UNGLEICHGEWICHT:
Heute mischen im Fairen Handel auch
große Handelsunternehmen, Börsenmakler und Großplantagen mit. Diese Kräfteverschiebung
empfinden viele Kleinbauern als ungerecht. Das neue Produktlabel SPP soll ihnen
zu mehr Stärke verhelfen
Faire Verbraucher mögen eine
heile Welt: Sie wünschen sich Bananen von zufriedenen Pflückern, T-Shirts von
Näherinnen, die unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten und Kleinbauern,
die strahlen, weil auf ihrem Päckchen Kaffee ein bunter Aufkleber prangt, der ihnen
faire Preise garantiert. Die Realität sieht
anders aus: Erntehelfer sind auf Plantagen oftmals giftigen Chemikalien
schutzlos ausgesetzt, Näherinnen in Asien und anderswo werden weiter schamlos
ausgebeutet und den Kaffeebauern in Lateinamerika ist das Lachen vergangen. Schuld
daran sind nicht nur der Klimawandel und Pilzbefall, sondern auch die veränderten
Strukturen im Fairen Handel. Ging es
einst darum, Kleinbauern gerechtere Preise zu zahlen, Zwischenhändler
auszuschalten und Zugang zu den Weltmärkten zu ermöglichen, mischen heute im
Fairen Handel auch große Handelsunternehmen, Börsenmakler und Großplantagen mit.
Also genau die Vertreter ungerechter Anbau- und Handelspraktiken, gegen die der
Faire Handel einst angetreten war. Diese
Kräfteverschiebung empfinden viele Fairtrade-Kleinbauern als ungerecht. „Partnerschaft
auf Augenhöhe“, ein Leitspruch von Fairtrade, sieht für Sie anders aus. Die
Kleinproduzenten sehen sich durch zertifizierte Plantagen ebenso benachteiligt
wie durch ungerechte Handelsstrukturen oder die Verwässerung von Fairtrade-Standards
zugunster großer Handelsketten. Der Unmut der Kleinbauern fand eine Stimme im lateinamerikanischen
Produzentennetzwerk CLAC, stimmberechtigtes Mitglied bei Fairtrade
International. 2006 schuf entstand bei der CLAC mit dem SPP-Siegel ein eigenes
Gütezeichen, mit dem seit 2011 Produkte aus kleinbäuerlicher Produktion
gekennzeichnet werden. Ungewöhnlich. Denn in der Regel stammen die Besitzer von
Sozial- und Nachhaltigkeitssiegeln aus dem reichen Teil der Welt. So haben etwa
Fairtrade und Naturland Fair ihren Sitz in Deutschland, Ecocert in Frankreich,
UTZ Certified und die World Fair Trade Organization in den Niederlanden und die
Rainforest Alliance in den USA.
Bislang
wenig beachtet
Doch brauchen wir bei der
verwirrenden Siegelvielfalt überhaupt ein weiteres Gütezeichen? Dieses schon,
denn es gehört den Kleinbauern. Das Siegel gebe ihnen die Möglichkeit
selbstbestimmt zu entscheiden, von welchen Fair- Trade-Regeln sie am meisten
profitieren, heißt es bei SPP. Konkret bedeutet dies beispielsweise für Kaffee höhere
Mindestpreise und eine höhere Bioprämie bei gleichzeitig niedrigeren Zertifizierungskosten
als bei Fairtrade. Zertifiziert werden können auch einzelne Kleinbauern im
Gegensatz zu Fairtrade, „wo als Voraussetzung immer demokratische Organisationen
notwendig sind“, so Claudia Brück von TransFair, dem deutschen Ableger von
Fairtrade International. Auch für die Lizenznehmer, also die Unternehmen, die
das Logo bei uns auf ihren Verpackungen abdrucken, wird es spürbar billiger. Fallen
bei Fairtrade 0,22 Euro pro Kilo an, sind es bei SPP nur rund 7 Cent. Hört sich
alles gut an, wäre da nicht der niedrige Bekanntheitsgrad von SPP. Er tendiert
hierzulande gegen Null. Das liegt auch an der mangelnden Berichterstattung.
Weder auf der Webseite des Forums Fairer Handel (FFH), der nach eigenen Angaben
„Stimme des Fairen Handels“, noch auf den Seiten von TransFair oder der GEPA, Deutschlands
größter Fairhandelsorganisation, findet sich etwa zu SPP. Zumindest bei der GEPA hält man ein Siegel von
Kleinbauern für Kleinbauern für sinnvoll und unterstützenswert. „Wir möchten
Mitglied bei SPP werden und befinden uns gerade im Aufnahmeprozess“, sagt
Andrea Fütterer, Leiterin der Abteilung Grundsatz. „Denn nur als Mitglied können
wir sinnvoll an der Verbesserung des Systems mitarbeiten“. Noch
gäbe es einige Schwächen bei SPP bezüglich des Standards und des Ablaufs der
Zertifizierungen, so Fütterer. Dennoch plane man einige Kaffees nach
SPP-Kriterien einzukaufen, allerdings ohne das Produktsiegel zu verwenden – seit
einigen Jahren gängige Praxis bei der GEPA. Bei TransFair gibt man sich
gelassen. SPP sei keine Konkurrenz zum Fairtrade-Siegel, „Die
Kriterienentwicklung und das -Management sind nicht transparent nachvollziehbar
und unterliegen auch nicht den ISEAL-Richtlinien, sagt Claudia Brück. Auch beim
FFH sieht man SPP noch nicht auf einer Stufe mit den anerkannten Monitoring-
und Zertifizierungssystemen des Fairen Handels wie etwa WFTO, Fairtrade oder Naturland
Fair.
Erste
Unternehmen setzen auf SPP
Daher fand das
Kleinbauernsiegel auch in der aktuellen Imagebroschüre des FFH „100% Fair – Der
Faire Handel in Deutschland“ keine Berücksichtigung. Ebenso wenig wie die
Genossenschaft Ethiquable Deutschland, Tochter der gleichnamigen französischen
Fairhandels-Importorganisation, die immerhin seit 2009 auf dem deutschen Markt
aktiv ist. Bei Ethiquable setzt man immer
öfter auf das SPP-Siegel, das inzwischen auf dem Länderkaffee Ecuador, der
Nuss-Nougat-Creme, Kochbananenchips oder auf Kräutertees zu finden ist. Vor
allem viele im Ursprungsland weiterverarbeitete Produkte tragen das
Kleinproduzenten-Symbol. „Die höhere Wertschöpfung vor Ort ist für SPP ein
wichtiges Anliegen – und da treten sie bei uns offene Türen ein“, sagt
Klaus Kruse, Vorstand bei Ethiquable Deutschland. „Hoffentlich erkennen auch
andere Unternehmen die Bedeutung dieses Siegels und helfen dabei, dessen
Bekanntheit zu erhöhen“. Der Weg dorthin ist lang ud steinig. Denn bislang
bieten in Deutschland nur Ethiquable, der Düsseldorfer Verein ProGua (nur
Kaffee) und demnächst die GEPA (ebenfalls vorerst nur Kaffee) Produkte mit
SPP-Siegel an. Weltweit gibt es gerade einmal 15 registrierte Käufer
SPP-zertifizierter Produkte in acht Ländern. Zu wenig auf Dauer, um den
Durchbruch zu schaffen. Dafür braucht es teure Werbung und viel
Verbraucherkommunikation. So etwas wie die 2003 von der Bundesregierung
finanzierte, groß angelegte Kampagne „fair feels good“. Sie verhalf damals dem
Fairtrade-Siegel in Deutschland zum Durchbruch.
Quelle: taz/Frank Herrmann