Wenn morgens der erste Kaffee in
der Tasse dampft, ist die Sache klar: Das Fairtrade-Siegel auf der Verpackung
belegt, dass der Genuss nicht auf Kosten anderer geht. Wie zum Beweis lacht
hinten auf der Kaffeetüte eine Frau dem Betrachter entgegen. Sie trägt bunte
Kleidung und arbeitet offenbar irgendwo in den Hochlandplantagen von Mexiko,
Peru oder Bolivien. Die Fairtrade-Standards garantieren ihr ein sicheres
Einkommen und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Wenn doch alles so einfach
wäre wie beim Kaffee. Oder beim Tee. Oder der Schokolade. Selbst bei Fußbällen
ist die Sache besser durchschaubar als bei Kosmetik. Tatsächlich ist neben den
genannten Lebensmitteln eine ganze Fülle von Produkten in Deutschland „fair“ zertifiziert.
Von Baumwolle bis Zucker reicht die Palette, sogar Sportbälle finden sich
darunter - jedoch keine einzige Gesichtscreme, auch kein Duschgel oder Shampoo.
Im (Natur-)Kosmetikmarkt spielt der faire Handel bislang kaum eine Rolle. Und
das, obwohl die großen Hersteller wie Weleda oder Wala eigene Projekte nach
fairen Prinzipien in den Anbauländern unterstützen und initiieren. Warum aber
gibt es kein faires Label auf der Kosmetik? Dieser Frage ist die Zeitschrift Ökotest in nachfolgendem Bericht auf den Grund gegangen.
Andere Länder, andere
Standards
Trotz gemeinsamer internationaler
Produktstandards haben die nationalen Initiativen individuelle
Handlungsspielräume. Und die nutzen sie auch. Transfair etwa hat sich bisher
dagegen entschieden, in Deutschland das Fairtrade-Siegel für Kosmetik zu
vergeben. Als Grund nennt Pressesprecherin Maren Richter, "dass es bis vor
Kurzem keine internationale Einigung über das Vorgehen und die Richtlinien zu
Fairtrade-Kosmetikartikeln gab. Vereinzelte Pilotprojekte von Siegelinitiativen
anderer Ländern waren für Transfair bisher nicht überzeugend." Den
Deutschen ist ganz offenbar die gängige Fairtrade-Regel zu lasch, die
beispielsweise in Frankreich und Großbritannien Anwendung findet. Dort darf
sich Kosmetik dann mit dem begehrten Logo schmücken, wenn zwei bzw. fünf
Prozent der Inhaltstoffe Fairtrade-zertifiziert sind - die Prozentzahl hängt
davon ab, ob die Produkte auf der Haut bleiben oder wieder abgewaschen werden.
Solche zertifizierten Produkte gibt es etwa von Alter Eco, Noèhm, Urtekram,
Boots, Lush oder Bubble & Balm, teilweise sind sie auch in Deutschland
erhältlich. Derzeit, so kündigt es die FLO an, wird an einem neuen Konzept für
Fairtrade-Kosmetikartikel gearbeitet. Stellt sich die Frage: Wartet in
Deutschland jemand darauf? In den Reihen der hiesigen Naturkosmetikhersteller
ist es erstaunlich ruhig. Niemand scheint das Fairtrade-Siegel zu vermissen.
Bio-Zertifizierung sei wichtig, heißt es in Gesprächen. Das Natrue-Siegel wird
immer wieder lobend erwähnt. Aber Fairtrade? Gerhard Benz, seit vielen Jahren
Produktionsleiter bei Primavera, bringt es so auf den Punkt: "Wir haben
schon lange fair gehandelt, bevor die mit ihrem Label kamen."
Regionalität wichtiger
als Fairtradezertifikat
Doch es gibt noch andere Probleme bezüglich einer fair zertifizierten
Kosmetik: Die Zertifizierung bezieht sich auf Produkte aus Drittweltländern.
Regional eingekaufte Rohstoffe lassen sich aber nicht fair labeln - auch wenn
die Produktionsbedingungen im Allgäu oder an der Nordsee sicher als sozial
verträglich bezeichnet werden können. Auch Rohstoffe aus der Europäischen Union
werden nicht Fairtrade klassifiziert. Ralf Kunert, Leiter des Rohstoffeinkaufs
bei Wala, nennt ein Beispiel: "Wir beziehen unser Olivenöl aus Spanien und
nicht aus Tunesien - mir ist Regionalität lieber als ein
Fairtradezertifikat." Und Anja Brockmann, Produktmanagerin bei Santaverde,
spinnt den Gedankengang weiter: "Will ich, dass der Alkohol, den wir zur
Konservierung verwenden, aus Tausenden Kilometern Entfernung kommt, nur damit
er als fair zertifiziert werden kann? Obwohl wir den gleichen Alkohol aus
Getreide der Region herstellen könnten?" Fairtrade, so zeigt sich, muss
nicht immer die bessere Alternative sein.
Komplexität von Kosmetikprodukten erschwert
Zertifizierung
Alkohol, Olivenöl, Heilkräuter: Viel war bisher von einzelnen Rohstoffen die Rede. Wenig jedoch vom ganzen Produkt. Und genau hier liegt das letzte, vielleicht größte Problem der fairen Kosmetik: Es stecken zu viele Bestandteile darin. Zehn bis 20 sind es in einer Rezeptur, Hunderte von Inhaltsstoffen sind es in einer Produktpalette. Dem gegenüber steht die Bandbreite der bisher zertifizierten Rohstoffe. Und die ist klein. Ecocert, einer der größten Bio-Zertifizierer weltweit, listet in seiner Datenbank gerade mal 53 Organisationen weltweit, die faire Rohstoffe anbauen oder vertreiben. Die meisten von ihnen handeln mit Arganöl, Sheabutter oder ätherischen Ölen. Einige Male findet man in der Datenliste noch Sesamöl, Hibiskus, Vanille, Rosen- und Kokosnussprodukte. Das aber war es im Großen und Ganzen. Guylaine Le Loarer, Leiterin Forschung und Entwicklung bei Annemarie Börlind, fasst es so zusammen: "Mit dem derzeitigen Angebot an Rohstoffen könnte nur ein Öl, vielleicht ein Körperöl, das Fairtrade-Label tragen. Alles andere ist technisch nicht machbar."
Fazit:
Wer wissen will, wie fair seine Naturkosmetik ist, dem werden Siegel
nur begrenzt weiterhelfen. Eher schon ein Blick auf die Homepages der Unternehmen -
oder das Wissen, dass die etablierten Hersteller von Naturkosmetik sich seit
Jahren für faire Rohstoffe und gute Kontakte in die Anbauländer engagieren.