Sonntag, 31. März 2013

Von Havanna nach Bayaco

Inzwischen bin ich mit einer deutschen Reisegruppe unterwegs, um sehen, ob und wie der Veranstalter Nachhaltigkeit während der Reise umsetzt (dazu mehr in einem zukünftigen Blog). Das ist in Kuba sicher nicht immer ganz einfach, da Fahrer und Reiseleiterin staatliche Angestellte sind und auch die meisten Hotels sich in der Hand der Regierung befinden.

Abschied von Havanna


Nach zwei interessanten Beschtigungstagen in Havanna, während derer wir neben der faszinierenden Altstadt und dem großen Kolumbus-Friedhof zwei soziale Projekte besuchen konnten (ein Friseur, der einen Teil seiner Einnahmen in soziale Projekte für Jugendliche steckt, und ein Stadtviertel, das seinen Jugendlichen mit Kunstprojekten eine Perspektive bietet), fuhren wir Richtung Osten bis Santa Clara.

Hier geht es nur um „ihn“


In der 210.000-Einwohner-Stadt befindet sich das Che-Guevara-Mausoleum und hier erreicht die Che-Verehrung wohl ihre maximale Strahlkraft. In Santa Clara gelang es dem Guerillero in einer tollkühnen Aktion einen Zug voller Soldaten und Waffen des Batista-Regimes zum Entgleisen zu bringen. Der Sieg markierte den Wendepunkt im Kampf gegen den ungeliebten Diktator. Dadurch hat sich Santa Clara einen Ruf als „Kultstätte des Revolutionärs“ erworben. Nach dem Besuch ging es weiter bis zum Übernachtungsort Trinidad, wo wir in einem wenig persönlichen Hotel übernachteten, das gerammelt voll war mit Touristen.

Baden, Kultur und Salsa


Am nächsten Vormittag stand eine kleine Wanderung in einem nahegelegenen Naturschutzgebiet auf dem Programm. Das Ziel war ein etwas mickriger Wasserfall, an dessen Fuß man aber in einem natürlichen und bis zu neun Meter tiefen Naturbecken herrlich schwimmen konnte. Nachmittags stand eine Besichtigung der megatouristischen Altstadt von Trinidad an. Nach dem chaotischen Buffet im Hotel ging die Gruppe noch in ein Open-Air-Musiklokal. Da spielte eine Liveband zwar  guten Salsa, aber der heftige und etwas kühle Wind ließ keine rechte Stimmung aufkommen.

Wir sind nicht alleine unterwegs


Einen erneuten Touristenauflauf gab es folgenden Tag im Tal der Zuckerrohrmühlen an einem Turm, den ein Zuckerbaron errichten ließ. Da musste man aufpassen, dass man nicht von der Menge niedergetrampelt wurde (ich übetreibe eine wenig). Wesentlich angenehmer ging es wenig später in der sympathischen Stadt Spiritus Sánctis zu. Nach einem Bummel durch die Straßen und über den Markt folgte eine längere Fahrtstrecke bis zum Tagesziel Camagüey.

Tolle Tanzeinlage


Im netten Kolonialort besuchten wir das Hilfsprojekt eines dort lebenden Schweizers, der mit Spendengeldern marode Krankenhäuser oder Behindertenheime saniert. In einem Kulturzentrum werden Jugendlichen Freizeitmöglichkeiten geboten. Nach einer tollen Tanzpräsentation ging dieser lange Tag zu Ende. Am nächsten Tag stand eine Stadtführung durch den asymetrisch angelegten Ort an, der unter anderem den Besuch einer sehenswerten Kunstgalerie mit einschloss. Am späten Nachmittag erreichten wir  das Etappenziel Bayamo im Südosten Kubas gelegen. Der Ort macht einen wohlhabenden und sehr gepflegten Eindruck.

... sag mir cuando, sag mir wann ...


Wie immer bleibt es offen, wann ich den nächsten Blog posten kann. Neben der schwierigen Lage beim Internet habe ich mit der Tatsache zu kämpfen, dass mein Ladegerät bei einem Sturz auf den Boden seinen Geist aufgegeben hat. Reparieren über die Ostertage so gut wie möglich, Meine Batterie neigt sich dem Ende ,,, ich hoffe es findet sich eine Lösung. In diesem Sinn: Einen schönen Ostermontag und schaut ab und zu mal rein.

Donnerstag, 28. März 2013

Tourismus auf Kuba – erste Eindrücke

Nachdem die hauptsächlich auf Zucker ausgerichtete Wirtschaft Kubas Anfang der 1990er-Jahre mit dem Kollaps der Sowjetunion zusammengebrochen war, wurde dringend ein neuer Devisenbringer benötigt. Man entschied sich für den Tourismus, der sein Gesicht zunächst in Form von großen Alles-inklusive-Hotels mit einer Kapazität von über 20.000 Betten auf der Halbinsel Varadero zeigte. Kubaner waren dort damals nur als Arbeitskräfte zugelassen.

„Wind of Change“


Das hat sich geändert und auch Kubaner dürfen heute als Gäste nach Varadero kommen. Leisten können sich das allerdings nur wenige. Aber auch heute noch kennen die meisten ausländischen Touristen Kuba nur in Form von Varaderos Sandstränden und Havannas Altstadt. Doch eine zunehmende Anzahl der Besucher sucht aus das Landesinnere oder andere Küstengebiete auf. Der Tourismus auf Kuba boomt, sei es individuell, als Gruppenreisender oder auch mit dem Fahrrad. Die Rahmenbedingungen für Reisende haben sich in den letzten Jahren um einiges verbessert.

Der Sozialismus privatisiert sich


Da Kubaner seit Kurzem private Geschäfte eröffnen dürfen, sprießen nun allenthalben Privatzimmer, Läden, Bars und Restaurants hervor – vor allem in größeren Städten. Auch wenn das Angebot an Speisen und Getränken nicht immer das allergrößte und die Qualität gelegentlich zu wünschen übrig lässt, ist es ein Quantensprung zu vergangenen Zeiten. Das Geld für touristische Investionen erhalten viele Kubaner von der arbeitenden Verwandschaft aus den USA oder Europa.

Manchmal etwas nervig


Doch der Tourismus hat auch seine Schattenseiten. Zahlreiche Bettler stürzen sich vor allem auf Gruppenreisende und fragen nach allem von Kulis über Seife bis hin zu Bargeld. Flüssig sollte man auf Kuba ohnehin sein, denn das Land ist ganz schön teuer geworden und überall wird Trinkgeld erwartet. Wer außerhalb seines Hotels auf die Toilette geht, einer bei so gut wie jeder Mahlzeit ungefragt aufspielenden Kapelle  zuhört oder nur mal nach dem nächsten Geldautomaten fragt: überall hält man die Hand auf. Irgendwie auch verständlich, wenn man weiß, dass ein Kubaner nur zwischen 10-20 Euro monatlich verdient, diesen schmalen Lohn mit Trinkgeld aber schnell verfielfachen kann. Manchmal geht es ein wenig plump, dreist und penetrant zu, so als müsste man sich ein Trinkgeld erst gar nicht verdienen.

Zwei Welten beim Transport


Was die Fortbewegung in Kuba angeht, gibt es ein Zwei-Klassen-System. Daher ist es schon ein wenig befremdlich, wenn man in einem neuen Bus cinesischer Herkunft mit Klimaanlage, Vorhängen und verschiebbaren Sitzen im Rahmen einer Gruppenreise durch Kuba gefahren wird, während für die kubanische Bevölkerung der Transport – neben der Wohnungssuche – weiterhin eines der größten Probleme darstellt. Man behilft sich mit Pferdekutschen, schrottreifen Bussen oder Fahrradtaxis. Aber es ist eben kein Wunder, dass der Tourismus Begehrlichkeiten in der Bevölkerung weckt. Dafür ist es auf Kuba – im Vergleich zum mittelamerikanischen Festland – erstaunlich sicher und ruhig.

Sonntag, 24. März 2013

Kontrastprogramm Havanna



Vom kleinen San José (s. vorheriger Blogbeitrag), der Hauptstadt des ebenso kleinen Costa Ricas, mit seinen modernen Shoppingcentern, Werbetafeln und Fastfood-Restaurants in die geschichtsträchige Metropole Havanna mit seinen mehr als zwei Millionen Einwohner – das sind Gegensätze pur, nur wenige Flugstunden voneinander getrennt.

Tolle Atmosphäre


In der Hauptstadt Kubas lebt jeder fünfte Inselbewohner. Der erste Eindruck ist überwältigend, besonders wenn man durch Habana Vieja bummelt. In der größten zusammenhängenden kolonialen Altstadt Lateinamerikas drängen sich knapp 2000 historische Gebäude, ein Viertel davon aus der frühen Kolonialzeit. Und obwohl ein dichtes Gewusel von Menschen, Fahrradtaxis, Pferdekutschen und zu Taxis umfunktionierten Oldtimern das Bild prägt, gehen die Uhren hier anders und definitiv langsamer als bei uns.

In einer anderen Zeit


Apropos Uhren: am Morgen nach meiner Ankunft hatte ich einen Termin beim Reiseveranstalter, für den ich an der besagten Kubareise (s. vorheriger Blogbeitrag) teilnehme. Fünf Minuten vor der vereinbarten Uhrzeit stand ich vor dem Büro und wunderte mich, dass man mir sagte, man hätte eigentlich gar nicht mehr mit mir gerechnet. Komisch! Des Rätsels Lösung: Auf Kuba gilt seit zwei Wochen die Sommerzeit, was die Stewardess bei der Zeitangabe nach der Landung – auf die ich mich verlassen hatte – vergessen hatte zu erwähnen. 

Geniale Liveshow


An meinem zweiten Abend ging ich abends auf der Dachterrasse eines naheliegenden Hotels ein Bier trinken, nichtsahnend was der Abend an Überraschungen für mich bereit halten sollte. Gegen 22.30 Uhr begann dort ein Konzert einer der angesagtesten Son-Bands Kubas, die in der Mitte den 1920er gegründet worden war. Und als wäre das noch nicht genug, kamen die Tänzer einer ebenso bekannten Salsaschule vorbei, um kräftig abzutanzen. So etwas hatte ich nun wirklich noch nicht gesehen. Abgesehen vom optischen Leckerbissen, hatten die Jungs und Mädels es einfach drauf. Mein Gemütszustand schwankte ständig zwischen völliger Begeisterung und totalem Frust.

Steinzeit-Internet


Und nun leider eine schlechte Nachricht für alle Fans dieses Blogs. In Kuba ist Internet kaum verfügbar, extrem langsam und dafür aber sauteuer. Rund sechs US-Dollar für eine Stunde, WLAN acht Euro/Std. Und außerhalb von Havanna sieht es noch trüber aus. Zudem bin ich ja mit einer Reisegruppen unterwegs und komme wohl nicht immer zum regelmäßigen Blogschreiben. Wenn Ihr also eine Weile nichts von mir hört, liegt das weniger an meinem guten Willen, als an der wirklich schwierigen Lage vor Ort. Schaut trotzdem mal ab und an rein. Spätestens ab dem 10.4. läuft dann alles hoffentlich wieder reibungslos.

Beim heiligen Josef in San José



Nach drei arbeitsreichen Tagen in San José und zahlreichen spannenden Treffen mit Vertretern der Ananasbranche (siehe vorherige Blogbeiträge), heißt es allmählich Abschied nehmen von Costa Rica.

Fest in US-amerikanischer Hand


San José, die Hauptstadt Costa Ricas hat gerade mal 600.000 Einwohner (der Großraum allerdings über eine Million) und liegt auf klimatisch angenehmen 1170 m Metern über dem Meersspiegel. Die Stadt wirkt vor allem im Zentrum provinziell, auch wenn die Mc Donalds-Dichte beängstigend ist. Moderner wird es entlang der großen Ausfallstraßen, wo sich die großen US-amerikanischen Handelsfirmen von Walmart über Pricemart bis hin zu Office Depot angesiedelt haben. Der Verkehr hat in den vergangenen 15 Jahren (so lange ist mein letzter Besuch etwa her) drastisch zugenommen. Aber das kennt man ja auch aus anderen Hauptstädten dieser Erde. 

Eine Einschränkung, die nur wenig einschränkt


Jedes Privatfahrzeug darf inzwischen nur noch an fünf von sieben Tagen fahren, sonst würde der Verkehr endgültig zusammenbrechen. Wer genug Geld hat, löst das Problem, indem er sich einen Zweitwagen anschafft, so dass er die ganze Zeit fahren kann. Wer wenig Geld hat, tauscht die Fahrzeuge mit Familienangehörigen und Bekannten, so dass man ebenfalls ständig mobil ist. Wer ganz wenig Geld hat, nutzt das gute Bussystem, dass allerdings von den Staus ebensowenig verschont bleibt. Cleverer ist die Polizei, die sich – zumindest teilweise – auf Fahrrädern durch das Verkehrschaos manövriert.

Eine Stadt feiert Geburtstag


Der Name San José ist dem Schutzheiligen der Stadt, dem heiligen Josef, gewidmet. Gefeiert wird dies jährlich am 19. März. Das traf sich ganz gut für mich, denn gerade als ich mich fragte, was denn am Hauptplatz für ein Volksauflauf sei, wurde San José in einer feierlichen Prozession aus der Kirche getragen. Ihm folgten zahlreiche Gläubige, bunte Folklore- und Musikgruppen sowie maskierte Giganten. Alles in allem ein buntes Spektakel angeführt von den Vertretern der katholischen Kirche. Das Foto mit San José vor Mc Donalds (zum Glück ging man nicht hinein!) ist übrigens absichtlich entstanden.

Die etwas andere Unterkunft



Noch eine Weile werde ich an meine Unterkunft in San José denken, die Casa Ridgway. Hier befindet sich auch der von Quäkern gegründete Centro de Amigos de la Paz, das Zentrum der Freunde des Friedens. Hier setzt man sich für ein friedliches Zusammenleben untereinander ein, was durch das Übernachten in der Herberge auch finanziell unterstützt wird. Ich hatte einige interessante Begegnungen, u.a. mit einem Gewerkschaftsmitglied, was mir für meine Berichterstattung über die Ananas sehr nützlich war. Die einfachen Zimmer der Casa Ridgway sind illustren Persönlichkeiten unterschiedlicher Friedensbewegungen gewidmet, wie etwa Ghandi. Ich übernachtete im schlichten Martin Luther King jr.–Zimmer, das nett mit  Zitaten und Fotos des Menschenrechtlers dekoriert ist.

Weiter nach Kuba


Morgen geht es per Flugzeug für 2 ½ Wochen nach Kuba. Dort begleite ich eine deutsche Reisegruppe während Ihres Kubaaufenthalts und schaue mir an, wie sehr die Vorgaben des fairen Tourismussiegels CSR-Tourism-certified umgesetzt werden. Da es auf Kuba nur sehr wenige und teure Internetzgänge gibt, wird es mit dem regelmäßigen Posten derr Blogbeiträge etwas schwierig werden. Es kann zu mehrtägigen Verzögerungen kommen. Also, bitte ein wenig Geduld und immer mal wieder reinschauen.

Donnerstag, 21. März 2013

Ananas aus Costa Rica – kaufen oder nicht?



Nach zahlreichen Gesprächen mit allen möglichen Akteuren der einheimischen „Ananasszene“, fällt es mir an dieser Stelle schwer, ein abschließendes Urteil zu fällen. Zu hetereogen ist das Panorama, zu unterschiedlich sind die Standpunkte. Kleinbauern, Großplantagen, ausländische Arbeiter, einheimische Arbeiter, Leiharbeiter, Gewerkschaften, der Verband der Exporteure, Vermarktungsgesellschaften, Zertifizierer und staatliche Stellen haben naturgemäß ihre Sicht der Dinge, die sich leider nur allzu selten deckt. Jeder verfolgt nun einmal zunächst seine Interessen.




Wenig Übereinstimmung


Es gibt eine Menge Ungereimtheiten: Während ein Großteil meiner Quellen davon ausgeht, dass immer weniger Costaricaner als Arbeiter auf den Ananasplantagen arbeiten und der Großteil der Arbeitskräfte inzwischen aus Nicaragua kommt, behauptet die Kammer der Ananasexporteure das genaue Gegenteil. Die Kammer behauptet ebenfalls, dass so gut wie alle Arbeiter inzwischen direkt bei den Plantagen angestellt sind und nicht über Subagenturen, die Gewerkschaften dokumentieren eine genau entgegen gesetzte Entwicklung. Auch was Arbeitsstunden, Lohn. Sozialleistungen, Behandlung von gewerkschaftlich organisierten Arbeitern innerhalb der Plantagen angeht, gibt es sehr unterschiedliche Betrachtungsweise. Und während Gewerkschaften Zertifizierungen in der jetzigen Form ablehnen, halten sie andere Sektoren der Branchen für unverzichtbar und überlebensnotwendig.

Ein Diskussionsforum, das nicht alle nutzen


Zwischen den Stühlen sitzt die „Plattform für einen nachhaltigen Ananasanbau“, ein offenes Diskussionsforum für alle Beteiligten der Ananasindustrie unter Leitung des UNDP-Programms der Vereinten Nationen. Während die Kammer der Ananasexporteure die Plattform zwar unterstützt, es sich aber verbietet, von dieser technische Empfehlungen im Rahmen eines Aktionsplans vorgesetzt zu bekommen, lehnen die Gewerkschaften die Teilnahme an der Plattform komplett ab. In einem offiziellen, mehrseitigen Schreiben begründeten die Gewerkschaften im Februar ihre Position. Direkte Gespräche mit den Gewerkschaften lehnt hingegen die Kammer der Ananasexporteure ab. Ein tiefsitzendes Misstrauen auf beiden Seiten prägt die Szenerie.

Es gibt keine Guten und Bösen




Angesichts dieser Situation darf man dennoch nicht in Schwarz-Weiß-Malerei verfallen. Weder sind nur die Gewerkschaften die alleinigen Guten, noch haben die großen Ananasplantagen den Schwarzen Peter ganz alleine für sich. Es gibt verantwortungsbewusst handelnde Großunternehmen und selbst einige der so gescholtenen großen Fruchtmultis, allen voran Dole, zeigen sich erstaunlich reformfähig und transparent. Hingegen gibt es auch unter den Kleinbauern solche, die Arbeitskräfte aus Nicaragua ausbeuten und Umweltauflagen missachten. Bio-Farmen sind nicht notwendigerweise sauberer als die Produzenten konventioneller Ananasplantagen und auch Gewerkschafter sind nicht immer nur vorrangig am Wohl der Arbeiter, sondern durchaus am eigenen Wohlergehen interessiert. 

An die eigene Nase packen


Wenn wir über Ananas reden, reicht es nicht, nur die lokalen Produktionsbedingungen zu analysieren, sondern wir müssen die gesamte Wertschöpfungskette betrachten. Wir müssen in den Spiegel schauen und uns fragen, warum wir im Supermarkt so oft auf perfekt aussehendes Obst und Gemüse anspringen und uns so leicht von Sonderangeboten verführen lassen. Die Supermärkte müssen sich fragen, was für Auswirkungen der Preiskrieg auf Produzenten und Arbeiter hat. Und die Fruchtmultis müssen schauen, dass sie ihre Nachhaltigkeitsversprechen auch einhalten.

Was kommt zuerst: die Henne oder das Ei?


Wer von uns Ananas für 0,99 Euro im Supermarkt kauft und weiß, dass die Ananas in Costa Rica im Supermarkt ebensoviel kostet, der sollte ins Grübeln kommen. Eine faire und ökologisch erzeugte Ananas ist für so wenig Geld natürlich nicht zu haben. Die muss man allerdings in deutschen Supermärkten immer noch mit der Lupe suchen. In Deutschland werden jährlich rund 100.000 Tonnen Ananas verzehrt, aber nur rund 12 Tonnen stammen aus Fairem Handel. Nur einige Biosupermärkte haben diese faire Bioananas im Sortiment. Also, was tun: Sonderangebote meiden, sich etwa mehr über Ananas informieren, im Supermarkt nach fairer Bioananas fragen und natürlich die beiden vorhergegangenen Blogbeiträge zum Thema Ananas lesen..

Dienstag, 19. März 2013

Besuch der größten Bio-Ananasfarm der Erde




Zwei Busstunden nördlich von Costa Ricas Hauptstadt ´San José liegt bei La Virgen die Finca Corsicana, die der US-amerikanischen Bäckerei Collin Street Bakery südlich von Dallas gehört. Auf der nach eigenen Angaben weltweit größten Bio-Ananasfarm werden auf einer Fläche von 1200 Hektar täglich rund 54.000 Ananas geerntet. Ein Großteil davon ist bio, es werden aber auch konventionell erzeugte Ananas angebaut. Mehr als die Hälfte der Früchte wird über den Fairen Handel vermarktet. Die Finca Corsicana ist Fairtrade-zertifiziert.

Strenge Qualitätskontrolle


Doch nicht die gesamte Ernte geht in den Export. Von den 54.000 Ananas, die täglich geerntet werden, sind rund 15.000 nur zweite Wahl, zu groß, zu klein oder mit anderen Defekten behaftet. Diese Ananas wird auf den einheimischen Märkten verkauft, zu Saft oder Marmelade verarbeitet. Den Ausschuss zu verringern ist ein wichtiges Ziel auf allen Ananas-Farmen, denn die Gewinnmargen sind in vergangenen Jahren bedenklich geschrumpft. Aber die Vorgaben der Käufer sind streng. Nur perfekte Ware geht in den Export. So will es angeblich der Konsument!

Geerntet und verpackt von der Corsicana, geliefert von Dole


Die Klassifizierung der Ware findet in der Verpackungsanlage der Finca Corsicana statt. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Um die Ananas zu desinfizieren, wird sie in Chlorwasser gereinigt, angeblich völlig unschädlich. Danach wird die Unterseite mit einem Luftstrahler gesäubert, um kleine Insekten zu entfernen. Vor der Verpackung werden die entsprechenden Etiketten aufgeklebt und die Ananas in die Kartons der späteren Endabnehmer gepackt. Für den Export nach Europa oder in die USA ist der Multi Dole Food Company, der weltgrößte Anbieter von frischem Obst, frischem Gemüse und frischen Schnittblumen zuständig.

Arbeiter gewinnt Prozess


Obwohl der Geschäftsführer der Corsicana sein Unternehmen im Interview in den höchsten Tönen lobte (welcher Geschäftsführer tut das nicht), bleiben Zweifel am sozialen und ökologischen Engagement des Unternehmens. Denn wie auch auf vielen anderen Ananasfarmen werden Gewerkschaftsmitglieder nicht gerade zuvorkommend behandelt. In einem Fall gewann ein Arbeiter – Mitglied einer Gewerkschaft – einen Prozess gegen die Corsicana, weil er angeblich seinen Job ohne entsprechende Erlaubnis verlassen hatte. Daraufhin wurde ihm gekündigt. Doch er hatte nicht gegen die Vorschriften verstoßen und konnte dies auch nachweisen. Nach mehr als zwei Jahren und einem Berufungsverfahren musste die Corsicana ihn nun wieder einstellen und ihn für die verlorene Zeit während des Verfahrens entschädigen.

Bio geht anders


Auch was die Ökologie betrifft, verkauft die Finca Corsicana den rund 20.000 Touristen, die das Unternehmen jährlich besuchen, ein Bild, das nicht immer der Wirklichkeit entspricht. Zum einen wird der Boden auf Bioananasplantagen  mit Plastik bedeckt, als Schutz vor Erosion und Insekten. Nach der Ernte wird das Plastik entfernt und angeblich recycelt. Das mag durchaus stimmen, aber es bleiben Reste im Boden, da das Plastik mit der Wurzel verwächst und schwierig zu entfernen ist. Zum anderen war ich Zeuge wie Blutmehl, ein stickstoffreicher, schnell wirksamer, organischer Dünger aus Schlachtabfällen, aufgebracht wurde. Echt lecker. Es stinkt bestialisch, wenn das Zeug versprüht wird und die Geruchsbelästigung ist in den naheliegenden Dörfern nach Angaben der dort lebenden Arbeiter enorm. Zudem werden Unmengen von Mücken von dem Dünger angelockt.

Viel Kritik von Gewerkschaftsmitgliedern


Alles in allem habe ich die größte Bioananasplantage der Welt mit zwiespältigen Gefühlen verlassen. Diese wurden nicht gerade weniger, als ich zwei Tage später Gelegenheit hatte, mich mit Arbeitern der Corsicana zu unterhalten, die einer Gewerkschaft angehören. Ihre Erfahrungen decken sich so gar nicht mit den Schilderungen des Geschäftsführer der Corsicana. Die Klagen reichen von unzureichenden sanitären Anlagen auf den Feldern über zunehmende Stundenzahl, um auf den gleichen Lohn zu kommen bis hin zur Verwendung der Prämiengelder aus dem Fairen Handel, die den Arbeiter keinen oder nur geringen Nutzen bringen. Und das waren nur die harmloseren Beschwerden.