Beinahe drei Monate ist das neue Top-Smartphone
von Samsung auf dem Markt. Das neueste iPhone von Apple gibt es seit September,
es ist die siebte Generation des Alleskönner-Handys. Andere Hersteller ziehen
nach: In jedem Jahr um die gleiche Zeit stellen sie ihre neuen Geräte vor.
Selbst, wenn sich manchmal technisch nicht viel ändert, muss jedes Jahr ein
neues Modell her. Man muss ja im Gespräch bleiben. Schon am ersten
Verkaufswochenende des iPhone 6 verkaufte Apple zehn Millionen Stück. Die
Bilder von den langen Schlangen vor den Apple-Geschäften sind nicht nur
kostenlose Werbung für den Konzern – sie zeigen auch eindrücklich, wie Nutzer
nach dem ständig Neuen gieren, obwohl die meisten von ihnen bereits
funktionierende Telefone haben dürften. Die Mobilfunkanbieter verstärken das
Ganze, indem sie ihren Kunden mindestens alle zwei Jahre ein neues Smartphone
andrehen. Hersteller wie Netzanbieter sind darauf angewiesen, immer neue Handys
zu verkaufen, damit die Umsätze wachsen. In diesem sich selbst verstärkenden
Zusammenspiel von ständig neuen Modellen und dem Wunsch, das eigene Handy
möglichst schnell zu ersetzen, bleibt meist unsichtbar, wie sehr dieses
Handy-Wechsel-Dich der Umwelt schadet.
In deutschen Schubladen
lagern 765 Tonnen Kupfer
Mittlerweile horten die Deutschen
mehr als 100 Millionen Geräte zu Hause, wie der IT-Verband Bitkom im April
bekanntgab. Das errechnet der Verband regelmäßig, noch 2010 waren es 72
Millionen alte Handys. Mit Bezug auf damals etwa 85 Millionen ungenutzte Geräte
(aus einer anderen Schätzung) errechnete das Umweltbundesamt vor einem Jahr, in
deutschen Haushalten lagerten mehr als 21 Tonnen Silber, zwei Tonnen Gold, 765
Tonnen Kupfer und vieles mehr. Die Folge: immer mehr frische Erze und seltene
Erden müssen abgebaut werden, um die Nachfrage nach neuen Handys zu decken.
Immer mehr Edelmetalle liegen mit den alten Geräten ungenutzt in der Schublade
– eine bedingt sinnvolle Geldanlage. Was das Ganze noch schlimmer macht: Das
vollständige Recycling der Rohstoffe in Handys lohnt sich oft weniger, als sie
einfach zu verschrotten. Zumeist lohnt sich noch der Weiterverkauf der
Altgeräte – immerhin besser, als sie zu entsorgen. Firmen wie Zonzoo oder
wirkaufens machen daraus ein Geschäft: Sie kaufen alte Smartphones an,
verkaufen sie weiter oder verwerten die Rohstoffe wieder. Die Recyclingraten
verharren allerdings seit Jahren bei wenig mehr als zehn Prozent. Die selbst
ernannten Recycling-Firmen verkaufen die Handys nämlich vielfach an
Zwischenhändler in Entwicklungsländern. Ab dort verliert sich ihre Spur.
Wer braucht jedes
Jahr ein Smartphone?
„Die Entsorgung von Handys folgt
oft nicht der Recycling-Route, die Hersteller in ihren Erklärungen annehmen“,
schreiben die Forscher James Suckling und Jacquetta Lee von der britischen
Universität Surrey in einem kürzlich im International Journal of Life Cycle
Assessment erschienenen Papier. Der logistische Aufwand zur Rücknahme und zum
Recycling der Althandys werde fast vollständig durch das
Weiterverkaufs-Geschäft subventioniert, weil es sich sonst nicht lohnen würde,
schreiben die Autoren. Und: Ein durchschnittliches Handy verursache ohne
Netzwerk- und Internetnutzung über seinem Lebenszyklus schon etwa 48 Kilogramm
CO2-Äquivalent. Macht bei 30 Millionen verkauften Geräten in Deutschland: 1,44
Millionen Tonnen CO2, die diese Geräte von der Herstellung bis zur Entsorgung
verursacht haben werden. Derzeit arbeiten Chemiker an Verfahren, die die
Wiedergewinnungsprozesse der Metalle und seltener Erden vereinfachen sollen.
Das Umweltbundesamt findet, man solle die Hersteller zunächst zu einer
„verlässlichen Mindestlebensdauer“ für ihre Geräte verpflichten. Das dürfte bei
Handys schwierig durchzusetzen sein. Schließlich halten die Geräte jetzt schon
bei pfleglichem Gebrauch bis zu drei Jahren, wenn man zwischendurch mal einen
neuen Akku anschafft (oder einbauen lässt). Und das ist bis auf weiteres auch
der beste Tipp, um umweltschonend Mobiltelefone zu nutzen: Man sollte sie
möglichst lange verwenden. Wer braucht schon wirklich einmal im Jahr ein neues
Handy?
Quelle: WiWo Green, Foto: Frank Herrmann