Der Kompenstionsdienstleister myclimate kritisiert das
am 6. Oktober beschlossene Klimaschutzabkommen CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction
Scheme for International Aviation) der internationalen Luftfahrtindustrie
scharf. „Das Konzept des «climate neutral growth» ist nichts weiter als ein
Feigenblatt. Angesichts des Klimawandels, der globalen Emissionsziele als auch
der wirtschaftlichen Situation wäre es angebracht, die 800 Millionen Tonnen CO2,
welche die Flugzeuge jährlich in die Atmosphäre ausstoßen, vollständig zu
kompensieren. Und mit 100 Milliarden Dollar mehr in der Kasse wäre dies für die
Branche auch ohne weiteres möglich“, zieht myclimate Deutschland
Geschäftsführer Stefan Baumeister eine eindeutige Bilanz. Beim ICAO 39th
Triennial Assembly verkaufte die International Civil Aviation Organization
(ICAO) ihr Abkommen als historischen globalen Klimaschutz-Airline-Deal.
Kernpunkt ist das sogenannte «climate neutral growth» (klimaneutrales
Wachstum), welches für alle Airlines beschlossen wurde. Bei näherer Betrachtung
zeigt sich, dass künftig im „besten“ Fall nur die ab 2020 zusätzlich
entstehenden CO2-Emissionen kompensiert werden sollen. Das Abkommen
wird jedoch in 3 Phasen ausgerollt und erst ab 2027 für alle Airlines bindend.
Die in 2020 bereits vorhandenen jährlichen Emissionen von dann rund einer
Milliarde Tonnen CO2 will die Branche weiterhin kostenlos in die
Atmosphäre entsorgen.
Airlines sparen jährlich 100 Mrd USD
Treibstoffkosten
Dieser Deal stellt demnach wenig mehr dar als ein
Feigenblatt und vor allem eine immense verpasste Chance. „In der ICAO sitzen
die gleichen Staaten, die Ende 2015 das Paris-Abkommen beschlossen haben. Es
ist schon kurios und für uns völlig unverständlich, dass diese für eine ganze
Branche nun gratis Verschmutzungsrechte in Milliardenhöhe ohne einen klaren
Reduktionspfad akzeptieren. „Dabei wäre bei den konstanten Tiefpreisen für
fossile Brennstoffe jetzt der Zeitpunkt gewesen, ein starkes Zeichen für
Verantwortung und Klimaschutz zu setzen, und das völlig ohne negative Effekte
auf die Bilanzen der Airlines“, zeigt sich Stefan Baumeister enttäuscht.
Hintergrund des vernichtenden Fazits seitens myclimate sind die aktuell publizierten IATA Zahlen. Daraus geht
eindeutig hervor, dass die Airlines dieses Jahr im Vergleich zu 2014
voraussichtlich 100 Milliarden US-Dollar an Betriebskosten dank gesunkener
Kerosinpreise einsparen werden. „Würde man z.B. 25% dieser 100 Milliarden
schweren Einsparungen in die Kompensation aller von Flugzeugen erzeugten CO2-Emissionen
investieren, hätte man einen global äußerst großen Hebel für positive
Auswirkungen auf die Umwelt und die nachhaltige Entwicklung. Selbst wenn die
Airlines Ihre Einsparungen komplett behalten und diese Kosten an die Fluggäste
weitergäben, sprechen wir bei aktuell 3 Milliarden Flugbewegungen pro Jahr im
Schnitt von nur 8 USD Aufpreis pro Flugticket“, rechnet Stefan Baumeister.
„Wenn alle Airlines so eine Gebühr erheben würden, gäbe es auch keinerlei
Wettbewerbsnachteile!“ myclimate fordert von den Fluggesellschaften weltweit,
dass sie für die Abfälle, die sie in die Atmosphäre entsorgen, die
Verantwortung übernehmen und diese über Klimaschutzprojekte ausgleichen, die
nach strengen Qualitätsstandards zertifiziert sind (Gold Standard und CDM).
Angesichts der gewaltigen Einsparungen beim Kerosin wäre jetzt der richtige
Zeitpunkt für die Industrie, für sämtliche CO2-Emissionen eine
Gebühr zu entrichten, um die negativen Umweltauswirkungen wieder auszugleichen.
Klimaneutrales Wachstum eine große Mogelpackung
Das Angebot der Luftfahrtindustrie umfasst
Reduktionsmaßnahmen, die großteils dem technischen Fortschritt und
wirtschaftlichen Erwägungen geschuldet sind, von myclimate dennoch begrüßt
werden. Als großer Schritt angepriesen wird allerdings auch das klimaneutrale
Wachstum ab 2020 bis 2035. Das durchschnittliche Emissionswachstum der Airlines
– die Effizienzgewinne schon abgezogen - wird mit ca. drei Prozent pro Jahr
veranschlagt. Einzig dieses jährliche Wachstum soll kompensiert werden. „Die
Klimaverschmutzung von jährlich bis zu 1000 Millionen Tonnen bleibt davon
völlig unberührt“, echauffiert sich Stefan Baumeister. Die zur Diskussion
stehenden drei Prozent Wachstum entsprechen also ca. 30 Millionen Tonnen CO2
im ersten Jahr, steigend um weitere 30 Mio t jedes weitere Jahr. Es ist zu
befürchten, dass die Kompensation über sogenannte Billigzertifikate geschieht,
die bei entsprechendem Einkauf zu einem Preis von ungefähr einem Dollar pro
Tonne „zu haben wären“. Über den 15-Jahreszeitraum hinweg würde das global
gesehen Investitionen in Kompensationszertifikate in Höhe von ca. 4 Mrd USD
bedeuten, bei Gesamtemissionen von 19Mrd t CO2. Und die zusätzlichen
klimawirksamen Effekte von Flügen sind hier nicht einmal erwähnt. Stefan
Baumeister ordnet ein: „Das als gönnerhaft und verantwortungsbewusst
dahingestellte Angebot der ICAO an die Welt muss man ins Verhältnis setzen zu
den aktuell jährlichen Einsparungen beim Kerosineinkauf von 100 Milliarden USD.
Ist das beschlossene Paket dann ein fairer Preis oder doch eher eine
gigantische Mogelpackung?“ „Aus Sicht
der Fluggäste mag es positiv sein, wenn Teile der Einsparungen durch tiefere
Preise weitergegeben werden. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mag es gut
klingen, dass sich der Gewinn deutlich erhöht. Klimapolitisch auf globalem
Level und somit für uns alle ist das aber fatal“, schließt der myclimate
Deutschland Geschäftsführer. „Auf jeden Fall folgt das Paket nicht dem
bewährten Verursacherprinzip, wie es zum Beispiel seit Jahrzehnten erfolgreich
im Bereich der Abfall- und Wasserwirtschaft in Deutschland praktiziert wird.
Dieses Verursacherprinzip hat maßgeblich zu sauberen Gewässern und Wälder
geführt, diese Konsequenz braucht es auch beim Klimaschutz!“ appelliert Stefan Baumeister.
Quelle: myclimate, Foto: Frank Herrmann