Donnerstag, 1. Dezember 2016

Nachhaltigkeits-Apps: Helfen Sie beim Einkaufen?


Mit dem Smartphone schnell Barcodes scannen und herausfinden, ob die Produkte im Einkaufskorb bedenkliche Inhaltsstoffe enthalten, ob die Produzenten zur Rüstungsindustrie gehören oder ob man dem Siegel vertrauen kann - das Potenzial von Nachhaltigkeits-Apps ist groß. Und das Interesse vieler Konsumenten ebenfalls.  Doch halten die Apps ihre Versprechen? Die Non-Profit-Organisation Reset hat eine ganze Reihe der kleinen Programme unter die Lupe genommen und kommt zur einem gemischten Ergebnis. Ein Beispiel: Die App "Nachhaltiger Warenkorb", sicher eine der bekannteren, grünen Apps. Entwickelt wurde sie im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), einem von der Bundesregierung eingesetzten Gremium. Die 15 Gremienmitglieder haben den Auftrag die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie zu kommentieren und insgesamt die Nachhaltigkeitsdiskussion zu fördern. Dementsprechend gehen die Homepage und App in die Tiefe – mit "kaufe regional, saisonal und bio" gab man sich hier nicht zufrieden. Stattdessen werden Informationen zu 16 verschiedenen Themenblöcken geboten – von Carsharing bis hin zu nachhaltiger Geldanlage. Dazu gibt es noch einiges an Faustregeln für den tagtäglichen Konsum. Das Problem: Diese Fülle an Informationen wird auf dem Smartphone ähnlich wie auf der Homepage präsentiert. Das Ergebnis: eine unübersichtliche Struktur, lange Ladezeiten und viel Scrollen. Wer die absolute Transparenz sucht, ist mit dieser App hervorragend bedient - für den schnellen Überblick bietet die App zu viel.  

Wissen aus der Crowd ist nicht immer korrekt

Damit ist der "Nachhaltige Warenkorb" eine Ausnahme - normalerweise ist der Aufbau besser als die gelieferten "Fakten". Beispiel Buycott: Die App verspricht, die Verflechtungen von Unternehmen, also die Zugehörigkeit zu Großunternehmen, Spenden an rechte Parteien oder Klimawandelleugner zu zeigen. Doch Reset hat im Feldtest einige Fehler gefunden. So wurde die Biomarke Rapunzel fälschlicherweise Coca Cola oder sogar Disney zugeordnet. Der Grund: Alle Nutzer können Information zu Marken hinzufügen. Eine verlässliche Qualitätskontrolle gibt es nicht.  Diese Schwarmintelligenzsysteme können sehr effektiv und wirkungsvoll sein, sind jedoch kein Selbstläufer. Vielleicht hätten sich die App-Entwickler etwas mehr mit der Funktionsweise von Wikipedia beschäftigen müssen - die Online-Enzyklopädie kämpft seit Jahren gegen solche Manipulationen.

Barcode-Scan als Transparenzmacher

Andere Apps liefern Informationen nach dem Scannen des Barcodes. Codecheck beispielsweise gibt auf diese Art und Weise an, ob in dem gescannten Produkt ökologisch oder gesundheitlich bedenkliche Substanzen enthalten sind. Dabei werden die Bereiche Baby und Kind, Haushalt, Kosmetik, Lebensmittel und "Mehr" abgedeckt. Letztere Kategorie umfasst alles, was nicht in die ersten vier Kategorien passt – von Elektronikartikeln bis hin zu Tierfutter. Bei Lebensmitteln gibt es eine Nährwertampel, damit erkennt man auf einen Blick, ob besonders viel Fett, Salz oder Zucker enthalten ist. Auch Filterfunktionen lassen sich verwenden, um bestimmte Produkte in der Datenbank von Codecheck zu finden. Bei Kosmetika beispielsweise lassen sich alle Produkte, die Aluminium enthalten, ausschließen. Die Datenbank umfasst, nach eigenen Angaben, immerhin 31 Millionen Produkte. Aus dieser Menge werden auch Alternativen zu bedenklichen Produkten aufgezeigt. Die Suche und Darstellung nach Alternativprodukten ist jedoch nicht komplett zufriedenstellend, so die Einschätzung des Reset-Teams.

Vielen Apps fehlt Durchhaltevermögen

Ähnlich, aber spezialisierter, ist die App ToxFox, die schädliche Stoffe ausschließlich in Kosmetika identifiziert. Die App wurde vom BUND entwickelt und legt einen besonderen Fokus auf hormonell wirkende Stoffe  die Daten werden direkt von Codecheck bezogen.  Andere Apps versuchen Licht in den Siegeldschungel zu bringen, so beispielsweise Siegelklarheit, eine von mehreren Bundesministerien in Auftrag gegebene Apps. Auch für Elektrogeräte (EcoGator) oder gegen Kinderarbeit (aVOID) gibt es spezialisierte Apps. Insgesamt scheint es, als wären die meisten Apps vor etwa drei Jahren entwickelt worden – teilweise parallel zueinander. Doch auf die Euphorie folgte bei vielen App-Projekten triste Realität: Die nötige Datenbankpflege ist aufwendig und braucht mehr finanzielle Ressourcen als nur eine Anschubfinanzierung von einem Ministerium oder einer Nichtregierungsorganisation. Auch Nutzer locken sich nicht von selbst an: Die Notwendigkeit Öffentlichkeitsarbeit zu machen wurde aber von vielen App-Projekten unterschätzt. Heute würde man solche Apps sicher anders entwickeln: Es gäbe vermutlich mehr Gamificationelemente oder eine multimediale Aufmachung. Dennoch lohnt sich der grüne Streifzug durch die App-Stores: Die Einkaufsratgeber ersparen ökobewussten Konsumenten immer noch viel Recherchezeit.
Quelle: WiWo/Hasenheit