Sonntag, 17. März 2013

Bittersüß – Ananas in Costa Rica



Nachdem ich nach rund einer Busstunde aus Ciudad Quesada kommend (s. vorheriger Blogbeitrag) in Pital angekommen war, hatte ich zwei interessante Erlebnisse vor meinem Treffen mit der Geschäftsführerin einer Ananas-Vermarktungsorganisation. Zuerst kam ich an der ersten "Fairen Bushaltestelle" vorbei (s. Foto). Danach sprach mich ein 12-jähriger Junge aus Nicaragua an und bat mich um etwas Geld. Wie es sich herausstellte, lebte er zusammen mit Vater und der Stiefmutter (seine leibliche Mutter war gestorben) plus Stiefgeschwistern. Sein Vater arbeitete auf den Ananasplantagen in der Region Pital, aus der rund die Hälfte der einheimischen Produktion stammt. Der Vater trinke viel und schlüge ihn, meinte der Junge, außerdem sei er noch nie zur Schule gegangen. Das wiederum ist selten in Costa Rica, das über eine gute Schulbildung verfügt – zumindest im Vergleich mit den Nachbarländern. 

Wundersame Geldvermehrung


Da ich noch etwas Zeit hatte, ging ich in einen Supermarkt und schaute mich etwas um. Interessant zu sehen war, dass eine Ananas, die auf dem Feld für etwa 100 Colonos (ca. 0,15 Euro) zu haben ist, im Supermarkt mitten in der Anbauregion 600-700 Colonos (0,90-1,05 Euro) kostet. Das ist der Hammer. Aber so funktioniert das Business leider. Da der Einkauf bei den Supermarktketten oftmals zentral geregelt ist, wird die Ananas billig eingekauft und aus der Ananasregion Pital in ein Zentrallager gebracht. Von dort geht es dann zurück in den Supermarkt der Anbauregion, wo sich der Preis wundersamerweise versiebenfacht. Ein Arbeiter auf einer Ananasplantage bekommt einen Stundenlohn von etwa 1000 Colonos (1,50 Euro) und kann sich davon noch nicht einmal zwei Supermarktananas kaufen.

Billig, billiger, ... Lohndumping


Obwohl 1,50 Euro pro Stunde auch in Costa Rica nicht viel Geld ist und gerade mal auf Niveau des Mindestlohns liegt, sind viele Menschen bereit für diesen Hungerlohn zu arbeiten. Es sind vor allem Nicaraguaner, die aus dem armen Nachbarland in Scharen nach Costa Rica kommen. Inzwischen arbeiten nur noch rund 15-20 Prozent Costaricaner auf den Ananasplantagen. Die Drecksarbeit machen die Nicas, die oftmals illegal im Land sind. Sie sind leicht auszubeuten, da sie auch bereit sind, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten. Beträgt der Netto-Wochenlohn eines festangestellten costaricanischen Ananas-Arbeiters etwa 80 Euro, arbeiten Nicaraguaner, angestellt von Arbeitsfirmen, auch für die Hälfte. Das ist immer noch mehr, als sie zu Hause verdienen würden und der Grund, warum sie es überhaupt tun.

Stark angeschwollener Agrarsektor


Inzwischen war meine Gesprächspartnerin eingetroffen und wir setzten uns zum Interview in ein Café in Pital. Ständig rauschte ein Laster voller Ananas nach dem anderen an uns vorbei. Das kleine Costa Rica exportierte 2012 Ananas im Wert von knapp 800 Millionen US-Dollar. Damit gehört die Ananas neben Bananen und Kaffee zum wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugniss des Landes. Die Anbaufläche hat sich in wenigen Jahren vervielfacht und inzwischen bauen rund 1200 Produzenten landesweit Ananas an, mit Schwerpunkt im Norden des Landes, der überwiegende Teil kleine Produzenten mit einer Anbaufläche von 10 Hektar oder weniger.

Auslaufmodell Kleinbauer


Doch diese Kleinproduzenten werden momentan immer weniger, mehrere Hundert von Ihnen haben seit 2010 das Handtuch geworfen. Sie können mit der hochtechnifizierten Produktion mittlerer und großen Plantagen nicht mithalten. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich Düngemittel und Pestizide in den letzten Jahren aufgrund des gestiegenen Ölpreises extrem verteuert haben. Probleme bereitet den Bauern auch der Dollarkurs, der sich zur einheimischen Währung um rund 15% Prozent verschlechtert hat. Löhne, Dünger, Transport, Verpackung müssen die Bauern in Colonos bezahlen, doch für die Ananas erhalten sie US-Dollar. 

Kein Gewinn, trotz bio und fair


Darüber klagt auch Orlando Rojas Esquivel, ein Kleinbauer, den ich außerhalb von Pital auf seiner Bio-Ananasplantage besuche. Seit seiner ersten Ernte im Jahr 2009 hat er keinen Gewinn mit seiner Produktion gemacht – und dass obwohl er bio produziert. Auch der Mehrerlös, den er für seine Fairtrade-Zertifizierung erhält, hat ihn noch nicht aus der Verlustzone geholt, denn nur ein Teil seiner Ernte geht in den Fairen Handel. Er hat Schulden, die er pünktlich abbezahlen zahlen muss und kann deswegen oft nicht ruhig schlafen. Ich habe Gelegenheit zuzuschauen, wie nicaraguanische Arbeiter auf seinem Feld Ananas ernten und wie diese auf den LKW verladen wird. Später lädt mich Orlando zu sich nach Hause zum Mittagessen ein. Für mich ein seltener Genuss, denn die Mahlzeit – gekochter Kürbis, Süßkartoffel, Maniok und Mais ist ebenfalls bio und stammt aus dem einheimischen Garten.