Drei von vier Börsen-Akteuren
gehen davon aus, dass Finanzspekulation die Preise für Nahrungsmittel direkt
beeinflusst. Das geht aus einer internationalen Befragung hervor, die das
Marktforschungsinstitut SIS International Research im Auftrag der Verbraucherorganisation
foodwatch durchgeführt hat. Für die Studie wurden insgesamt 180 erfahrene
Rohstoffhändler, Broker und Analysten aus Deutschland sowie von den
Finanzplätzen Chicago, New York, London, Tokio, Neu-Delhi, Shanghai, Dubai und
Abu Dhabi befragt.
Spekulanten könnten Rohstoffpreise
treiben
89 Prozent von ihnen gaben an,
dass Finanzspekulanten die Futures-Preise an den Terminbörsen beeinflussen. 75
Prozent der Befragten gehen weiter davon aus, dass sich diese Effekte dann auch
auf die Preise für Nahrungsmittel und Rohöl (und damit ebenfalls indirekt auf
Nahrungsmittelpreise) niederschlagen. Diese Meinung vertraten - im Gegensatz
zur offiziellen Linie der Konzernspitze - auch die beiden befragten Mitarbeiter
der Deutschen Bank. Einer von ihnen sagte, Spekulanten könnten die Rohstoffpreise
"systematisch" und "nachhaltig" treiben. "Wenn die Wissenschaft mit ihren
ökonometrischen Modellen keinen abschließenden Befund liefert, sollte man
einfach mal diejenigen fragen, deren tägliches Geschäft die Rohstoffbörsen
sind. Eine riesige Mehrheit der Börsenpraktiker ist davon überzeugt, dass
Spekulation die Lebensmittelpreise treiben kann - allein das sollte die
Deutsche Bank dazu bringen, aus Vorsorgegründen die Reißleine zu ziehen",
erklärte Lena Blanken, Volkswirtin bei foodwatch.
Kein Hunger durch
Finanzspekulation
In Deutschland ist die Deutsche Bank das letzte verbliebene Geldhaus, das noch
an der Agrarspekulation festhält. Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen
argumentiert, dass es keine überzeugenden Belege für einen Einfluss von
Finanzspekulation auf Nahrungsmittelpreise gebe. Doch während die Deutsche Bank
ihrerseits noch nicht einmal offen legt, auf welche Studien oder sonstigen
Erkenntnisse sie ihre Position begründet, sprechen die aktuelle Befragung und eine
im März 2014 veröffentlichte Untersuchung des Thünen-Instituts im Auftrag der
Bundesregierung eine deutlich Sprache. Die Studie ergab, dass sich Bauern,
Agrarhändler und die Lebensmittelwirtschaft bei der Preisfindung für
Agrarrohstoffe an den Terminbörsen orientieren. Das zeigt, dass die Entwicklung
der Derivate-Märkte auf die Preise für physische Waren übertragen wird. "Es gibt starke Indizien aus der
Wissenschaft und erdrückende Belege aus der Praxis dafür, dass
Spekulationsexzesse Lebensmittelpreise ansteigen lassen", so Lena
Blanken von foodwatch. "Wer das -
wie Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen - nicht zur Kenntnis nimmt, handelt in
hohem Maße verantwortungslos. Kein Mensch darf mehr durch Finanzspekulanten in
den Hunger getrieben werden."
Quelle: foodwatch