Die seit 2007/2008
wiederkehrenden Nahrungsmittelkrisen
zeigen deutlich, wie anfällig das Welternährungssystem ist. Hungerproteste in mehr als 60 Ländern
infolge extremer Preisanstiege von Nahrungsmitteln setzten Regierungen in Nord
und Süd unter Druck, endlich zu handeln, damit sich alle Menschen ausreichend
und ausgewogen ernähren können. Beim G8-Gipfel im italienischen L’Aquila
verpflichteten sich reiche Staaten im Jahr 2009, mehr Geld für die Förderung der Landwirtschaft in armen
Ländern bereit zu stellen und damit einen langjährigen Negativtrend um
zukehren: Der Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft
war weltweit von 17 Prozent im Jahr 1980 auf völlig unzureichende drei Prozent
im Jahr 2005 gefallen und ist seitdem nur leicht gestiegen. Diese
jahrzehntelange enorme Vernachlässigung betrifft insbesondere Kleinbäuerinnen
und -bauern, die nach wie vor die Hälfte der knapp eine Milliarde Hungernden
weltweit ausmachen. Ihr Menschenrecht auf Nahrung wird verletzt.
Aus einer Hand: Pestizide und Saatgut
Doch das Versprechen von
L‘Aquila, mehr öffentliche Mittel bereitzustellen, ist leider schnell in den
Hintergrund gerückt. Stattdessen zeichnet sich in den letzten Jahren ein
grundlegender Wandel ab. Reiche Länder, auch Deutschland, setzen ihren Schwerpunkt
stärker auf die Kooperation mit Unternehmen als auf die Kooperation mit
Kleinbauern-Organisationen. Die Förderung privater Investitionen wird zur neuen
Priorität in der Entwicklungszusammenarbeit erhoben. Das Weltwirtschaftsforum
hat 2011 mit der „Neuen Vision für die Landwirtschaft“ hierfür wesentlich die
Weichen gestellt. Sie beförderte 2012 unter anderem die Gründung der
Investitionsplattform „Grow Africa“ und die „Neue Allianz für
Ernährungssicherung“ 4 der G8 (Neue
Allianz) sowie die von Dirk Niebel ins Leben gerufene „German Food Partnership“ (GFP). Zu den
Kooperationspartnern zählen mächtige Chemie- und Saatgutkonzerne wie Bayer,
Monsanto und Syngenta, der Düngemittelhersteller Yara, der Getreidehändler
Cargill und der Maschinenhersteller AGCO. Menschen, die unter Armut und Hunger
leiden bzw. ihre Organisationen, gehören nicht dazu.
Effektive
Hungerbekämpfung
Insbesondere Afrika steht im
Visier von Investoren: Sowohl die Neue Allianz als auch die GFP setzen einen
Schwerpunkt auf Afrika, wo 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe (33
Millionen) weniger als zwei Hektar besitzen. Nur drei Prozent der Betriebe
haben mehr als zehn Hektar. Eine großflächige, industrielle Landwirtschaft, wie
sie z. B. in Lateinamerika vorangetrieben wurde, hätte verheerende Folgen für die rund 500 Millionen Menschen,
die in Afrika von der Landwirtschaft
abhängen, viele von ihnen würden ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage verlieren.
Oxfams Recherchen in Lateinamerika zeigen, dass großflächige Monokulturen
Kleinbäuerinnen und -bauern verdrängen. Dieser Bericht zeigt auf, wie die neuen
strategischen Allianzen die industrielle Landwirtschaft befördern und welche Gefahren für die Ernährungssicherheit
und die Umwelt damit verbunden sind. Er
beleuchtet das Potenzial einer gezielten Förderung der nachhaltigen,
kleinbäuerlichen Landwirtschaft für die Welternährung. Damit möchte er eine
Debatte über effektive Entwicklungszusammenarbeit zur Hungerbekämpfung
anstoßen.