Seit den folgenschweren Fabrikbränden und dem Einsturz eines
ganzen Industriekomplexes in Bangladesch interessieren sich deutsche Medien und
Konsumenten verstärkt für die textile Zulieferkette. Berichte über asiatische
Textilarbeiterinnen, die gegen zu geringe Löhne streiken, finden sich
regelmäßig in der deutschen Presse. Das stärkt die Bereitschaft von Unternehmen
zur Verantwortungsübernahme für ihre Zulieferketten und ruft NGOs auf den Plan.
Seit Mai 2013 ist die Fair Wear Foundation mit einer eigenen Repräsentantin in Deutschland
vertreten: Auf der kürzlich zu Ende gegangenen Werbemittelmesse PSI in Düsseldorf
berichtete die Soziologin Saskia Krämer über die Arbeit der aus den Niederlanden
stammenden Stiftung.
Die Fair Wear Foundation (FWF) ist eine
Multi-Stakeholder-Initiative, gegründet von Unternehmensverbänden,
Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen. Zu den rund 90 Mitgliedern
zählen bekannte Marken wie die Handelskette Takko und der Anbieter von
Outdoor-Bekleidung Jack Wolfskin, aber auch viele kleine Unternehmen und
Startups. „Darunter sind Unternehmensgründungen, die von Anfang an
Nachhaltigkeitsstandards in ihre Geschäftsmodell integrieren, genauso wie
gesetzte und langjährig existierende Unternehmen, die ihre Lieferkette nun noch
genauer inspizieren wollen“, berichtet Krämer. Ihren Mitgliedern bietet die
Stiftung Hintergrundinformationen, Beratung und Begleitung in Sachen Fairness
in den Produktionsbetrieben der Lieferkette. Die Fair Wear Foundation
konzentriert sich auf den letzten Teil der Supply Chain, die Nähereien, in
denen besonders viel Handarbeit gefragt ist.
Fortschritte
durch langfristigen Lieferbeziehungen
Auch Unternehmen der Werbeartikelbranche sind Mitglied in der Fair
Wear Foundation. Da ist allerdings „immer noch Luft nach oben“, sagt Krämer.
Grundlage der Arbeit der FWF sind die acht Arbeitsrichtlinien, die etwa Zwangs-
und Kinderarbeit verbieten und existenzsichere Löhne sowie ein sicheres und
gesundes Arbeitsumfeld fordern. Diese Kriterien sollen Schritt für Schritt von
den FWF-Mitgliedsunternehmen in ihren Lieferketten verankert werden. Um das zu
erleichtern, rät Saskia Krämer den Unternehmen zu einer möglichst
überschaubaren Zahl an Zulieferern und langfristigen Lieferbeziehungen. Den
Einkäufern der Mitgliedsunternehmen gibt die Stiftung zum Beispiel eine
Checkliste an die Hand, mit der sie selbst bei Fabrikbesuchen eine erste
Bestandsaufnahme zu Themen wie Arbeitsschutz und Gebäudesicherheit durchführen
können. Und dann geht die Fair Wear Foundation mit eigenen Prüfern in die
Fabriken in Südostasien, der Türkei und einigen europäischen Ländern. Dabei
greift die Stiftung auf lokale Auditoren und das Wissen der NGOs und
Gewerkschaften vor Ort zurück.
Dass die Vielzahl an Zertifizieren und Richtlinien eine
nachhaltige Produktion für die asiatischen Textilhersteller nicht einfacher
macht, weiß auch Saskia Krämer. So kooperiert Fair Wear Foundation
beispielsweise mit der Fair Labour Association, der Ethical Trading Initiative
und Fairtrade Deutschland. Krämer hebt dabei die Bedeutung des eigenen Ansatzes
hervor: „Wir haben hohe Standards und weitreichende Zielsetzungen formuliert“.
Dazu zählt die Forderung nach existenzsichernden Löhnen, die in einzelnen
Ländern um das Sechsfache über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen können.
Ihren Mitgliedern stellt die FWF die „wage ladder“ als ein Messinstrument zum
Lohnniveau im Produktionsbetrieb zur Verfügung, die auf Standards wie etwa die
Asian Floor Wage-Initiative zurückgreift. Um mehr Einfluss auf einen Hersteller
zu gewinnen, rät FWF den Einkäufern zur Kontaktaufnahme mit Kollegen anderer
Unternehmen, die bei demselben Zulieferer sourcen. „Aber wir haben auch keine
Patentlösung, wichtig ist die Zusammenarbeit von allen Beteiligten: den
Unternehmen, dem Fabrikmanagement, den Arbeitern und lokalen Gewerkschaften“,
so Krämer. Denn ein höherer Einkaufspreis kommt nicht automatisch den
Näherinnen zugute.