Mittwoch, 13. März 2013

Tourismus von oben – wie wehrt sich die Bevölkerung Costa Ricas?



Der Name „Costa Rica“ bedeutet „reiche Küste“. Diesen Schatz, sei es auf der Pazifik- oder der Karibikseite, möchten Großinvestoren der Tourismusbranche immer wieder heben. Sie haben dabei wenig Skrupel die Bewohner der Küste, oftmals einfache Menschen, die von Fischfang, Schildkröteneiern, ein wenig Landwirtschaft und einfacheren Formen des Tourismus leben, mit allen Mitteln zu vertreiben.

 

 

Brennpunkt Küstenregion


Das war ursprünglich anders. In den vergangenen Jahrzehnten hatten kleine und mittelständische Unternehmen, gute Chancen an den Erträgen des Tourismus teilzuhaben. Das begann sich zu ändern, als in- und ausländisches Großinvestoren anfingen, stärker in den Tourismus zu investieren. Immer mehr Großprojekte entstanden und es kam zu ersten Interessenkonflikten um Boden, Wald, Wasser. Besonders hart trafen die unterschiedlichen touristischen Ansätze an den Küsten aufeinander.

Regierung und Investoren machen gemeinsame Sache


Die Regierung unterstützte den Bau großer Tourismusprojekte, die Anwohner der betroffenen Regionen fühlten sich bedroht. Nach und nach fand die Tourismuslobby Wege mit Hilfe von der Regierung ausgearbeiteten Flächennutzungsplänen, die lokale Bevölkerung von der Küste ins Landesinnere umzusiedeln. Die vorgeschobene Bürgerbeteiligung stellte dabei ein Deckmantel zur Durchsetzung der Interessen der Großinvestoren dar. Denn die einfache und oft mittellose Küstenbevölkerung war mit der Teilnahme an Versammlungen und dem Einbringen von Vorschlägen überfordert.

Eine Bewegung entsteht


Doch es regte sich Widerstand gegen die großen Tourismusprojekte. Die ersten Küstengemeinden begannen sich 2008 zu organisieren und schlossen sich in Gruppierungen wie der "Nationalen Front der durch Ausschlusspolitik bedrohten Gemeinden" (Frente Nacional de Comunidades Amenazadas por las Políticas de Exclusión) oder der "Front der Küstengemeinden" (Frente de Comunidades Costeras) zusammen. Zusammen arbeitete man einen Gesetzesentwurf aus, der kurz Ley TECOCOS (Ley de Territorios Costeros Comunitarios) genannt wurde. 

 

Ein Gesetzesentwurf nimmt Formen an


Mit der Gesetzesinitiative für die gemeinschaftlichen Küstengebiete erhofften sich die Küstenbewohner Schutz und Sicherheit. Die Menschen möchten weiter dort leben, wo sie leben, sie möchten keine zusätzlichen Steuern zahlen, nur weil sie in einer  Küstenrandzone leben und sie möchten verhindern, dass Küstenzugänge privatisiert werden. Nachdem eine von der Regierung beauftragte Umweltkomission den Gesetzesvorschlag der vereinigten Küstenbewohner einstimmig befürwortet hatte, konnte er 2011 der gesetzgebenden Versammlung (Asamblea Legislativa) vorgelegt werden.

Passiert doch noch was?


Doch auch wenn über das Gesetz TECOCOS im Parlament momentan (Stand März 2013) in Sondersitzungen beraten wird, ist es immer noch nicht verabschiedet worden. Zu groß scheinen die Wirtschaftsinteressen der Gegenseite zu sein. Vielleicht spielen Politik und Investoren aber einfach auf Zeit und hoffen, dass der Druck der Küstenbewohner allmählich nachlässt. Oder das Gesetz wird in zahlreichen parlamentarischen Debatten inhaltlich aufgeweicht. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Modellcharakter des Ley TECOCOS erhalten bleibt und der Gesetzentwurf verabschiedet wird. Das wäre nicht nur die Küstenbewohner Costa Ricas ein großer Erfolg, sondern würde auch anderen Küstenbewohnern weltweit einen Weg aufzeigen, wie sie ihre Gebiete vor Großinvestoren schützen können.

Dieser Blogbeitrag ist eine Zusammenfassung eines längeren spanischen Artikels von Ernest Cañada, Koordinator der katalanischen Organisation "Alba Sud - Investigation and Communicationfor Development". 
Der komplette Artikel kann auf der Seite von Tourism Watch auf Deutsch nachgelesen werden:  
http://www.tourism-watch.de/content/der-warteschleife