Wer ein fair gehandeltes Produkt kauft, geht davon aus, dass was auf der
Verpackung steht, auch in der Ware enthalten ist. Doch das ist nicht immer der
Fall. Seit 2011 erlaubt die Siegelorganisation Fairtrade International den sogenannten
Mengenausgleich für Kaffee, Tee, Kakao und Orangensaft. Danach muss ein
Hersteller lediglich nachweisen, dass er einen bestimmten
Prozentsatz fair produzierter Ware einkauft und denselben Prozentsatz wieder
verkauft. Es können sich in der Weiterverarbeitung also faire und nicht faire Bestandteile
vermischen und es kann der Fall eintreten, dass ein Fairtrade-zertifizierten
Produkt physisch keine fairen Bestandteile enthält, obwohl das Siegel auf der Packung für das Gegenteil steht.
Technische Gründe verhindern
Rückverfolgbarkeit
Was eigentlich als Ausnahme gedacht war, scheint nun in Deutschland immer
mehr zur Regel zu werden. Fairtrade begründet den Mengenausgleich als „entwicklungspolitische
Notwendigkeit“, die es einigen Kleinbauernorganisationen erst ermöglicht,
am Fairtrade-System teilzunehmen. Denn meistens liefern diese Bauern den
Rohstoff, lassen ihn aber an anderer Stelle weiterverarbeiten. Liefern kleinere
Produzenten-Organisationen nicht genug Rohstoffe für eine Fabrikations-Charge, erfolgt zwangsläufig eine Mischung mit Rohstoffen, die nicht
von Fairtrade-Erzeugern stammen. Manche Firmen weisen darauf hin, dass sie Fairtrade-Produkte
aus technischen Gründen nicht separieren können. Wenn auch für diese Fälle
physische Rückverfolgbarkeit verlangt würde, wäre es möglich, dass die Bauern
und Arbeiter ihre Produkte nicht mehr unter Fairtrade-Bedingungen verkaufen
könnten. FLO-Cert stellt laut Fairtrade International durch detaillierte
Dokumentationen und Kontrollen sicher, dass die von einem internationalen
Konzern eingekaufte Menge von Fairtrade-zertifizierter Rohware der in den
Produkten verarbeiteten Menge von Fairtrade-zertifizierter Rohware entspricht. Unabhängig
davon wird der Preis für die Fairtrade-zertifizierte Rohware nach den üblichen
Fairtrade-Kriterien an die Genossenschaft ausbezahlt.
Glaubwürdigkeit steht auf dem
Spiel
Reicht das als Begründung? Die Mitglieder
des Forums Fairer Handel – der Weltladen-Dachverband, BanaFair, DWP, EL PUENTE,
GEPA, GLOBO und Naturland – sehen Mengenausgleich im Fairen Handel äußerst
kritisch. In einem Positionspapier legen sie ihren Standpunkt dar: Was auf der
Verpackung steht, sollte auch in der Verpackung drin sein. Das ist für Bioware
unabdingbar und das erwarten Kunden auch von fair gehandelter Ware. Die
Mitglieder des Forums finden es daher sehr bedauerlich und für die
Glaubwürdigkeit des Fairen Handels gefährlich, dass diese berechtigte Kundenerwartung
im Fairtrade-System nicht mehr erfüllt wird. Einen klaren Standpunkt bezieht
die GEPA, Deutschlands größte Fairhandels-Importorganisation: „Wir haben uns
bewusst dafür entschieden, dass der Kunde nach wie vor das erhält, was direkt
von unseren kleinbäuerlichen Partnern kommt", erklärt Gepa-Geschäftsführer
Thomas Speck in einem Gespräch mit Bio-Markt.Info. Über kurz oder lang, so die
Befürchtung, könne es zu einem erheblichen Verlust an Glaubwürdigkeit kommen,
wenn beim Verbraucher ankommt, dass nicht das in der Packung enthalten ist, was
auf dem Etikett steht. "Irgendwann wird diese
tickende Zeitbombe hochgehen", vermutet Speck, das ganze System des Fairen
Handels könne grundsätzlich Schaden nehmen. Mengenausgleich kann nur im
Ausnahmefall vertretbar sein,
wenn beispielsweise die Partner im Süden noch nicht über die nötige
Infrastruktur für eigene Weiterverarbeitung verfügen. Ganz konsequent ist man
aber auch bei der GEPA nicht. Obwohl der Fairtrade-Mengenausgleich abgelehnt wird, lässt
man sich weiterhin von FLO-Cert, der Kontrollstelle der Fairtrade-Produkte
zertifizieren – ersetzt aber auf den Packungen das blau-grüne Fairtrade-Logo
zunehmend durch das GEPA-Plus-Zeichen.