Mittwoch, 30. September 2020

Konzerne päppeln Aktionäre, statt in die Zukunft zu investieren

Aktionäre von Großunternehmen profitieren von der Corona-Pandemie. Das zeigt ein aktueller Oxfam-Bericht am Beispiel ausgewählter Unternehmen. So schütten die profitabelsten Konzerne in Europa, den USA und anderen Teilen der Welt trotz der Krise und staatlicher Unterstützung weiterhin Geld an Aktionären aus, statt in menschenwürdige Arbeitsplätze und den klimakompatiblen Umbau ihrer Geschäftstätigkeit zu investieren. Auch deutsche Unternehmen wie beispielsweise BMW, Bayer und BASF planen entsprechende Ausschüttungen oder haben diese bereits getätigt, während sie gleichzeitig von milliardenschweren staatlichen Hilfszahlungen profitierten. Die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam fordert von der Bundesregierung, ihre EU-Präsidentschaft für einen wirtschaftlichen Systemwechsel zu nutzen: Die EU müsse Unternehmen gesetzlich auf das Gemeinwohl verpflichten, um zu verhindern, dass diese weiterhin nur den Interessen der Kapitaleigner dienen. Zwischen 2010 und 2019 haben Aktionärinnen und Aktionäre der im S&P 500 Index gelisteten Unternehmen sich gut neun Billionen US-Dollar ausschütten lassen – das entspricht über 90 Prozent ihrer Gewinne in diesem Zeitraum. Bei einigen Unternehmen lag das Verhältnis von Ausschüttung zum Gewinn über 100 Prozent: Die Unternehmen mussten sich für die Auszahlung verschulden oder Rücklagen nutzen. Diese Praxis setzt sich in der Corona-Krise fort. Oxfams Bericht zeigt, dass die 25 profitabelsten globalen Unternehmen des S&P Global 100 Index den Aktionärinnen und Aktionären im Jahr 2020 voraussichtlich mehr als 378 Milliarden Dollar zahlen werden. Das entspricht 124 Prozent ihrer Gewinne des laufenden Jahres. Zwischen 2016 und 2019 haben die profitabelsten Firmen in den USA, Europa, Südkorea, Australien, Indien, Brasilien, Nigeria und Südafrika zwei Billionen US-Dollar an Aktionärinnen und Aktionäre gezahlt, durchschnittlich 83 Prozent ihrer Gewinne. Durch Dividenden und Aktienrückkäufe zahlten die drei größten Unternehmen im Gesundheitssektor in Südafrika 163 Prozent der Gewinne an Anteilseigner aus. „Die Konzernmanager fühlen sich zuallererst ihren Aktionären verpflichtet, und diese fordern oft Ausschüttungen ein. Doch Unternehmen haben eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung und der müssen sie nachkommen. Sie müssen in den notwendigen sozial-ökologischen Wandel ihrer Geschäftsmodelle investieren und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für ihre Angestellten und innerhalb ihrer Lieferketten schaffen, bevor Geld in die Taschen der Eigentümer fließt“, fordert Barbara Sennholz-Weinhardt, Referentin für Wirtschaft und Globalisierung bei Oxfam.

Deutsche Unternehmen: Ausschüttungen trotz Staatshilfen

US-Unternehmen wie Apple, Microsoft, Walmart und der Google-Mutterkonzern Alphabet liegen in absoluten Zahlen vorn, wenn es um Ausschüttungen und Rückkäufe geht. Dafür zeichnen sich deutsche Unternehmen durch Dreistigkeit und Maßlosigkeit aus:

  • Aktionärinnen und Aktionäre von BMW, darunter einige der reichsten Menschen Deutschlands, haben sich in diesem Jahr über 1,6 Milliarden Euro an Dividenden an auszahlen lassen. Gleichzeitig nimmt das Unternehmen von der Allgemeinheit finanzierte Hilfen für Kurzarbeit in Anspruch und forderte staatlich finanzierte Kaufprämien, von denen es nun profitiert. In den vergangenen Jahrzehnten hat BMW seine Profite lieber an Aktionäre ausgeschüttet, als ausreichend in menschengerechte Arbeitsbedingungen in seinen Rohstoff-Lieferketten oder in ein klimakompatibles Geschäftsmodell zu investieren.
  • Aktionärinnen und Aktionäre von BASF haben sich innerhalb der vergangenen sechs Monate satte 400 Prozent der Unternehmensgewinne ausschütten lassen, insgesamt 3,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig hat der Konzern etwa 1,1 Milliarden Euro aus einem Nothilfefonds der britischen Regierung erhalten. In den vergangenen Jahrzehnten hat BASF exzessiv Profite ausgeschüttet, statt das eigene Geschäftsmodell ökologisch umzustellen, wie beispielsweise der hohe Anteil toxischer Pestizide, die als hochgefährlich für Menschen, Tiere und Ökosysteme eingestuft werden, an ihrer Gesamtproduktion zeigt.
  • Die Aktionärinnen und Aktionäre von Bayer haben entschieden, rund drei Milliarden Euro an Dividenden auszuzahlen. Gleichzeitig hat der Konzern etwa 670 Millionen Euro aus einem Nothilfefonds der britischen Regierung erhalten. In den vergangenen Jahrzehnten hat Bayer ebenso wie BASF exzessiv Profite ausgeschüttet, statt das eigene Geschäftsmodell ökologisch umzustellen.

Quelle: UD/pm

Hier geht es zum Oxfam-Bericht (engl.)

Freitag, 11. September 2020

Zahlen des FFH: Fairer Handel auch 2019 mit Zuwächsen

Anlässlich seiner Jahrespressekonferenz fordert das Forum Fairer Handel (FFH) einen fairen Neustart nach der Covid-19-Krise, der sich an sozialen und ökologischen Kriterien ausrichten muss. Der Faire Handel in Deutschland blickt in 2020 auf 50 Jahre zurück und konnte viel bewegen. "In einem 'normalen' Jubiläumsjahr wären die positiven Umsatzzahlen des Fairen Handels in Deutschland ein Grund zur Freude gewesen", erklärt Matthias Fiedler, Geschäftsführer des Forum Fairer Handel. "Doch die Prognose für 2020 gibt uns Anlass zur Sorge und offenbart einen grundlegenden Missstand im Welthandel: Unternehmen, die sich solidarisch mit ihren Partnern zeigen und Menschen und Umwelt generell über den Profit stellen, haben im bestehenden Wirtschaftssystem das Nachsehen", kritisiert Fiedler. "Für eine zukunftsfähige Weltwirtschaft muss das Prinzip 'Menschen und Umwelt vor Profit' zum Standard werden", erklärt Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel. "Doch dafür haben wir keine weiteren 50 Jahre Zeit", ergänzt sie. Im Geschäftsjahr 2019 gaben die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland 1,85 Milliarden Euro für Produkte aus Fairem Handel aus. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Zuwachs von 9 %. Innerhalb der letzten sieben Jahre hat sich der Umsatz im Fairen Handel fast verdreifacht. Im Durchschnitt gaben die Bundesbürger pro Kopf 22,23 Euro für faire Lebensmittel und Handwerksprodukte aus. "Vor dem Hintergrund des 50-jährigen Bestehens der Fair-Handels-Bewegung in Deutschland freuen wir uns besonders darüber, dass die 'Pioniere' des Fairen Handels, die Weltläden und Weltgruppen sowie die Fair-Handels-Unternehmen ein gutes Umsatzplus aufweisen", erklärt Matthias Fiedler. Die anerkannten Fair-Handels-Unternehmen vertrieben im vergangenen Jahr fair gehandelte Waren im Wert von 226 Millionen Euro (+ 8 %). In den Weltläden, den Fachgeschäften des Fairen Handels, wurden Waren im Wert von 83 Millionen Euro verkauft (+ 6 %). Wie auch in den Vorjahren wurde der größte Teil des Umsatzes mit Fairtrade-gesiegelten Produkten generiert (1,49 Milliarden, + 9,7 %). 

Fairer Kaffee: Eine relative Erfolgsgeschichte

Das umsatzstärkste Produkt im Fairen Handel, der Kaffee, ist weiterhin auf dem Weg aus der Nische. Doch mit 6,7 % Marktanteil in Deutschland ist der Einfluss auf die Ungerechtigkeiten des globalen Kaffeemarktes aus Sicht der Produzentinnen und Produzenten noch immer zu gering. "Der Weg zu gerechten globalen Handelsstrukturen bleibt steinig, zumal die COVID-19-Krise die ausbeuterischen Mechanismen entlang globaler Lieferketten sogar zum Teil verstärkt. Sie hat drastisch offenbart, dass viele konventionelle Lieferketten nicht krisenfest, geschweige denn fair und nachhaltig sind", betont Matthias Fiedler. Dass Selbstverpflichtungen von Unternehmen nicht ausreichen, um die Ausbeutung entlang internationaler Lieferketten zu stoppen, zeigt der konventionelle Kakaosektor. Immer noch leben viele der weltweit ca. 5,5 Millionen Kakaobauern und ihre Familien unterhalb der international definierten Armutsgrenze und arbeiten Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen auf Kakaoplantagen – und das, obwohl die Kakaoindustrie sich schon 2001 dazu verpflichtet hat, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beenden. 

Solidarisch durch die Krise: Fairer Handel in Zeiten von Corona

Auch die Akteure des Fairen Handels agieren im bestehenden Wirtschaftssystem und unterliegen dabei Wettbewerbsnachteilen, weil sie viel in die Unterstützung ihrer Handelspartner investieren. Während große konventionelle Handelsunternehmen Aufträge stornieren, steht der Faire Handel weiterhin zu seinen Zusagen, finanziert seine Lieferungen vor und unterstützt seine Handelspartner auf vielfältige Weise – sei es durch Solidaritäts- und Spendenaktionen oder mit ganz konkreten Hilfeleistungen an Handelspartner. FFH-Vorstandsvorsitzende Andrea Fütterer bringt den Unterschied auf den Punkt: "Fair-Handels-Unternehmen wollen die Krise gemeinsam mit ihren Handelspartnern überstehen, nicht auf deren Kosten." Von der Politik fordert sie, dass solche zukunftstauglichen und dem Gemeinwohl verpflichteten Handelspraktiken zur Leitlinie einer neuen Handelspolitik nach Covid-19 gemacht werden. Wie fällt die Prognose für den Fairen Handel in 2020 aus? Aufgrund der Schließung vieler Weltläden im Frühjahr, voraussichtlicher steigender Lieferkosten sowie Transportschwierigkeiten aus dem Globalen Süden, wird es im Geschäftsjahr 2020 in vielen Bereichen zu Umsatzeinbußen kommen. Obwohl sich die Lage im Lebensmittelbereich im Juni und Juli etwas entspannt hat, bleibt die Situation trotzdem prekär. Vor allem im Bereich Handwerk sind die Prognosen deutlich schlechter. Hier werden Einbußen von 10 bis 20 % befürchtet. „Das ist insofern dramatisch, als dass Handwerksproduzenten häufig keine andere wirtschaftliche Tätigkeit ausüben können und selten Land für die Eigenversorgung besitzen. Ihre Situation ist also besonders kritisch", erklärt Andrea Fütterer. "Wir brauchen ein System, in dem die Differenzierung zwischen 'fairem' und 'konventionellem' Handel obsolet wird, weil ein nach ökologischen und sozialen Kriterien ausgerichteter Fairer Handel der Standard geworden ist", erklärt Matthias Fiedler. Ein starkes Lieferkettengesetz und das Verbot von unfairen Handelspraktiken wären wichtige erste Schritte zu einer Handelspolitik, die den Menschen und die Natur in den Vordergrund stellt und sich damit als zukunftsfähig erweist.  

Quelle: Forum Fairer Handel                       

Hier geht es zum Jahresbericht des FFH

Mittwoch, 2. September 2020

Massive Arbeitsrechtsverletzungen auf Weinfarmen in Südafrika

In der Studie „Günstiger Wein, bitterer Nachgeschmack“ von der Ver.di und der Rosa-Luxemburg-Stiftung werden erstmals die direkten Lieferverbindungen von südafrikanischen Weinfarmen nach Deutschland untersucht. Die Studie weist nach, dass dabei schwere Verletzungen elementarer Rechte der Beschäftigten auf der Tagesordnung sind. „Die Weinfarmen, die auch für den deutschen Markt produzieren, zahlen meist prekäre Löhne und behindern den gewerkschaftlichen Zusammen- schluss.  „Bereits vor Corona war die Situation der Beschäftigten auf den Weinfarmen extrem prekär. Mit der Corona-Krise hat sich die Arbeitssituation dramatisch zugespitzt“, erläutert Dagmar Enkelmann, Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung. 

Dabei sei die Liste der Arbeitsrechtsverletzungen sehr lang. So werde das in der EU seit langem verbotene hochgefährliche Herbizid Paraquat auf mehreren Farmen unter mangelhaftem Gesundheitsschutz gesprüht. „Das Trinkwasser müssen die Beschäftigten aus verunreinigten Kanälen schöpfen. Besonders die Situation von Leiharbeitern ist dramatisch. Sie wurden über Jahre ohne soziale Sicherung ausgebeutet und stehen jetzt vor dem Nichts“, so Enkelmann.  „Die Arbeitsrechtsverletzungen auf den untersuchten Farmen sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Enkelmann. Auf den Farmen, die Tankwein für deutsche Supermärkte produzierten, sei der wirtschaftliche Druck besonders hoch. „In diesem Bereich zahlen deutsche Importeure pro Liter Tankwein lediglich 60 Cent. Sie setzen die Produzenten in Südafrika dadurch unter erheblichen Preisdruck“, sagt Enkelmann. Laut Studie verbleiben nur 1,4 Prozent vom Preis, den die Kundinnen und Kunden im Discounterregal in Deutschland zahlen, bei den Beschäftigten vor Ort. 60 Prozent der Preismarge teilen sich die importierende Kellerei und der Einzelhandel in Deutschland auf. Enkelmann fordert, angemessene Preise zu zahlen: „Es liegt auch in der Verantwortung der deutschen Importeure, die massive Krise vor Ort zu lindern.“ Der südafrikanische Produzentenverband geht davon aus, dass aufgrund eines vorübergehenden und erst kürzlich aufgehobenen Alkoholverkaufsstopps 21.000 Arbeiterinnen und Arbeiter im Weinsektor entlassen werden. „Die Beschäftigten vor Ort zahlen den Preis für diese unsägliche Billigwein-Strategie“, betont die Gewerkschafterin Stefanie Nutzenberger. 


„Besonders die Ausbeutung von Saison- und Leiharbeitern, die aus den benachbarten Staaten kommen und durch Subunternehmer angestellt werden, ist so dramatisch, dass dies mit der Würde der Menschen nicht vereinbar ist,“ so ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Besorgniserregend sei insbesondere auch die Verfolgung von gewerkschaftlichen Aktivitäten gegen die extreme Ausbeutung: „Auf mehreren untersuchten Farmen ist die Arbeit der südafrikanischen Gewerkschaft CSAAWU (Commercial Stevedoring Agricultural and Allied Workers Union) massiv behindert worden, bis hin zur Bedrohung und Entlassung von Gewerkschaftsaktivistinnen“, sagt das ver.di-Vorstandsmitglied. Andererseits zeige die Untersuchung: „Wo sich Arbeiterinnen und Arbeiter unter hohem persönlichen Risiko gewerkschaftlich organisieren, können deutliche Verbesserungen erreicht werden.“ Die Schlussfolgerung sei: „Wir dürfen die Debatte um Menschenrechte in Lieferketten nicht vom Recht auf gewerkschaftliche Organisierung abkoppeln. Deutsche Handelsunternehmen sind aufgefordert, hier umgehend zu handeln und den ersten Schritt zu tun, damit Kollektivverträge zur Voraussetzung für Lieferungsvereinbarungen mit.

Quelle: PM Rosa-Luxemburg-Stiftung und Ver.di

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