38 große Bekleidungsmarken sind zum zweiten Mal in
diesem Jahr dazu befragt worden, welche Maßnahmen sie zum Schutz von
Geflüchteten ergreifen, die in der Türkei Kleidung für den europäischen Markt
nähen. Einige Marken – wie NEXT und New Look – nehmen mit ihren
Managementansätzen und -praktiken eine Vorreiterrolle ein. Gleichzeitig hat
eine große Anzahl der Marken damit begonnen, erste positive Schritte in die
richtige Richtung zu realisieren. Nichtsdestotrotz steht Missbrauch auch
weiterhin auf der Tagesordnung. Das liegt nicht zuletzt an den Nachzüglern
unter den Unternehmen, die zu wenig Maßnahmen zu langsam umsetzen. Fast drei
Millionen Menschen sind vor dem Krieg und Blutvergießen in Syrien in die Türkei
geflohen. Dieser Zustrom stellt die Regierung, Unternehmen und lokale
Bevölkerung vor große Herausforderungen. Flüchtlinge sind auf der Suche nach
Sicherheit für sich und ihre Familien. Aufgrund unzureichender humanitärer
Hilfe sind Arbeitsplätze und ein Einkommen besonders wichtig, um das
Wohlbefinden der Familien sicherzustellen.
Ausschluss der Flüchtlinge Betroffenen
– das schlechtmöglichste Ergebnis
Die türkische Bekleidungsindustrie hätte das
Potential, Arbeitsplätze zu angemessenen Bedingungen für Flüchtlinge bereitzustellen.
Aber dieses Potential wird sie mit „business as usual“ nicht ausschöpfen
können. Die Hälfte der Textilmarken hat gezielte Maßnahmen ergriffen, um die
spezifischen Risiken anzugehen, mit denen Geflüchtete konfrontiert sind. ASOS,
C&A, Esprit, GAP, Inditex, Mothercare, New Look, NEXT, Otto Group, Primark,
Tesco, Tchibo und White Stuff gaben an, dass sie von
ihren Zulieferern erwarten, dass sie nicht registrierte Flüchtlinge bei der
Beantragung von Arbeitsgenehmigungen unterstützten. Dies ist eine positive
Entwicklung, da bisher viele Marken eine Nulltoleranzpolitik gegenüber nicht
registrierten Geflüchteten verfolgten. Diese führte zum Ausschluss der
Betroffenen aus den Fabriken – das schlechtmöglichste Ergebnis für das
Wohlbefinden der Flüchtlinge. NEXT, New Look und Mothercare gehen noch weiter:
So geben sie klare Anweisungen für den Fall, dass ein Flüchtling identifiziert
wird, um sicherzustellen, dass dieser geschützt und fair behandelt werden. Sie
zahlen auch dann den Bruttomindestlohn, wenn Syrer noch ohne Arbeitserlaubnis
beschäftigt werden. Auch dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige
Richtung, weil er anerkennt, dass nicht registrierte syrische Arbeiter keinen
Zugang zur Sozialversicherung haben.
Eine kleine Gruppe führender Marken
zeigt, wie es gehen kann
Leider haben sechs Marken unsere Befragung nicht
beantwortet - Gerry Weber, Lidl, Mexx, New Yorker, River Island und
Sainsbury’s. Eine Reihe weiterer Marken hat zu einem beschränkten Umfang
Informationen bereitgestellt: Arcadia, Burberry, s.Oliver, SuperGroup, VF Corp
und Walmart reagierten lediglich mit generellen Stellungnahmen. Phil Bloomer,
Geschäftsführer des Business & Human Rights
Resource Centre: „Business as usual“ in der Türkei ist keine
Option für große Marken. Eine kleine Gruppe von führenden Marken, wie NEXT und
New Look etwa, zeigen, dass es ein moralisch – und wirtschaftlich - geboten
ist, Flüchtlinge respektvoll zu behandeln. Die große Mehrheit der Marken tut
hier noch zu wenig. Sie sollten schnellstmöglich von den Beispielen der
führenden Unternehmen lernen und den Missbrauch von Geflüchteten in ihren
Lieferketten verbieten und darauf bestehen, dass Zulieferer angemessene
Arbeitsbedingungen für alle Angestellten sicherstellen. Syrische Flüchtlinge
gehören zu der Gruppe der besonders schutzbedürftigen Menschen auf unserem
Planeten. Die lukrative Modebranche kann es sich leisten, sie besser zu
behandeln und Konsumenten werden dies bald einfordern, wenn ihre Zustände
bekannt gemacht werden.“
Die Umfrage
unter den Modemarken offenbarte:
- Weitverbreitete Ausbeutung von Flüchtlingen: Die große Mehrheit europäischer Modemarken muss schneller handeln, um die missbräuchliche Ausnutzung von syrischen Geflüchteten in ihren Lieferketten einzustellen. Ihre üblichen Compliance-Methoden, insbesondere angekündigte Kontrollen bei den Erstzulieferern, sind nicht ausreichend und in Verruf geraten. Weitergehende und strengere Methoden sollten verwendet werden.
- Positive Veränderungen sind zu beobachten: Hier ist Primark zu nennen - das Unternehmen hat sein Monitoringprogramm als Reaktion auf die Situation der geflüchteten Arbeiter verbessert hat. Dazu gehört auch H&M - das Unternehmen hat seine Nulltoleranzpolitik gegenüber nicht registrierten Flüchtlingen aufgegeben und verfolgt nun eine pragmatischen Ansatz, der darauf abzielt, die Flüchtlinge zu unterstützen. Obwohl New Look in der Türkei nur über eine kleine Versorgungsbasis verfügt, hat die Marke einen detaillierten Plan in Bezug auf Ausbeutung entwickelt, der deutlich zielorientiertere Maßnahmen enthält im Vergleich zu Marken mit einer viel größeren Versorgungsbasis in der Türkei.
- Marken identifizieren zunehmend Flüchtlinge: Zehn Marken entdeckten nicht registrierte syrische Geflüchtete in ihren Lieferketten. Es ist ein positiver Schritt, dass einige dieser Marken offen über diese Angelegenheit und die damit verbundenen Herausforderungen sprechen. Dies ist der erste Schritt auf dem Weg zu konkreten Maßnahmen, um die Ausbeutung zu beenden.
- Eine Minderheit der Marken hat gemeinsam wichtige Maßnahmen im Rahmen der Ethical Trading Initiative ergriffen, um das Problem anzugehen; weitere sollten folgen.
- Noch viele Hürden zu überwinden: Ohne systemische Veränderungen beim Einkauf und der Überwachung werden auch die ambitioniertesten Maßnahmen der einzelnen Marken zum Schutz von Flüchtlingen scheitern. Unternehmen müssen angemessene Preise bezahlen sowie die Sicherheit und Berechenbarkeit ihrer Zulieferer verbessern, um zu vermeiden, dass diese Unteraufträge an informelle Fabriken (in denen die Risiken am höchsten sind) vergeben werden.
Dieser Bericht
empfiehlt, dass Textilmarken, die in der Türkei produzieren, die folgenden
Maßnahmen ergreifen sollten: Risiken identifizieren, eine Strategie zum Schutz
von Flüchtlingen umsetzen, die Auswirkungen ihrer Einkaufspraktiken auf
Arbeiter überprüfen, und die Zivilgesellschaft unterstützen. Marken sollten
sich dazu bekennen, langfristig Waren aus der Türkei zu beziehen und die weit
verbreitete Ausbeutung von Flüchtlingen in Fabriken (einschließlich von
Diskriminierung und Armutslöhnen) anzugehen: Davon werden sowohl syrische als
auch türkische Arbeiter profitieren.
Quelle:
UD/pm