-Plantagen ihrer Zulieferer ein großes Problem ist, ist auch Ferrero bekannt – trotzdem lässt der Konzern sich mit der Problembekämpfung reichlich Zeit: Im Zuge der Zertifizierung soll „Menschenhandel, missbräuchliche Kinderarbeit und Zwangsarbeit von Erwachsenen in unserer Kakaolieferkette“ vermieden werden. Bis sich das ändert, werden die Kinderarbeiter von heute, wohl schon Erwachsene sein.

Palmöl

Nutella enthält Palmöl. Das pflanzliche Fett macht das Produkt streichzart. Das mögen Nutella-Liebhaber. Ferrero gibt an, dass pflanzliche Fett werde seit 2013 aus zu 100 Prozent zertifiziert nachhaltigem Anbau bezogen, der größte Teil des verwendeten Palmöls stamme aus Malaysia. In Malaysia nahm die Waldrodung in der Zeit von 1990 bis 2005 um 85 Prozent zu, wobei 4,2 Millionen Hektar Land mit Palmöl-Plantagen bepflanzt wurden. Dabei gingen wichtige Ökosysteme für immer verloren, oftmals wurden Menschen von ihrem Land vertrieben und der Boden mit gesundheitsschädigenden Agrochemikalien verseucht. Ferrero ist seit 2005 Mitglied des „Round Table on Sustainable Palm Oil“ (RSPO), der für nachhaltige Produktion und Verwendung von Palmöl steht. Doch das Siegel steht massiv in der Kritik, Nichtregierungsorganisationen lehnen die Kennzeichnung als „Greenwashing“ ab. Denn in Malaysia und Indonesien, den weltweit größten Palmölproduzenten, ist die Ausbreitung der Palmölproduktion die wichtigste Ursache für Entwaldung. Aber RSPO schließt nicht einmal die Regenwaldrodung aus. Das Siegel „verbietet“ lediglich die Abholzung von Primärwäldern und Wäldern mit besonderem Schutzwert. Stammt das Palmöl von Waldflächen, die vor 2008 abgeholzt wurden, darf es das RSPO-Label tragen – damit kann die Rodung nachträglich legitimiert werden.
Quelle: Greenpeace Magazin/Julia Lauter