Selbst wenn sich die Kleiderstange biegt und die T-Shirts aus
der Kommode quellen, der Spruch „Ich hab nix anzuziehen!“ geht vielen trotzdem
leicht über die Lippen. Eine neue Greenpeace-Umfrage belegt das
widersprüchliche Verhältnis der Deutschen zur Mode. 5,2 Milliarden
Kleidungsstücke liegen in den deutschen Schränken, 40 Prozent davon werden
selten oder nie getragen. Denn mal eben schnell ein Oberteil kaufen oder eine
Hose mitnehmen gehört zum Lebensstil vieler Konsumenten: Preiswerte
Modehausketten wie Zara, Primark und H&M machen brandneue Komplettoutfits erschwinglich,
auch wenn die Partyklamotte danach für immer in der Schublade landet – oder in
der Altkleidersammlung. Die Deutschen sortieren schnell wieder aus, bei Schuhen
wird dies besonders deutlich: Jeder Achte trägt seine Schuhe weniger als ein
Jahr, kaum einer repariert Kleidung noch. Das ist eines der besorgniserregenden
Ergebnisse der repräsentativen Umfrage des Instituts Nuggets. Im Auftrag von
Greenpeace befragten die Marktforscher 1011 Personen zwischen 18 und 69 Jahren
zu ihrem Umgang mit Mode. Zeitlos und strapazierfähig soll Kleidung sein? Von
wegen: „Mode ist zum Wegwerfartikel verkommen und genauso kurzlebig wie
Plastiktüten oder Einweg-Geschirr“, sagt Kirsten Brodde, Textil-Expertin von
Greenpeace. Frauen besitzen durchschnittlich 118 Kleidungsstücke, Männer 73
Teile, ohne Strümpfe und Unterwäsche. Immerhin ein Drittel der Deutschen hat
aber mindestens doppelt so viele Teile im Schrank.
Die
Hälfte der Deutschen war noch nie beim Schneider
Knapp zwei Drittel sortiert Kleidung aus, wenn sie nicht mehr
gefällt; ein Drittel will einfach Platz schaffen im Schrank. Und obwohl alles
im Überfluss vorhanden ist, wird bei gerissenen Nähten und kaputten Absätzen
nicht einfach repariert, sondern neu gekauft: Ist ja so günstig. Die Hälfte der
Deutschen hat noch nie Kleidung zum Schneider gebracht, über die Hälfte der 18-
bis 29-Jährigen war noch nie beim Schuster. Alternativen sind für die große
Mehrheit noch immer sehr exotisch: 83 Prozent der Deutschen haben noch nie
Kleidung getauscht, zwei Drittel noch nie welche verliehen, über die Hälfte
noch nie Kleidung weiter verkauft. Am ehesten geben die Deutschen Kleidung im
Bekanntenkreis weiter. „Um den Kleiderkonsum zu drosseln, müssen die einfachen
Alternativen Tauschen und Teilen zur täglichen Routine werden wie Zähneputzen“,
sagt Brodde. „Angebote
dafür gibt es genug – sei es die Tauschbörse im Internet, der Flohmarkt
oder die Kleidertauschparty um die Ecke.“ Die Wegwerfmentalität geht zu Lasten
der Umwelt und Gesundheit, „denn die Kleidung wird mit Hunderten giftiger
Chemikalien produziert“, so Brodde. Auch da gibt es einen Widerspruch. Denn
eigentlich wünschen sich die Verbraucher mehr Nachhaltigkeit auf Seiten der
Textilfirmen: Knapp die Hälfte hätte gern Garantien auf Kleidung oder
recyclingfähige Kleidung. Greenpeace kämpft seit Jahren für eine saubere Textilindustrie.
Bereits 32 Firmen von H&M über Adidas bis Lidl haben sich auf eine
giftfreie Kleidungsproduktion verpflichtet. Auch beim Verbraucher muss ein
Umdenken stattfinden: Gebraucht statt neu kaufen, reparieren statt wegwerfen,
zertifizierte Produkte statt billiger Massenware. Doch der ist nicht alleine
gefragt: Modeketten können diesen Wandel aktiv beschleunigen, zum Beispiel
indem sie für Qualität statt Quantität stehen und Reparatur-Services oder
Upcycling-Kollektionen anbieten – für ein neues, anderes Mode-Bewusstsein.
Quelle: Greenpeace / Weiland