Fliegen ist
die Aktivität einer kleinen globalen Elite – und sie verursacht Unmengen an
klimaschädlichem CO2. Es wird Zeit, dass jeder Einzelne Verantwortung
übernimmt.
Kommentatorinnen und
Kommentatoren in verschiedenen deutschen Medien haben in den vergangenen Wochen
behauptet, dass wir uns "für das Fliegen nicht schämen müssen". Zwei
der am häufigsten angeführten Argumente sind diese: Das Fliegen stehe nur für
wenige Prozent der globalen Emissionen, kein Flugreisender müsse sich da
Gedanken machen. Und: bereits in naher Zukunft werde das Klimaproblem sowieso
durch technische Innovationen gelöst, Fliegen werde immer effizienter. Aus
wissenschaftlicher Sicht stellt sich das anders dar. Dazu muss man zunächst
wissen, dass nur geschätzte drei Prozent der Weltbevölkerung innerhalb eines
Jahres in ein anderes Land reisen. Auch in Deutschland nutzt weniger als die
Hälfte der Bevölkerung das Flugzeug. Fliegen ist, zumindest global gesprochen,
die Aktivität einer kleinen Elite. Auch innerhalb dieser Elite ist
Flugaktivität nicht gleich verteilt. Es gibt einen kleinen Anteil von
Flugreisenden, die sehr viel fliegen, bis zu 300 Mal im Jahr. Diese Vielflieger
können Hunderttausende Kilometer zurücklegen und Tausende von Tonnen CO2 produzieren.
Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Erdbürger verursacht im Jahr Emissionen
von weniger als fünf Tonnen CO2, selbst in Deutschland liegt der
Durchschnitt bei "nur" neun Tonnen CO2.
Die Verantwortung für
Emissionen übernehmen
Ob man fliegt, ist
also sehr relevant für das Klima. Genau deswegen brauchen wir auch eine Debatte
darüber, wer viele Emissionen verursacht und zu welchem Zweck. Es gibt
Menschen, die fliegen einmal im Jahr in den wohlverdienten Urlaub zu einem
nahen Ziel. Es gibt aber auch Geschäftsreisende, die zusätzliche Fernreisen
machen, nur um in ihrer Vielflieger-Statusklasse zu bleiben. Auf Englisch
spricht man von "mileage runs". Genau dies ist der Ansatzpunkt der
Flugschamdebatte: Sie fordert jeden Einzelnen dazu auf, persönlich
Verantwortung für Emissionen zu übernehmen. Die Bundesregierung versucht seit
den Neunzigerjahren, die Industrie zu Emissionsminderungen zu verpflichten.
Dieser produktionsbezogene Ansatz hat nicht funktioniert, die deutschen
Klimaziele wurden verfehlt. Die Strategie hat auch deshalb nicht funktioniert,
weil eine kleine Klasse von "Superemittern" immer größere Emissionen
verursacht. Das Argument, der relativ kleine Anteil eines Wirtschaftssektors an
den Gesamtemissionen mache diesen Sektor irrelevant, zeugt von einem
grundlegenden Unverständnis der gesellschaftlichen Strukturen und Dynamik der
Emissionsentwicklungen. Darum ist auch die Vorstellung falsch, durch
Technologie alles richten zu können. Flugzeuge werden immer effizienter, das
ist richtig. Es fliegen aber auch immer mehr Menschen. Effizienzgewinnen von
einem Prozent pro Jahr steht ein Nachfragezuwachs von bis zu sieben Prozent pro
Jahr gegenüber. In der Konsequenz verdoppeln sich die Emissionen aus dem
Flugverkehr etwa alle 20 Jahre. Ohne ernstzunehmende Klimapolitik wird sich das
nicht ändern. Um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, müssen
alle Sektoren ihre Emissionen reduzieren. Im Flugverkehr wird das nur möglich
sein, wenn Abgaben in einer Höhe erhoben werden, die die Entwicklung
alternativer Technologien und Treibstoffe ökonomisch sinnvoll macht. Abgaben
sollten also in Abhängigkeit vom ausgestoßenen CO2 erhoben
werden, ausreichend hoch sein (50 Euro pro Tonne sind realistisch), und
kontinuierlich steigen.
Die Subventionen
nutzen den Vielfliegern
Das Argument, eine
solche Politik würde Arbeitsplätze vernichten oder arme Familien ihrer
Urlaubsmöglichkeiten berauben, ist nicht haltbar. Der Flugverkehr ist in
Deutschland massiv subventioniert, was dazu führt, dass es teurer ist, mit der
Bahn zu fahren als zu fliegen. Diese Subventionen nutzen also insbesondere den
vielfliegenden ökonomischen, kulturellen und politischen Eliten. Wirklich arme
Familien fliegen nicht in den Urlaub. Sicherlich brauchen wir aber auch ein
besseres Verständnis des Einzelnen, was CO2 ist und wie viel CO2 wo
entsteht. Gerade bei den energieintensiven Flugreisen sollte besser nachvollziehbar
sein, wie klimaschädlich diese sind. Dazu wäre es hilfreich, wenn Angaben zu
Emissionen auf jedem verkauften Flugticket zu finden wären: "Diese Reise
verursacht 800 Kilogramm CO2, das entspricht 20 Prozent der
nachhaltigen Emissionen von 4000 Kilogramm CO2 pro Person und
Jahr". Reisende können so nicht nur besser einschätzen, was eine Flugreise
für das Klima bedeutet, sondern sich auch über Alternativen Gedanken machen:
Nehme ich doch lieber den Zug? Welches ist die klimafreundlichste Fluggesellschaft?
Sollte ich eine Klimakompensation kaufen? Sich für einen Flug zu schämen, ist
also ein guter Einstieg in den Klimaschutz.
Stefan Gössling ist
Professor am Institut für Service Management der Universität Lund und an der
School of Business and Economics der Linné-Universität in Kalmar (beide
Schweden). Er forscht zu Klimawandel, Mobilität und Tourismus. Gössling berät
zahlreiche internationale Organisationen und Regierungen und ist Mitverfasser
des 4. Rahmenberichtes des Weltklimarats IPCC.
Quelle: Tourism Watch/Stefan Gössling; Bild Frank Herrmann