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Sonntag, 5. Mai 2013

Ein bisschen fair genügt - CSR Preis der Bundesregierung geht an Tchibo



Corporate Social Responsability, kurz CSR, steht für Unternehmensverantwortung. An vorbildliche Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit und Fairness hat die Bundesregierung nun den CSR-Preis 2013 vergeben. Eigentlich keine schlechte Idee. Neben Studiosus Reisen, Hipp, dem Goldschmied Thomas Becker und der Türenmann GmbH gehört auch Tchibo zu den Preisträgern.

Fragwürdige Auszeichnung


Da reibt man sich schon ein wenig verwundert die Augen und fragt sich, wie der Handelsriese an die Auszeichnung geraten ist. Denn es ist erst zwei Jahre her, dass Tchibo wegen illegaler Preisabsprachen beim Kaffeepreis vom Kartellamt verhängte Bußgelder in Millionenhöhe zahlen musste. Man fragt sich auch, ob es in dem Segment, in dem sich Tchibo beworben hat – Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern – nicht würdigere Kandidaten gibt. Keine Frage: Tchibo ist in den vergangenen Jahren - auch auf Druck der Öffentlichkeit - nachhaltiger geworden. Der Konsumgüter- und Einzelhandel-Gigant unternimmt Anstrengungen, um sein Image aufzupolieren. Doch vom selbst ernannten Ziel „Tchibo – auf dem Weg zu einer 100% nachhal­tigen Geschäftstä­tigkeit“ ist man noch meilenweit entfernt.

100 % fairer Kaffee bei Tchibo bleibt Utopie


Beispiel Kaffee: Hier rühmt sich der größte deutsche Kaffeeröster „seinen Anteil der in das Tchibo-Nachhaltigkeitskonzept einbezogenen Rohkaffees von 13% in 2012 auf über 25% in 2013 erhöht, und die Ursprungssorten des Privat Kaffees und Kaffees für die Cafissimo Kapseln auf 100% zertifizierte Kaffeequalitäten umgestellt zu haben“. Das heißt im Umkehrschluss, dass immer noch rund 75% des Kaffees, den Tchibo einkauft, weder unter nachhaltigen noch unter fairen Bedingungen produziert wird. Und der Großteil des „nachhaltig zertifizierten“ Kaffees, den Tchibo anbietet, wird mit den als industrienah geltenden Siegeln der Rainforest Alliance und Utz Certified vermarktet, die weder Mindestlöhne noch Festpreise oder Prämien offerieren. Nur ein geringer Anteil des Tchibo-Kaffees hat das wesentlich strengere Fairtrade-Zeichen auf der Verpackung kleben.

Auch Tchibo lässt Textilien in Bangladesch fertigen


Beispiel Textilien: Jede Woche beglückt Tchibo uns mit „einer neuen (Konsum)-Welt“, darunter oftmals preisgünstige Kleidung. Auch Tchibo lässt diese in Bangladesch fertigen, dem Land, dass in den letzten Wochen und Monaten immer wieder mit großen Unglücken wie dem Brand einer Textilfabrik oder dem Einsturz eines Hochhauses, in dem sich mehrere Textilunternehmen befanden, in die Schlagzeilen gerückt ist. Auch Tchibo zahlt nur maximal Mindestlohn, der weit von einem existenzsichernden Lohn, und somit von einem menschenwürdigen Dasein entfernt ist. Und auch Tchibo stiehlt sich gerne aus der Verantwortung mit bedenklichen Erklärungen wie dieser: "In den Fabriken, mit denen wir arbeiten, lassen auch andere Hersteller produzieren, wir können deshalb nur sicherstellen, dass die Angestellten den Mindestlohn bekommen. Alles andere sei Sache der Regierungen, die die Standards der Internationalen Arbeiterorganisation (ILO) durchsetzen müssten. Als Unternehmen stoße man hier immer wieder an "systemische Grenzen" und könne nur auf einen dialogischen Entwicklungsprozess setzen“.

Bundesregierung zu passiv

Allgemeine Kritik an der Verleihung eines Preises für verantwortungsvolle Unternehmensführung durch das Bundesarbeitsministerium üben das CorA-Netzwerk und das Forum Menschenrechte. Sie bemängeln, dass die Bundesregierung keine ausreichenden Maßnahmen ergreift, um Menschenrechtsverstößen unter Beteiligung deutscher Unternehmen vorzubeugen. „Die Bundesregierung muss dringend den von der EU-Kommission geforderten Aktionsplan zur Umsetzung der Leitprinzipien erstellen und darf sich nicht mit einer Preisverleihung begnügen“, so Heike Drillisch, Koordinatorin des deutschen CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung. Diese Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten wurden im Juni 2011 im UN-Menschenrechtsrat einstimmig verabschiedet. In einem Positionspapier haben das CorA-Netzwerk und das Forum Menschenrechte gemeinsam mit 28 Organisationen ihre Erwartungen an die Bundesregierung und den Bundestag an einen solchen Aktionsplan zu Wirtschaft und Menschenrechten niedergelegt. „Die Bundesregierung muss ihrer staatlichen Pflicht zum Schutz der Menschenrechte nachkommen. Sie muss deutschen Unternehmen eine Sorgfaltspflicht gesetzlich vorschreiben, die Menschenrechtsauswirkungen ihrer Tätigkeit zu prüfen und dabei auch die Lieferkette einzubeziehen. Im Falle von Verstößen sollten Sanktionen greifen, indem Unternehmen von staatlichen Aufträgen oder Außenwirtschaftsförderung ausgeschlossen werden“, fordert Armin Paasch für das Forum Menschenrechte.

Mehr zur Verleihung des CSR-Preises der Bundesregierung unter: