Die gesamte CO2-Einsparleistung in der EU zwischen 1990 und 2015 ist Bürgerinnen und Bürgern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zuzuordnen. Die reichsten zehn Prozent der Europäerinnen und Europäer hingegen haben ihren C02-Ausstoß gesteigert. Das geht aus dem Bericht „Confronting Carbon Inequality in the European Union" von Oxfam hervor. Rund ein Drittel (32 Prozent) dieser Emissionen der reichsten EU-Bürgerinnen und -Bürger gehen auf das Konto von deutschen Gutverdienerinnen und -verdienern. Mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen zu den EU-Klimazielen und des Green Deal-Gesetzespakets zur Bewältigung der COVID-19-Krise fordert Oxfam, den Fokus auf Klimaschutz und die Bekämpfung der wachsenden Ungleichheit zu legen. In Zusammenarbeit mit dem Stockholme Environment Institute (SEI) hat Oxfam die konsumbedingten Emissionen verschiedener Einkommensgruppen zwischen 1990 und 2015 untersucht. In diesem Zeitraum sind die klimaschädlichen Emissionen in der EU insgesamt um zwölf Prozent gesunken, die ökonomische Ungleichheit in der EU ist jedoch gestiegen. Der Bericht zeigt:
- Die ärmste Hälfte der EU-Bürgerinnen und -Brüger reduzierte ihre Emissionen um fast ein Viertel (24 Prozent), die Bürgerinnen und Bürger mit mittlerem Einkommen um 13 Prozent. Im Gegensatz dazu stiegen die Emissionen der reichsten zehn Prozent der Europäerinnen und Eurpäer um drei Prozent. Das reichste Prozent der Bürgerinnen und Bürger erhöhte seine Emissionen gar um fünf Prozent.
- Insgesamt waren die reichsten zehn Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger für genauso viele Emissionen verantwortlich wie die ärmere Hälfte der EU-Bevölkerung – jeweils 27 Prozent der gesamten EU-Emissionen. Die Europäerinnen und Europäer mit mittlerem Einkommen waren für 46 Prozent der Emissionen verantwortlich.
- Auch die Ungleichheit zwischen Mitgliedstaaten ist groß: So sind die reichsten zehn Prozent der Menschen in Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich für ebenso viele Emissionen verantwortlich wie die gesamte Bevölkerung von 16 EU-Staaten zusammen. Andererseits verursachten beispielsweise die reichsten zehn Prozent der Polinnen und Polen (circa 3,8 Millionen Menschen) mehr Emissionen als die gesamte Bevölkerung Schwedens (circa 9,8 Millionen Menschen) oder Ungarns (circa 9,9 Millionen Menschen). Dies ist der exzessiven Nutzung von Kohleenergie und der Ungleichheit in Polen geschuldet.
- Die reichsten zehn Prozent (circa 8.3 Millionen) der Deutschen allein waren im Jahr 2015 für sieben Prozent der EU-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als Staaten wie Luxemburg, Litauen, Kroatien, Slowenien, Estland, Lettland, Zypern oder Malta insgesamt emittieren.
Jeder muss einen fairen Beitrag leisten
„Es kann nicht sein, dass sich Gutverdienerinnen und
Gutverdiener in Deutschland und Europa einen Lebensstil auf Kosten des Klimas
leisten, während die Emissionsreduzierung der letzten Jahrzehnte auf das Konto
der Gering- und Durchschnittsverdienerinnen und -verdiener in Europa geht.
Diese Ungerechtigkeit hat schon heute schwerwiegende Folgen, vor allem in
Ländern des Globalen Südens, wo die Klimakrise Menschen in Armut mit voller
Wucht trifft und ihnen die Lebensgrundlagen raubt. Weit tiefere Einschnitte bei
den Emissionen sind nötig, um die Klimaziele der nächsten Dekade zu erreichen.
Dazu muss jede und jeder einen fairen Beitrag leisten", sagt Mira Alestig,
Forschungsleiterin bei Oxfam und eine der Autorinnen des Berichts. Um die
Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten, so Oxfams Kalkulation, müssten die
reichsten zehn Prozent der EU ihre durchschnittlichen Pro-Kopf-Emissionen bis
2030 auf ein Zehntel des bisherigen Werts senken. Ein ehrgeiziges Klimaziel für
2030 auf EU-Ebene in Verbindung mit einem fairen europäischen Green Deal würde
Europa dabei helfen, aus der COVID-19-Krise mit stärkeren und nachhaltigeren
Volkswirtschaften hervorzugehen, die für alle Europäer funktionieren. Alestig
weiter: „Die Ergebnisse des Berichts sprechen eine deutliche Sprache: Die
Ungleichheit in Europa und der exzessive CO2-Verbrauch der Reichen müssen
zusammen angegangen werden. Nur so können wir eine faire und nachhaltige Erholung
der Wirtschaft nach der COVID-19-Pandemie sicherstellen, die Klimaziele
erreichen und eine Gesellschaft aufbauen, die sich nicht in ökonomische
Gewinner und Verlierer aufteilt." Auf Ebene der Mitgliedstaaten wie
Deutschland sollten Regierungen eine Reihe weiterer Maßnahmen ergreifen. Ein
wichtiger Hebel ist der Verkehr, denn Flugreisen und Autofahrten sind für den
Großteil der Emissionen durch Europäerinnen und Europäer mit dem größten
CO2-Fußabdruck verantwortlich. Sie machen rund 30 bis 40 Prozent aus und sind
in fast allen europäischen Ländern – darunter auch Deutschland – seit 1990
drastisch gestiegen. Steuern auf klimaschädliche SUVs und auf häufiges Fliegen
wären ein erster Schritt. Die Einnahmen müssen Regierungen in klimaeffiziente
Mobilität, in öffentliche Infrastruktur und Dienste sowie in soziale Sicherung
investieren.
Quelle: UD/pm