Ein wenig verwundert reibt man sich
schon die Augen, wenn das Firmenschild von Ritter Sport in der heißen, staubigen
Ebene auftaucht – einige Kilometer außerhalb von Matagalpa, einer Kleinstadt im
Norden Nicaraguas. Hinter dem Eingangstor erstreckt sich auf einem weitläufigen
Gelände die neue Ankaufstation von Ritter Sport Nicaragua, einem erst 2011 gegründeten Unternehmen. In vier großen Lagerhallen wird der Kakao aufbewahrt,
der von rund 28 Genossenschaften der Umgebung angeliefert worden ist. Um von hier
nach Deutschland verschifft zu werden, muss der Kakao allerdings erst eine rigide Qualitätsprüfung
überstanden haben.
Aufwendige Qualitätskontrolle
Die nehmen drei Tester vor, die
den Kakao fühlen, riechen, schmecken.
Das ist eine Kunst für sich und bedarf jahrelangen Trainings. Hat der
Kakao Schimmel, zuviel Säure, schmeckt er fruchtig oder zusammenziehend? Das
Urteil der Tester nach eingehender Kontrolle ist gnadenlos. Fällt die Prüfung
zufriedenstellend aus, bekommt der Kakao die Güteklasse A und den vereinbarten
Preis. Falls es nur zu B reicht, ist ein Abschlag fällig. Aber auch diesen
Kakao nimmt Ritter Sport ab. Denn der Kakao aus Nicaragua ist generell qualitativ
hochwertig, kommt oftmals in Bio-Qualität und ist im Vergleich zu Kakao aus Afrika ohne
ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt.
Gute Konditionen für Bauern - zumindest in Nicaragua
Dafür zahlt Ritter Sport einen
garantierten Mindestpreis, der über dem Weltmarkpreis liegt und einen
ordentlichen Qualitätszuschlag. Darüber hinaus erhalten die Bauern, die sich
vom Nachhaltigkeitsprogramm Utz Certified zertifizieren lassen, mit dem Ritter Sport zusammen arbeitet, einen weitere
Prämie. Wer
pünktlich liefert, hat zudem Aussichten auf einen halbjährlich ausgezahlten „Treuebonus“.
Zuverlässige Geschäftspartner bekommen auch Kredit, in fast beliebiger Höhe. Leider fährt Ritter Sport den Bioanbau zurück - angeblich mangels Nachfrage. Nur noch eine Kooperative produziert daher ausschließlich Bio-Kakao und erhält natürlich die dafür vorgesehenen Zuschlagszahlung. Auch kommt nur ein Bruchteil der gesamten Schokolade von Ritter Sport aus Nicaragua, 2012 lag der Anteil bei unter fünf Prozent. Der Rest des Kakaos, den Ritter Sport verarbeitet, stammt zu mehr als der Hälfte weiterhin aus Westafrika und wird überwiegend über die Börse eingekauft.
Die Konkurrenz im Nacken
Ritter Sport behandelt seine Bauern in Nicaragua sehr gut. Davon können sogar Kooperativen, die ihren Kakao von Fairtrade zertifizieren lassen, nur
träumen. Also heile Kakaowelt bei den Genossenschaften von Ritter Sport?
Das kommt ein wenig auf die Sichtweise an. Die üppigen Zahlungen an die nicaraguanischen Bauern und das „Kundenbindungsprogramm"
sind kühl kalkuliert. Dahinter steckt eine klare Absicht: Der Kakao muss gesichert
werden. Denn wenn Ritter Sport weniger zahlen würde, wäre sofort die Konkurrenz
da, die schon einige Male versucht hat, die Preise von Ritter Sport zu
überbieten. Das möchte man verhindern. Dazu hat man zuviel Zeit, Geld und
Energie in die Organisation und Weiterbildung der Kooperativen sowie die eigenen Anlagen investiert.
Mehr Unabhängigkeit erreichen
Wenn es um ihren Kakao geht, reagiert die Marke mit dem Quadrat mitunter blitzschnell. So konnten sich die Bauern 2012 über eine einmalige Sonderzahlung von
500 US$ pro Tonne Kakao freuen - immerhin rund ein Sechstel des Gesamtpreises. Offiziell wurde die Prämie mit dem hundertjährigen
Bestehen der Schokoladenfirma begründet. Aber allen Beteiligten war klar, dass
dies geschah, um die Konkurrenz im Zaum zu halten. Wie lange dies noch möglich
sein wird, fragt man sich auch bei Ritter Sport. Doch auch hier hat man eine Antwort
parat. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen zwei Grundstücke mit zusammen 480 Hektar Weideland gekauft,
auf dem in vier Jahren die erste Kakaoernte eingefahren werden soll. Laut
Angaben von Ritter Sport Nicaragua soll dies keine negativen Auswirkungen auf die
Kleinbauern haben. Diese hingegen sehen das Engagement skeptisch. Spätestens in vier Jahren wird sich zeigen, wie fair Ritter Sport
wirklich ist.