Corporate Social Responsability, kurz CSR, steht für Unternehmensverantwortung.
An vorbildliche Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit und Fairness hat die
Bundesregierung nun den CSR-Preis 2013 vergeben. Eigentlich keine schlechte
Idee. Neben Studiosus Reisen, Hipp, dem Goldschmied Thomas Becker und der
Türenmann GmbH gehört auch Tchibo zu den Preisträgern.
Fragwürdige Auszeichnung
Da
reibt man sich schon ein wenig verwundert die Augen und fragt sich, wie der Handelsriese an die Auszeichnung
geraten ist. Denn es ist erst zwei Jahre her, dass Tchibo wegen
illegaler Preisabsprachen beim Kaffeepreis vom Kartellamt verhängte Bußgelder in Millionenhöhe zahlen musste. Man fragt sich auch, ob es in dem Segment, in dem sich Tchibo beworben
hat – Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern – nicht würdigere Kandidaten
gibt. Keine Frage: Tchibo ist in den vergangenen Jahren - auch auf Druck der Öffentlichkeit - nachhaltiger geworden.
Der Konsumgüter- und Einzelhandel-Gigant unternimmt Anstrengungen, um sein
Image aufzupolieren. Doch vom selbst ernannten Ziel „Tchibo – auf dem Weg zu einer 100% nachhaltigen
Geschäftstätigkeit“ ist man noch meilenweit entfernt.
100 % fairer Kaffee bei Tchibo bleibt Utopie
Beispiel Kaffee: Hier rühmt sich der größte deutsche Kaffeeröster „seinen Anteil der in das
Tchibo-Nachhaltigkeitskonzept einbezogenen Rohkaffees von 13% in 2012 auf über
25% in 2013 erhöht, und die Ursprungssorten des Privat Kaffees und Kaffees für
die Cafissimo Kapseln auf 100% zertifizierte Kaffeequalitäten umgestellt zu
haben“. Das heißt im Umkehrschluss, dass immer noch rund 75% des Kaffees, den
Tchibo einkauft, weder unter nachhaltigen noch unter fairen Bedingungen
produziert wird. Und der Großteil des „nachhaltig zertifizierten“ Kaffees, den
Tchibo anbietet, wird mit den als industrienah geltenden Siegeln der Rainforest
Alliance und Utz Certified vermarktet, die weder Mindestlöhne noch Festpreise
oder Prämien offerieren. Nur ein geringer Anteil des Tchibo-Kaffees hat das wesentlich
strengere Fairtrade-Zeichen auf der Verpackung kleben.
Auch Tchibo lässt Textilien in Bangladesch fertigen
Beispiel
Textilien: Jede Woche beglückt Tchibo uns mit „einer neuen (Konsum)-Welt“, darunter
oftmals preisgünstige Kleidung. Auch Tchibo lässt diese in Bangladesch fertigen, dem Land,
dass in den letzten Wochen und Monaten immer wieder mit großen Unglücken wie
dem Brand einer Textilfabrik oder dem Einsturz eines Hochhauses, in dem sich
mehrere Textilunternehmen befanden, in die Schlagzeilen gerückt ist. Auch
Tchibo zahlt nur maximal Mindestlohn, der weit von einem existenzsichernden
Lohn, und somit von einem menschenwürdigen Dasein entfernt ist. Und auch Tchibo
stiehlt sich gerne aus der Verantwortung mit bedenklichen Erklärungen wie
dieser: "In den Fabriken, mit denen wir arbeiten, lassen auch andere
Hersteller produzieren, wir können deshalb nur sicherstellen, dass die
Angestellten den Mindestlohn bekommen. Alles andere sei Sache der Regierungen,
die die Standards der Internationalen Arbeiterorganisation (ILO) durchsetzen
müssten. Als Unternehmen stoße man hier immer wieder an "systemische Grenzen"
und könne nur auf einen dialogischen Entwicklungsprozess setzen“.
Bundesregierung
zu passiv
Allgemeine
Kritik an der Verleihung eines Preises für verantwortungsvolle
Unternehmensführung durch das Bundesarbeitsministerium üben das CorA-Netzwerk und das Forum Menschenrechte. Sie bemängeln, dass die Bundesregierung keine ausreichenden
Maßnahmen ergreift, um Menschenrechtsverstößen unter Beteiligung deutscher
Unternehmen vorzubeugen. „Die Bundesregierung muss dringend den von der
EU-Kommission geforderten Aktionsplan zur Umsetzung der Leitprinzipien
erstellen und darf sich nicht mit einer Preisverleihung begnügen“, so Heike
Drillisch, Koordinatorin des deutschen CorA-Netzwerks für
Unternehmensverantwortung. Diese Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten wurden im Juni 2011 im UN-Menschenrechtsrat
einstimmig verabschiedet. In einem Positionspapier haben das
CorA-Netzwerk und das Forum Menschenrechte gemeinsam mit 28 Organisationen ihre
Erwartungen an die Bundesregierung und den Bundestag an einen solchen
Aktionsplan zu Wirtschaft und Menschenrechten niedergelegt. „Die Bundesregierung muss ihrer staatlichen
Pflicht zum Schutz der Menschenrechte nachkommen. Sie muss deutschen
Unternehmen eine Sorgfaltspflicht gesetzlich vorschreiben, die
Menschenrechtsauswirkungen ihrer Tätigkeit zu prüfen und dabei auch die
Lieferkette einzubeziehen. Im Falle von Verstößen sollten Sanktionen greifen,
indem Unternehmen von staatlichen Aufträgen oder Außenwirtschaftsförderung
ausgeschlossen werden“, fordert Armin Paasch für das Forum Menschenrechte.
Mehr zur Verleihung des
CSR-Preises der Bundesregierung unter: