Sonntag, 6. November 2016

Planet am Limit – „Living Planet Report 2016“



Die Menschheit verbraucht jedes Jahr 60 Prozent mehr Ressourcen, als die Erde innerhalb dieses Zeitraums regenerieren und damit nachhaltig zur Verfügung stellen kann. Setzt sich diese Entwicklung ungebremst fort, sind 2030 zwei komplette Planeten nötig, um den Bedarf an Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Das ist das Ergebnis des „Living Planet Reports 2016“, den die Naturschutzorganisation WWF Ende Oktober in Berlin vorgelegt hat. Laut dem globalen Zustandsbericht nehmen die ökologischen Reserven der Erde immer weiter ab. So zeigt etwa der Living Planet Index, der den Zustand der weltweiten biologischen Vielfalt erfasst, steil nach unten. Für die vergangenen vierzig Jahre wurde ein Rückgang von 58 Prozent gemessen. Damit haben sich die über 14.000 untersuchten Tierpopulationen mehr als halbiert. „Die Menschheit treibt die Erde in einen lebensbedrohlichen Burn-Out. Dagegen hilft nur ein tiefgehender Paradigmenwechsel“, warnte Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim  WWF Deutschland, bei der Veröffentlichung des Reports. „In einer Welt mit begrenzten Ressourcen muss deren nachhaltige Nutzung endlich zu einer der obersten Handlungsmaximen von Politik und Wirtschaft werden. Wir brauchen eine neue Definition von Wohlstand und Erfolg, die die Gesundheit von Individuen, der Gesellschaft und der Umwelt einbezieht.“ Nur bei einem verringerten ökologischen Fußabdruck könnten auch zukünftige Generationen überhaupt mit einem hohen Wohlstandsniveau rechnen.

Kein Land kann sich gegen globalen Burn-Out abschotten

Die Auswirkungen des Raubbaus sind laut WWF bereits heute spürbar: Dürre und extreme Wetterereignisse, Hungersnöte oder Artensterben nehmen immer dramatischere Ausmaße an. Insgesamt sind vier von neun ökologischen Belastungsgrenzen, die die Stabilität der planetaren Lebensräume definieren, überschritten: beim Klimawandel, dem Verlust der Biodiversität, der Landnutzung sowie den biogeochemischen Kreisläufen von Stickstoff und Phosphor. Gegen die Folgen des globalen Burn-Outs lassen sich weder Staaten noch Märkte dauerhaft abschotten. Daher warnt WWF-Vorstand Heinrich vor nationalen Egoismen und Verzagtheit seitens Wirtschaft oder Politik und fordert die zügige Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsagenda durch die Mitgliedsstaaten. Die Sustainable Development Goals (SDG) und das Klimaschutzabkommen von Paris müssten mit konkreten, nationalen Maßnahmen hinterlegt werden. Hier hat ausgerechnet Deutschland seine Vorreiterrolle eingebüßt. „Die Bundesrepublik darf vor den entscheidenden Reformen nicht zurückschrecken, sondern muss die notwendigen Transformationsprozesse als Chance und Wettbewerbsvorteil begreifen“, fordert Heinrich, auch mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl und die Ausrichtung zukünftiger Regierungspolitik. „Wir brauchen eine erfolgreiche Energiewende, eine ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft und ein Finanzsystem, das Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit im Fokus hat.“ Leider sende die deutsche Politik derzeit jedoch andere Signale aus.

Deutschland schwächelt bei der Klimapolitik

„Bei internationalen Klimaschutz-konferenzen wurden in der Vergangenheit spektakuläre Fortschritte erzielt. Doch bei der konkreten Umsetzung, geht der deutschen Politik die Luft aus. Der Entwurf des Klimaschutzplans 2050 wird gerade bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt“, sagt Heinrich. Von einem konkreten Plan für den Kohleausstieg sei beispielsweise gar nichts mehr zu lesen, obwohl die Bundesrepublik, wenn sie die Paris-Beschlüsse ernst nehme, bis spätestens 2035 aus dieser Stromerzeugung aussteigen müsse. Auch eine Agrar-Wende ist laut WWF-Vorstand überfällig: „Die Fleischproduktion muss sich grundlegend wandeln. Wir beanspruchen in Südamerika ausgedehnte Flächen auf denen mit Soja das derzeit wichtigste Futtermittel der konventionellen Tiermast angebaut wird. Darunter leiden wertvolle Ökosysteme wie Savannen und Regenwälder.“ Der Fokus müsse stattdessen auf einer natur- und landschaftsverträglichen Produktion im Inland liegen. An diesen Leitlinien müsse die Agrar-Subventionspolitik auf nationaler wie europäischer Ebene ausgerichtet werden.
Quelle: UD/pm