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Dienstag, 23. April 2019

Europas Ressourcenhunger: mehr als die Hälfte der pflanzlichen Rohstoffe stammen aus anderen Ländern


Egal ob Kosmetik, Treibstoff oder die künftigen Bioplastik-Strohhalme – für alle diese Güter wird heute auf Palmöl, Soja, Ethanol und andere Rohstoffe zurückgegriffen. Laut einer aktuellen Studie von WU-Wissenschaftler Martin Bruckner und internationalen Kolleginnen und Kollegen bezieht Europa heute rund 65 Prozent der pflanzlichen Rohstoffe für Produkte, die nicht der Ernährung dienen, aus dem Ausland. Pflanzenöle – zum Beispiel Palmöl – sind dabei besonders gefragt: 6,3 Millionen Hektar (ca. ¾ der Fläche Österreichs) werden hauptsächlich in Asien rein für den europäischen Bedarf bewirtschaftet. Die hohe Nachfrage nach Palmöl macht vor allem tropische Regionen zu den stärksten Lieferanten. Und der Bedarf steigt weiter. 935.000 Tonnen an pflanzlichen Rohstoffen (111 kg pro Kopf) aus dem Ackerbau konsumiert Österreich jährlich alleine für die Produktion von Nicht-Ernährungsprodukten. Zum Vergleich: In Europa liegt der Wert bei 52 Millionen Tonnen oder durchschnittlich 103 kg pro Kopf. Eine aktuelle Studie von Martin Bruckner, Stefan Giljum und Victor Maus vom Institute for Ecological Economics der Wirtschaftsuniversität Wien gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen des International Institute for Applied System Analysis (IIASA), der Stockholm University und der Universität Bonn untersuchte die Herkunft der landwirtschaftlichen Rohstoffe für in Europa konsumierte Produkte. Dabei zeigte sich: Europa benötigt Ressourcen weit über seine Grenzen hinaus. Rund 65 Prozent der benötigten pflanzlichen Rohstoffe stammen von anderen Kontinenten – vielfach aus tropischen Regionen. Im Ernährungsbereich ist der Bedarf Europas an ausländischen Rohstoffen zwar tendenziell ebenfalls steigend, aber mit 15 Prozent deutlich niedriger.

Konsumreduktion ist effektiver Umweltschutz

Die meisten pflanzlichen Rohstoffe für Europas Nutzung werden aus Asien bezogen, nach Baumwolle (1,7 Millionen Hektar v.a. aus Indien, China und Pakistan) steht Palmöl hier an zweiter Stelle: Etwa 6,4 Milliarden Liter – geerntet auf einer Fläche von rund 1,6 Millionen Hektar jährlich – werden entweder unverarbeitet oder bereits in Form von verarbeiteten Gütern meist aus Indonesien oder Malaysia nach Europa gebracht. Hier wird es zum Beispiel für Biodiesel, Reinigungsmittel, Seifen, kosmetische Produkte oder Kerzen verwendet. Zudem liefert Asien Kautschuk von rund 1,3 Millionen Hektar Anbaufläche und Kokosöl von 0,7 Millionen Hektar. 1,2 Millionen Hektar der Ackerflächen Asiens werden für die Viehzucht zur Herstellung von Leder und Wolle für den Konsum in Europa genutzt. Der Umstieg von Palmöl auf heimischen Raps ist allerdings keine globale Lösung, sagt Martin Bruckner: „Für die gleiche Menge an Öl bräuchten wir in Europa dreimal so viel Fläche, die Folge wären erhöhte Treibhausgasemissionen und Biodiversitätsverluste. Nur durch eine starke Reduktion unseres Konsums können die Ökosysteme unseres Planeten effektiv geschützt werden." Aus den USA holt Europa maisbasiertes Ethanol, vorwiegend zur Beimengung zu Benzin.

Massive Entwaldung, globale Problemverlagerung

Die massive Ausweitung an Ölpalmplantagen fordert eine zunehmende Abholzung natürlicher tropischer Wälder. Studienautor Martin Bruckner erklärt: „Die starke Entwaldung führt zu einer hohen Freisetzung an Treibhausgasen – wir sehen, dass die Rodungen südostasiatischer Wälder bis zum Jahr 2002 sogar mehr Emissionen als chinesische Kohlekraftwerke im selben Zeitraum verursachten. Zudem zeigen sich erschreckende Verluste an Biodiversität". Die derzeit von der Politik gesetzten Schritte greifen für Bruckner und seine KollegInnen zu kurz: „Wir sehen, dass einige umweltpolitische Maßnahmen eher Probleme verlagern, als sie zu lösen. Beispielsweise führte die Biokraftstoffverordnung zwar einerseits zu verringerten CO2-Emissionen im heimischen Verkehr, verursachte aber ein ungeahntes Ausmaß an globaler Entwaldung und somit die Zerstörung wertvoller Ökosysteme. Die derzeitige Richtlinie zum Verbot von Einweg-Plastik lässt Ähnliches befürchten. Zwar könnte dadurch Plastik in den Weltmeeren reduziert werden, doch auch das Geschäftsmodell hinter Bioplastik ist sehr ressourcenintensiv", so Bruckner.
Quelle: Forum Nachhaltig Wirtschaften, alle Bilder: Frank Herrmann

Montag, 11. Januar 2016

Faires Gummi für Ökokondome - Naturkautschuk im Aufwind



In Asien wird Kautschuk auf riesigen Plantagen gewonnen, angezapft wird dafür der “Hevea Brasiliensis”, der Kautschukbaum. Das Latex-Wassergemisch lässt sich vor Ort zu Kautschuk weiterverarbeiten, ökologisch ist das aber noch lange nicht. Herbizide und Pestizide werden in großen Mengen eingesetzt und verseuchen das Grundwasser. Für die Plantagen werden zudem regionale Wälder abgeholzt. Die Monokultur zerstört die Biodiversität. Meist aus Unwissenheit, erklärt Gerhard Langenberger von der Universität Hohenheim. Die Ausbreitung der großflächigen Monokultur-Plantagen hat dabei dramatische Folgen für die Regionen: “Die Kautschukbäume verändern die Hydrologie der Wassereinzugsgebiete. Das führt zu Wasserknappheit während der Trockenzeit. Außerdem vernichten Herbizide die Bodenvegetation, was wiederum Erosion begünstigt. Die Wasserqualität sinkt und die Wasserläufe verlieren wichtige ökologische Funktionen, zum Beispiel als Laichgründe für Fischarten”, erklärt Langenberger.

Aufklärung gegen Monokulturen

Am Institut für “Pflanzenbau in den Tropen und Subtropen” betreut der Kautschuk-Experte ein 4,6 Millionen Euro umfassendes Forschungsprojekt, das diese Umweltzerstörung beenden will. Dazu wollen die Wissenschaftler Plantagenbesitzer nicht nur aufklären, sondern ihnen auch ökologisch sinnvolle Alternativen aufzeigen. Konkret heißt das etwa, dass aus Monokulturen Mischwälder entstehen sollen – Bäume, die zur Holzgewinnung dienen oder die heimische Eibe, die als Medizinpflanze gilt, sind eine wirtschaftliche Alternative. Der Chemieeinsatz wird dadurch reduziert, die Biodiversität erhöht. “Wenn man es vernünftig macht, dann bringt es etwas”, so Langenberge. Und weckte mit seinem Programm auch das Interesse der Gründer von einhorn condoms. Sie wollten auf ökologisch produzierte Rohstoffe setzen. In Malaysia fanden sie einen Plantagenbesitzer, der zu einer Zusammenarbeit bereit war. Dafür, dass die Berliner den Kautschuk abnehmen, zeigen Studenten der Universität Hohenheim dem Plantageneigner Alternativen auf: Etwa eine Mischung aus heimischen Bäumen zu pflanzen, die die Biodiversität verbessert und gleichzeitig zusätzliche Einnahmequellen ermöglicht.

Mehrwert für Mensch und Umwelt

Für Forscher wie Unternehmer eine gute Sache. „Wir wollen einen Mehrwert für Mensch und Umwelt schaffen – von fairen Löhnen über nachhaltige Anbaumethoden bis hin zur Erhöhung der Biodiversität”, sagt Zeiler und verspricht, “50 Prozent unserer Gewinne in faire und nachhaltige Projekte zu reinvestieren.“ Eine Umsetzung, die Geduld braucht. “Das Projekt ist mittelfristig zu betrachten”, bremst Langenberger. Die Aussaat von Bäumen und das Wachstum brauchen Zeit. Forscher freuen sich über praktisches Beispiel. Auch wenn Kondome nur einen winzigen Bereich im Kautschuk-Absatz darstellen, ist der Projektmanager der Uni Hohenheim über die Kooperation froh. Auf diese Weise kann er an einem praktischen Beispiel Alternativen zum herkömmlichen Anbau aufzeigen. Das ist wichtig. Nur so können auch andere Plantagenbesitzer ins Boot geholt werden. Momentan ist die Zeit dafür günstig. Durch die ökonomische Abschwächung in China sowie dem niedrigen Ölpreis, der zu einem Aufschwung des Konkurrenzproduktes Synthesekautschuk führte, sind die Preise für den natürlichen Kautschuk dramatisch gefallen. „Bauern sind daher deutlich offener für Experimente als vor dem Preisverfall“, so der Wissenschaftler.

Fair gehandeltes Gummi

Der Bedarf an Kautschuk ist groß. Denn die elastischen Fähigkeiten von Naturgummi sind unerreicht. Das wissen auch die Reifenhersteller zu schätzen, die mit 70 Prozent an der Spitze der Abnehmer stehen. Für Lastwagen und Flugzeuge wird immer Naturkautschuk verwendet, da es auch bei extremen Temperaturen noch Halt bietet. Nur bei Autos wird gemischt. Das Verhältnis zwischen synthetischem und natürlichem Kautschuk ist bei den Unternehmen Betriebsgeheimnis. Kautschuk steckt aber auch in anderen Produkten, etwa Matratzen. Ähnlich wie einhorn condoms hat der schwäbische Hersteller Prolana einen ökologischen Anspruch, setzt dabei auf “Fair Rubber” – einen Verein, der fairen Handel auch in die Gummibranche bringen will. Das klappt, wenn die Produktionskosten der Lieferantenpartner auch bei niedrigen Weltmarktpreisen noch gedeckt sind – besonders für Kleinbauern wichtig. Zudem trägt “Fair Rubber” dazu bei, dass der Kautschuk möglichst umweltschonend erzeugt wird. Die Lieferanten müssen dafür vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein – dem bekanntesten internationalen Zertifizierungssystem für verantwortungsvolle Waldwirtschaft, bei dem auch die Einhaltung sozialer Mindeststandards überprüft wird. Bisher ist der Verein zu klein, um die Branche zu verändern. Lediglich rund 65 Tonnen wurden darüber gehandelt. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und trotzdem führen durch den beginnenden fairen Handel bereits mehrere hundert Familien auf den Plantagen ein besseres Leben.
Quelle: WiWo Green, Fotos: Frank Herrmann, Logo: Fair Rubber

Donnerstag, 25. Juni 2015

Die „Tränen des Baumes“ – Studie zu Arbeitsbedingungen bei der Gummiproduktion



Die Produktion von Naturkautschuk ist mit zahlreichen ökologischen und sozialen Problemen verbunden. Zu diesem Schluss kommt die Südwind-Studie „Die ‚Tränen des Baumes‘ als Wirtschaftsgut. Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor“. Viele dieser Probleme von der Rodung großer Waldgebiete, Menschenrechtsverletzungen bei der Anlage von Plantagen oder miserablen Arbeitsbedingungen, sind mit denen des Palmölanbaus vergleichbar. Bislang hat die Kautschukbranche jedoch noch nicht ausreichend auf diese Herausforderung reagiert. Gummi ist ein eher unscheinbarer Werkstoff, aber in vielen Bereichen unentbehrlich. Der natürliche Grundstoff für Gummi ist der Milchsaft des Kautschukbaumes. Vor allem die Auto- und Flugzeugindustrie sind für die Herstellung von Reifen auf Naturkautschuk angewiesen. 90 Prozent des Naturkautschuks stammen heute aus Anbauregionen in Südostasien.

Lange Liste von Menschenrechtsverletzungen

Um großflächige Kautschuk-Monokulturen anzulegen, werden – teilweise illegal – riesige Waldgebiete gerodet, was sich entsprechend auf Artenvielfalt und Bodenqualität auswirkt. Außerdem kommt es bei der Anlage solcher Plantagen oft zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen: Illegale Vertreibungen und Abholzung von gemeinschaftlich genutzten Wäldern, Gewalteinsatz bei der Räumung von Siedlungen und mangelnde Entschädigung für Landnahme - die Liste ist lang. „Auf den Plantagen selbst sind erzwungene Mehrarbeit und Armut aufgrund des sehr niedrigen Lohnniveaus keine Seltenheit“, meint Irene Knoke, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Südwind und Mitautorin der Studie „Aber auch die kleinbäuerlichen Betriebe, die noch immer einen Großteil der Produktion bestreiten, leiden unter Preisschwankungen und den gegenwärtig sehr niedrigen Preisen“, so Knoke weiter.

Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen

Die Probleme beim Anbau von Kautschuk korrespondieren mit jenen in der Palmölproduktion. Doch obwohl das Auto des Deutschen liebstes Kind ist, haben die schweren ökologischen und sozialen Probleme beim Kautschukanbau noch wenig gesellschaftliche Resonanz gefunden. Entsprechend hat auch die Kautschukbranche erst sehr zaghaft begonnen, sich des Themas anzunehmen. Erste Schritte hin zu einer Sensibilisierung gegenüber den Missständen innerhalb der Kautschukbranche sind erfolgt, doch es bleibt Einiges zu tun: Insbesondere da, wo nationale Regierungen und deren Institutionen ihren Schutzpflichten nicht nachkommen, müssen die Unternehmen endlich selbst Verantwortung in ihrer Lieferkette übernehmen.
Quelle: UD/pm, Bilder: Frank Herrmannn