
Anlässlich seiner Jahrespressekonferenz fordert das
Forum Fairer Handel (FFH) einen fairen Neustart nach der Covid-19-Krise, der
sich an sozialen und ökologischen Kriterien ausrichten muss. Der Faire Handel
in Deutschland blickt in 2020 auf 50 Jahre zurück und konnte viel bewegen.
"In einem 'normalen' Jubiläumsjahr wären die positiven Umsatzzahlen des
Fairen Handels in Deutschland ein Grund zur Freude gewesen", erklärt
Matthias Fiedler, Geschäftsführer des Forum Fairer Handel. "Doch die
Prognose für 2020 gibt uns Anlass zur Sorge und offenbart einen grundlegenden
Missstand im Welthandel: Unternehmen, die sich solidarisch mit ihren Partnern
zeigen und Menschen und Umwelt generell über den Profit stellen, haben im
bestehenden Wirtschaftssystem das Nachsehen", kritisiert Fiedler.
"Für eine zukunftsfähige Weltwirtschaft muss das Prinzip 'Menschen und
Umwelt vor Profit' zum Standard werden", erklärt Andrea Fütterer,
Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel. "Doch dafür haben wir keine
weiteren 50 Jahre Zeit", ergänzt sie. Im Geschäftsjahr 2019 gaben die
Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland 1,85 Milliarden Euro für
Produkte aus Fairem Handel aus. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem
Zuwachs von 9 %. Innerhalb der letzten sieben Jahre hat sich der Umsatz im
Fairen Handel fast verdreifacht. Im Durchschnitt gaben die Bundesbürger pro
Kopf 22,23 Euro für faire Lebensmittel und Handwerksprodukte aus. "Vor dem
Hintergrund des 50-jährigen Bestehens der Fair-Handels-Bewegung in Deutschland
freuen wir uns besonders darüber, dass die 'Pioniere' des Fairen Handels, die
Weltläden und Weltgruppen sowie die Fair-Handels-Unternehmen ein gutes
Umsatzplus aufweisen", erklärt Matthias Fiedler. Die anerkannten
Fair-Handels-Unternehmen vertrieben im vergangenen Jahr fair gehandelte Waren
im Wert von 226 Millionen Euro (+ 8 %). In den Weltläden, den Fachgeschäften
des Fairen Handels, wurden Waren im Wert von 83 Millionen Euro verkauft (+ 6
%). Wie auch in den Vorjahren wurde der größte Teil des Umsatzes mit
Fairtrade-gesiegelten Produkten generiert (1,49 Milliarden, + 9,7 %).
Fairer Kaffee: Eine relative Erfolgsgeschichte

Das umsatzstärkste Produkt im Fairen Handel, der
Kaffee, ist weiterhin auf dem Weg aus der Nische. Doch mit 6,7 % Marktanteil in
Deutschland ist der Einfluss auf die Ungerechtigkeiten des globalen Kaffeemarktes
aus Sicht der Produzentinnen und Produzenten noch immer zu gering. "Der
Weg zu gerechten globalen Handelsstrukturen bleibt steinig, zumal die COVID-19-Krise
die ausbeuterischen Mechanismen entlang globaler Lieferketten sogar zum Teil
verstärkt. Sie hat drastisch offenbart, dass viele konventionelle Lieferketten
nicht krisenfest, geschweige denn fair und nachhaltig sind", betont
Matthias Fiedler. Dass Selbstverpflichtungen von Unternehmen nicht ausreichen,
um die Ausbeutung entlang internationaler Lieferketten zu stoppen, zeigt der
konventionelle Kakaosektor. Immer noch leben viele der weltweit ca. 5,5
Millionen Kakaobauern und ihre Familien unterhalb der international definierten
Armutsgrenze und arbeiten Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen
auf Kakaoplantagen – und das, obwohl die Kakaoindustrie sich schon 2001 dazu
verpflichtet hat, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beenden.
Solidarisch durch die Krise: Fairer Handel in Zeiten
von Corona

Auch die Akteure des Fairen Handels agieren im
bestehenden Wirtschaftssystem und unterliegen dabei Wettbewerbsnachteilen, weil
sie viel in die Unterstützung ihrer Handelspartner investieren. Während große
konventionelle Handelsunternehmen Aufträge stornieren, steht der Faire Handel
weiterhin zu seinen Zusagen, finanziert seine Lieferungen vor und unterstützt
seine Handelspartner auf vielfältige Weise – sei es durch Solidaritäts- und
Spendenaktionen oder mit ganz konkreten Hilfeleistungen an Handelspartner.
FFH-Vorstandsvorsitzende Andrea Fütterer bringt den Unterschied auf den Punkt:
"Fair-Handels-Unternehmen wollen die Krise gemeinsam mit ihren
Handelspartnern überstehen, nicht auf deren Kosten." Von der Politik
fordert sie, dass solche zukunftstauglichen und dem Gemeinwohl verpflichteten
Handelspraktiken zur Leitlinie einer neuen Handelspolitik nach Covid-19 gemacht
werden. Wie fällt die Prognose für den Fairen Handel in 2020 aus? Aufgrund der
Schließung vieler Weltläden im Frühjahr, voraussichtlicher steigender
Lieferkosten sowie Transportschwierigkeiten aus dem Globalen Süden, wird es im
Geschäftsjahr 2020 in vielen Bereichen zu Umsatzeinbußen kommen. Obwohl sich die
Lage im Lebensmittelbereich im Juni und Juli etwas entspannt hat, bleibt die
Situation trotzdem prekär. Vor allem im Bereich Handwerk sind die Prognosen
deutlich schlechter. Hier werden Einbußen von 10 bis 20 % befürchtet. „Das ist
insofern dramatisch, als dass Handwerksproduzenten häufig keine andere
wirtschaftliche Tätigkeit ausüben können und selten Land für die
Eigenversorgung besitzen. Ihre Situation ist also besonders kritisch",
erklärt Andrea Fütterer. "Wir brauchen ein System, in dem die
Differenzierung zwischen 'fairem' und 'konventionellem' Handel obsolet wird,
weil ein nach ökologischen und sozialen Kriterien ausgerichteter Fairer Handel
der Standard geworden ist", erklärt Matthias Fiedler. Ein starkes Lieferkettengesetz
und das Verbot von unfairen Handelspraktiken wären wichtige erste Schritte zu
einer Handelspolitik, die den Menschen und die Natur in den Vordergrund stellt
und sich damit als zukunftsfähig erweist.
Quelle: Forum Fairer Handel
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