Eine im Auftrag von INKOTA verfasste Studie belegt:
Die Kakao- und Schokoladenindustrie setzt die UN-Vorgaben zur Einhaltung
menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht in ihren Lieferketten unzureichend um.
Trotz freiwilliger Initiativen einiger Unternehmen gehören ausbeuterische
Kinderarbeit, bittere Armut und Arbeitsrechtsverletzungen weiterhin zum Alltag
im Kakaoanbau.
INKOTA und SÜDWIND fordern deshalb
von der Bundesregierung ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet,
menschenrechtliche Risiken zu identifizieren und Abhilfe zu schaffen. Mehrere
Konzerne, darunter Mondelez, Mars und Barry Callebaut, haben öffentlich
eingeräumt, dass eine politische Regulierung zur Beendigung von
Menschenrechtsverletzungen notwendig sei. „In den vergangenen zwanzig
Jahren haben Unternehmen der Kakao- und Schokoladenindustrie wiederholt
Regierungen in Europa und den USA davon überzeugt, dass sich Menschenrechtsverletzungen
durch freiwillige Maßnahmen reduzieren ließen“, sagt Studienautor Friedel
Hütz-Adams von SÜDWIND. „Heute ist offensichtlich, dass diese freiwilligen
Initiativen gescheitert sind.“ Zur Reduzierung von ausbeuterischer Kinderarbeit
werden zwar von einzelnen Unternehmen Projekte unterstützt. Diese erreichen
aber nur einen kleinen Teil der vom Kakaoanbau lebenden Familien. Als
Hauptursache von Kinderarbeit identifiziert Hütz-Adams in der Studie die weit verbreitete Armut in
den Kakaoanbauregionen. Die Anhebung der Einkommen auf ein existenzsicherndes
Niveau ist demnach eine Voraussetzung, um Menschenrechtsverletzungen im
Kakaoanbau zu beenden. Mit dem derzeitigen Kakaopreis ist es für Bauern und
Bäuerinnen in Westafrika aber nicht möglich, ein existenzsicherndes Einkommen
zu erzielen. „Die Bundesregierung darf nicht länger dabei zusehen, wie
täglich Kinder auf Kakaoplantagen arbeiten, und sie darf nicht länger auf
freiwillige Initiativen vertrauen“, ergänzt die INKOTA-Referentin für
Wirtschaft und Menschenrechte, Evelyn Bahn. „Wir brauchen ein Gesetz, dass dazu
führt, dass Unternehmen ausreichend in den Menschenrechtsschutz investieren.
Menschenrechte dürfen nicht dem Konkurrenzkampf von Unternehmen zum Opfer
fallen.“ Auf dem hart umkämpften Kakao- und Schokoladenmarkt scheuen viele
Unternehmen die notwendigen Investitionen, da sie einen Wettbewerbsnachteil
befürchten. Eine gesetzliche Regulierung zur Einhaltung von Menschenrechten,
die gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle schafft, wird daher auch von
einigen der großen Kakao- und Schokoladenunternehmen unterstützt.
Unternehmen dürfen sich nicht hinter untätigen
Regierungen und Zertifizierungen verstecken
Bereits 2011 wurden
vom UN-Menschenrechtsrat die
Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Sie schreiben
vor, was Unternehmen tun müssen, um ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen. Darin
ist auch festgehalten, dass Unternehmen sich nicht hinter der Untätigkeit von
Regierungen verstecken dürfen, wenn es in ihren Lieferketten zu
Menschenrechtsverletzungen kommt. Hütz-Adams kritisiert in der Studie, dass
keines der Unternehmen der Kakao- und Schokoladenbranche bislang die von der UN
formulierten Vorgaben flächendeckend umgesetzt hat. Der größte Teil der
Unternehmen hat sich noch nicht einmal in einer Grundsatzerklärung zu den
Anforderungen der Vereinten Nationen verpflichtet. Die Studie zeigt zudem, dass
die Zertifizierung von Kakao durch Standards wie Fairtrade und Rainforest
Alliance kein Ersatz dafür sind, dass Unternehmen selbst menschenrechtliche
Risiken identifizieren und für Betroffene Abhilfe schaffen. Als Mitglieder im «Forum Nachhaltiger Kakao» fordern INKOTA
und das SÜDWIND-Institut, die Mitgliedschaft in dieser
Multi-Stakeholder-Initiative nach einer Übergangsfrist an die Umsetzung der
menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht zu koppeln. Das «Forum Nachhaltiger Kakao»
wurde vor sieben Jahren von der Bundesregierung, der Schokoladenindustrie, dem
Einzelhandel und der Zivilgesellschaft gegründet. „Wir brauchen einen
grundlegenden Paradigmenwechsel, um die Missstände im Kakaosektor anzugehen.
Die Hoffnung, dass Menschenrechtsverletzungen im Kakaoanbau allein durch
Zertifizierung beendet werden, hat sich nicht erfüllt. Das Forum Nachhaltiger
Kakao muss sich in Zukunft daran messen lassen, ob die Mitglieder ihrer
menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. Die Bundesregierung kann
diesen Prozess mit einem Lieferkettengesetz unterstützen,“ erklärt Evelyn Bahn.
Quelle: UD/pm; Foto: Frank Herrmann