Mit dem Smartphone
schnell Barcodes scannen und herausfinden, ob die Produkte im Einkaufskorb
bedenkliche Inhaltsstoffe enthalten, ob die Produzenten zur Rüstungsindustrie
gehören oder ob man dem Siegel vertrauen kann - das Potenzial von
Nachhaltigkeits-Apps ist groß. Und das Interesse vieler Konsumenten ebenfalls. Doch halten die Apps ihre Versprechen? Die Non-Profit-Organisation
Reset hat eine ganze Reihe der kleinen Programme unter die
Lupe genommen und kommt zur einem gemischten Ergebnis. Ein Beispiel: Die App
"Nachhaltiger Warenkorb", sicher eine der bekannteren, grünen Apps. Entwickelt
wurde sie im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), einem von der
Bundesregierung eingesetzten Gremium. Die 15 Gremienmitglieder haben den
Auftrag die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie zu kommentieren und insgesamt
die Nachhaltigkeitsdiskussion zu fördern. Dementsprechend gehen die Homepage
und App in die Tiefe – mit "kaufe regional, saisonal und bio" gab man
sich hier nicht zufrieden. Stattdessen werden Informationen zu 16 verschiedenen
Themenblöcken geboten – von Carsharing bis hin zu nachhaltiger Geldanlage. Dazu
gibt es noch einiges an Faustregeln für den tagtäglichen Konsum. Das Problem:
Diese Fülle an Informationen wird auf dem Smartphone ähnlich wie auf der
Homepage präsentiert. Das Ergebnis: eine unübersichtliche Struktur, lange
Ladezeiten und viel Scrollen. Wer die absolute Transparenz sucht, ist mit
dieser App hervorragend bedient - für den schnellen Überblick bietet die App zu
viel.
Wissen aus der Crowd
ist nicht immer korrekt
Damit ist der
"Nachhaltige Warenkorb" eine Ausnahme - normalerweise ist der Aufbau
besser als die gelieferten "Fakten". Beispiel Buycott: Die App
verspricht, die Verflechtungen von Unternehmen, also die Zugehörigkeit zu
Großunternehmen, Spenden an rechte Parteien oder Klimawandelleugner zu zeigen. Doch
Reset hat im Feldtest einige Fehler gefunden. So wurde die Biomarke Rapunzel
fälschlicherweise Coca Cola oder sogar Disney zugeordnet. Der Grund: Alle
Nutzer können Information zu Marken hinzufügen. Eine verlässliche
Qualitätskontrolle gibt es nicht. Diese
Schwarmintelligenzsysteme können sehr effektiv und wirkungsvoll sein, sind
jedoch kein Selbstläufer. Vielleicht hätten sich die App-Entwickler etwas mehr
mit der Funktionsweise von Wikipedia beschäftigen müssen - die
Online-Enzyklopädie kämpft seit Jahren gegen solche Manipulationen.
Barcode-Scan als
Transparenzmacher
Andere Apps liefern Informationen nach dem Scannen des Barcodes. Codecheck beispielsweise gibt auf
diese Art und Weise an, ob in dem gescannten Produkt ökologisch oder
gesundheitlich bedenkliche Substanzen enthalten sind. Dabei werden die Bereiche
Baby und Kind, Haushalt, Kosmetik, Lebensmittel und "Mehr" abgedeckt.
Letztere Kategorie umfasst alles, was nicht in die ersten vier Kategorien passt
– von Elektronikartikeln bis hin zu Tierfutter. Bei Lebensmitteln gibt es eine
Nährwertampel, damit erkennt man auf einen Blick, ob besonders viel Fett, Salz
oder Zucker enthalten ist. Auch Filterfunktionen lassen sich verwenden, um
bestimmte Produkte in der Datenbank von Codecheck zu finden. Bei Kosmetika
beispielsweise lassen sich alle Produkte, die Aluminium enthalten,
ausschließen. Die Datenbank umfasst, nach eigenen Angaben, immerhin 31
Millionen Produkte. Aus dieser Menge werden auch Alternativen zu bedenklichen
Produkten aufgezeigt. Die Suche und Darstellung nach Alternativprodukten ist
jedoch nicht komplett zufriedenstellend, so die Einschätzung des Reset-Teams.
Vielen Apps fehlt
Durchhaltevermögen
Ähnlich, aber
spezialisierter, ist die App ToxFox, die schädliche Stoffe ausschließlich in
Kosmetika identifiziert. Die App wurde vom BUND entwickelt und legt einen
besonderen Fokus auf hormonell wirkende Stoffe die Daten werden direkt
von Codecheck bezogen. Andere Apps
versuchen Licht in den Siegeldschungel zu bringen, so beispielsweise
Siegelklarheit, eine von mehreren Bundesministerien in Auftrag gegebene Apps.
Auch für Elektrogeräte (EcoGator) oder gegen Kinderarbeit (aVOID) gibt es
spezialisierte Apps. Insgesamt scheint es, als wären die meisten Apps vor etwa
drei Jahren entwickelt worden – teilweise parallel zueinander. Doch auf die
Euphorie folgte bei vielen App-Projekten triste Realität: Die nötige
Datenbankpflege ist aufwendig und braucht mehr finanzielle Ressourcen als nur
eine Anschubfinanzierung von einem Ministerium oder einer
Nichtregierungsorganisation. Auch Nutzer locken sich nicht von selbst an: Die
Notwendigkeit Öffentlichkeitsarbeit zu machen wurde aber von vielen
App-Projekten unterschätzt. Heute würde man solche Apps sicher anders
entwickeln: Es gäbe vermutlich mehr Gamificationelemente oder eine multimediale
Aufmachung. Dennoch lohnt sich der grüne Streifzug durch die App-Stores: Die
Einkaufsratgeber ersparen ökobewussten Konsumenten immer noch viel Recherchezeit.
Quelle: WiWo/Hasenheit