Sie joggen durch einsame Wälder
und wilde Wiesen, sie erklettern Hänge, die an malerischen Flussläufen
wachsen, sie stapfen durch den Schnee, während im Hintergrund weiße
Bergkuppen in der Sonne funkeln. Die Marketing-Videos von The North Face werben
mit durchtrainierten, sympathischen Menschen, die Sport in unberührter Natur
lieben. Dass die Outdoormarke naturverbunden ist, will sie jetzt auch
durch ihr erweitertes Nachhaltigkeitsprogramm unter Beweis stellen: Bis 2016
soll alles Polyester, das in ihren Textilien steckt, aus komplett recyceltem
Material wie alten Plastikflaschen stammen. Da 80 Prozent der
Kleidungsstücke von The North Face aus Synthetikstoffen bestehen und 2013
lediglich sieben Prozent aus gebrauchtem Plastik hergestellt wurden, klingt das
erst einmal ambitioniert.
Gute Ansätze um Rohstoffe zu sparen
Mit dem Griff zur Flasche möchte
der Ausrüster aber nicht nur gegen Plastikmüll ins Feld ziehen. Indem er die
Rohstoffe in den alten Wasserpullen nutzt, will er die Abhängigkeit von
fossilen Brennstoffen reduzieren und gleichzeitig den Wasserverbrauch senken.
Denn recycelte Kunststoffe benötigen, wie auf der Website zu lesen ist,
weniger als neu produzierte. Jeff Dorton von The North Face spricht daher
von „einem großen Ziel“, das man „kühn“ angehen wolle. Zudem bietet die „Clothes
the Loop“-Initiative des Unternehmens seit 2013 die Möglichkeit, ausrangierte
Schuhe oder Bekleidung, unabhängig von Marke und Zustand, in 27 North Face
Shops in den USA abzugeben. Anstatt auf dem Müll, landen alte Jacken wieder im
Rohstoffkreislauf und werden zu Teppichen und ähnlichen Produkten.
Schadstoffe in allen getesteten Outdoor-Jacken
Wenig überwältigt von der
Recycling-Offensive zeigt sich indes Kirsten Brodde von Greenpeace. „Die Großen
hängen den Kleinen hinterher. 100 Prozent Recycling-Material einsetzen und
Jacken zurücknehmen, das machen andere schon lange.“ So auch Patagonia oder die
deutsche Outdoor-Marke Pyua.
Doch Pyua geht noch weiter. Die Norddeutschen haben ein Verfahren entwickelt,
um den Giftstoff PFC, der dafür sorgt, dass die Kleidung innen und außen
trocken bleibt, aus dem Produktkreislauf zu verbannen. Das ist in der Branche
alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Laut Brodde verwenden viele
Outdoormarken ungeachtet des Naturburschen-Images, das sie sorgfältig
pflegen, für die Wind- und Wasserfestigkeit ihrer Jacken gefährliche
Substanzen. So weist die Greenpeace-Studie „Chemie für jedes Wetter“ aus dem Jahr 2012 in jedem der 14
untersuchten Outdoor-Kleidungsstücke von Marken wie Jack Wolfskin, Mammut oder
The North Face Schadstoffe wie PFC nach.
Das North Face Recycling-Programm – ein Scheinriese
Seit 2011 testet Greenpeace zudem
die Abwässer der Textilfabriken, die Kleidung und sogar das Wasser, das nach
der Wäsche aus der Waschmaschine läuft. Die Umweltschutzorganisation findet
darin regelmäßig einen Cocktail an gefährlichen Chemikalien und fordert die
Modemarken im Rahmen ihrer “Detox-Kampagne” auf, ihren Gebrauch einzustellen. 20
internationale Mode-Konzerne von Zara über H&M bis Puma und Adidas haben
sich seither verpflichtet, bis 2020 giftfrei zu produzieren. Von den
Outdoor-Ausrüstern ist keiner dabei. Ist das Recycling-Programm von The North
Face also Augenwischerei? Für Brodde ist die Antwort klar: Die Aktion „ist ein Scheinriese,
der immer kleiner wird, je näher man kommt und je genauer man hinschaut.“ Auch
wenn es gut sei, zu recyclen, „besser ist es, von Anfang an sauber zu
produzieren.“ Vielleicht geht auch bei The North Face in Zukunft beides.
Quelle: WiWo Green