Die Menschheit verbraucht
jedes Jahr 60 Prozent mehr Ressourcen, als die Erde innerhalb dieses Zeitraums regenerieren
und damit nachhaltig zur Verfügung stellen kann. Setzt sich diese Entwicklung
ungebremst fort, sind 2030 zwei komplette Planeten nötig, um den Bedarf an
Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Das ist das Ergebnis des „Living Planet
Reports 2016“, den die Naturschutzorganisation WWF Ende Oktober in Berlin vorgelegt
hat. Laut dem globalen Zustandsbericht nehmen die ökologischen Reserven der
Erde immer weiter ab. So zeigt etwa der Living Planet Index, der den Zustand
der weltweiten biologischen Vielfalt erfasst, steil nach unten. Für die vergangenen
vierzig Jahre wurde ein Rückgang von 58 Prozent gemessen. Damit haben sich die
über 14.000 untersuchten Tierpopulationen mehr als halbiert. „Die Menschheit
treibt die Erde in einen lebensbedrohlichen Burn-Out. Dagegen hilft nur ein
tiefgehender Paradigmenwechsel“, warnte Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz
beim WWF Deutschland, bei der Veröffentlichung
des Reports. „In einer Welt mit begrenzten Ressourcen muss deren nachhaltige
Nutzung endlich zu einer der obersten Handlungsmaximen von Politik und
Wirtschaft werden. Wir brauchen eine neue Definition von Wohlstand und Erfolg,
die die Gesundheit von Individuen, der Gesellschaft und der Umwelt einbezieht.“
Nur bei einem verringerten ökologischen Fußabdruck könnten auch zukünftige
Generationen überhaupt mit einem hohen Wohlstandsniveau rechnen.
Kein
Land kann sich gegen globalen Burn-Out abschotten
Die Auswirkungen des
Raubbaus sind laut WWF bereits heute spürbar: Dürre und extreme
Wetterereignisse, Hungersnöte oder Artensterben nehmen immer dramatischere Ausmaße
an. Insgesamt sind vier von neun ökologischen Belastungsgrenzen, die die
Stabilität der planetaren Lebensräume definieren, überschritten: beim Klimawandel,
dem Verlust der Biodiversität, der Landnutzung sowie den biogeochemischen
Kreisläufen von Stickstoff und Phosphor. Gegen die Folgen des globalen
Burn-Outs lassen sich weder Staaten noch Märkte dauerhaft abschotten. Daher
warnt WWF-Vorstand Heinrich vor nationalen Egoismen und Verzagtheit seitens
Wirtschaft oder Politik und fordert die zügige Umsetzung der
UN-Nachhaltigkeitsagenda durch die Mitgliedsstaaten. Die Sustainable
Development Goals (SDG) und das Klimaschutzabkommen von Paris müssten mit
konkreten, nationalen Maßnahmen hinterlegt werden. Hier hat ausgerechnet
Deutschland seine Vorreiterrolle eingebüßt. „Die Bundesrepublik darf vor den
entscheidenden Reformen nicht zurückschrecken, sondern muss die notwendigen Transformationsprozesse
als Chance und Wettbewerbsvorteil begreifen“, fordert Heinrich, auch mit Blick
auf die anstehende Bundestagswahl und die Ausrichtung zukünftiger
Regierungspolitik. „Wir brauchen eine erfolgreiche Energiewende, eine
ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft und ein Finanzsystem, das
Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit im Fokus hat.“ Leider sende die deutsche
Politik derzeit jedoch andere Signale aus.
Deutschland
schwächelt bei der Klimapolitik
„Bei internationalen
Klimaschutz-konferenzen wurden in der Vergangenheit spektakuläre Fortschritte
erzielt. Doch bei der konkreten Umsetzung, geht der deutschen Politik die Luft
aus. Der Entwurf des Klimaschutzplans 2050 wird gerade bis zur Unkenntlichkeit
verstümmelt“, sagt Heinrich. Von einem konkreten Plan für den Kohleausstieg sei
beispielsweise gar nichts mehr zu lesen, obwohl die Bundesrepublik, wenn sie
die Paris-Beschlüsse ernst nehme, bis spätestens 2035 aus dieser Stromerzeugung
aussteigen müsse. Auch eine Agrar-Wende ist laut WWF-Vorstand überfällig: „Die
Fleischproduktion muss sich grundlegend wandeln. Wir beanspruchen in Südamerika
ausgedehnte Flächen auf denen mit Soja das derzeit wichtigste Futtermittel der konventionellen
Tiermast angebaut wird. Darunter leiden wertvolle Ökosysteme wie Savannen und
Regenwälder.“ Der Fokus müsse stattdessen auf einer natur- und
landschaftsverträglichen Produktion im Inland liegen. An diesen Leitlinien müsse
die Agrar-Subventionspolitik auf nationaler wie europäischer Ebene ausgerichtet
werden.
Quelle: UD/pm