Dienstag, 25. Juni 2013

Durch die Hintertür – das Insektizid Endosulfan kriecht in unsere Nahrung



Das Nervengift, das in vielen Teilen der Welt, einschließlich der EU, verboten ist, gelangt dennoch zu uns – über außereuropäische Zuchtlachse. Diese kommen vorwiegend aus Norwegen und werden zunehmend mit Pflanzenfutter aus Lateinamerika hochgepäppelt, das wiederum Endosulfan enthalten darf. Den Grenzwert für die hochtoxische Substanz hat die EU-Kommission nun um das Zehnfache hochgesetzt, von 0,005 Milligramm pro Kilogramm auf 0,05 Milligramm. Experten warnen vor dem Verzehr von Lachs aus Aquakultur.  

Hochtoxisches Nervengift

Mit Endosulfan ist nicht zu spaßen. Das Insektizid war bereits im Juni 1969 für ein großes Fischsterben im Rhein verantwortlich. Schlagzeilen machte der Giftstoff, der 2011 auf die Liste der „Stockholmer Konvention“ über langlebige organische Schadstoffe aufgenommen wurde, auch in Brasilien, wo Biosoja mit Soja benachbarter Bauern, die Endosulfan verwenden, kontaminiert wurde und so die Existenz der Biobauern aufs Spiel setzte (s. hierzu das Kapitel „Soja“ in „Fair einkaufen-aber wie?“). Wikipedia schreibt: „Endosulfan ist eines der giftigsten Pestizide, die heute noch auf dem Markt sind. Es ist eine östrogen wirkende Verbindung, welche dadurch die Fortpflanzungsfähigkeit beeinflusst und Entwicklungsstörungen bei Föten von Tieren und Menschen verursachen kann. Ein Krebsrisiko wird diskutiert“.

Risiken verharmlost

Die Lobbyarbeit der norwegischen Aquakulturbranche scheint sich auszuzahlen. Den möglichen Gesundheitsschäden stehen handfeste Wirtschaftsinteressen gegenüber: „Die Grenzwerte für den Gehalt von Endosulfan im Futter für den Lachs sind von großer ökonomischer Bedeutung für die Fischzuchtbranche“, sagt etwa die norwegische Lebensmittelbehörde „Mattilsynet“ in einem Artikel der taz. Sie ist ebenso wenig besorgt wegen des stark angehobenen Endosulfan-Grenzwertes wie die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA oder das norwegische Ernährungsinstitut Nifes. Der gemeinsame Tenor:  Zuchtlachsverzehr im normalen Rahmen trägt nur unbedeutend zur „akzeptablen Tagesdosis“ (ADI) dieses Pestizids bei, laut WHO und FAO 0,006 Milligramm pro Kilo Körpergewicht. Anders sehen dies Biologen wie Jérôme Ruzzin von der Universität Bergen. Er sagt, dass das Niveau von Umweltgiften im Zuchtlachs im Verhältnis zu anderen Lebensmitteln so hoch sei, dass gehandelt werden müsse. Eine besondere Gefahr sieht er für Schwangere und Kinder.

Ein Eigentor der Zuchtlachs-Branche

Die Verfechter von vegetarischer Fischnahrung argumentieren, dass es nachhaltiger sei,  Zuchtfische mit Pflanzenrohstoffen zu mästen, als das Füttern mit Wildfischen. Diese Praxis dezimiere nämlich die Bestände der Meere, statt für eine Entlastung zu sorgen. Die Aquakultur-Branche benötigt für ein Kilogramm produzierten Lachs ein Vielfaches an Futter. Übersetzt heißt dies: Es ist schlichtweg billiger, mit kontaminierten Pflanzenfutter ernährten Lachs zu produzieren, als mit Wildfisch. Doch weder die eine, noch die andere Methode können als nachhaltig oder biologisch sinnvoll betrachtet werden. Interessant zu wissen ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch die Tatsache, dass der hohe Gehalt der gesunden Omega-3-Fettsäuren – ein gerne angeführtes Argument der norwegischen Aquakulturbranche für den Verzehr von Lachs aus Aquakultur – sinkt, je mehr vegetarisches Futter an die Lachse verfüttert wird. Dieses Eigentor der Branche kommentiert der Osloer Herzforscher Harald Arnesen in der taz mit den Worten: „Der Zuchtlachs enthält nur noch halb so viel dieser Fettsäuren wie vor zehn Jahren und wird „zum schwimmenden Gemüse“. 

Was man tun kann: Definitiv weniger oder gar keinen Zuchtlachs aus Norwegen mehr essen (am Besten auch nicht aus anderen Ländern). Wer nicht ganz auf Lachs verzichten möchte, sollte auf den deutlich teureren Wildlachs zurückgreifen. Empfehlenswert ist das Ausweichen auf Fischsorten, die in ihren Beständen nicht gefährdet sind. Welche dies sind, sagen WWF und GREENPEACE in ihren Fischführern.