Seiten

Samstag, 20. September 2014

NABU Kreuzfahrt-Check: Fast alle Schiffe schaden Gesundheit und Umwelt




Kaum ein Kreuzfahrtschiff, das in den kommenden Jahren in Europa unterwegs sein wird, ist aus Gesundheits- und Umweltsicht empfehlenswert. Dies ist das Ergebnis einer Analyse des NABU. Der Umweltverband untersuchte alle 20 der bis 2016 für den europäischen Markt vom Stapel laufenden Kreuzfahrtschiffe auf ihre Abgastechnik und deren Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Gesundheit hin.  Am besten schneiden die Anbieter TUI und Hapag Lloyd ab. Beide setzen mit Stickoxid-Katalysatoren erstmals bei Kreuzfahrtschiffen auf wirksame Abgastechnik. Allerdings fehlt auch ihnen weiter ein Rußpartikelfilter. Klarer Verlierer des NABU-Kreuzfahrtrankings ist AIDA. Beim Branchenführer klaffen Anspruch und Wirklichkeit am weitesten auseinander. „AIDA wird bis auf Weiteres ohne jegliche Abgastechnik unterwegs sein. Seinen jährlich mehr als 600.000 Gästen pustet das Unternehmen damit weiter hochgradig giftige Abgase um die Nase“, sagte NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger.

Gesundheitsgefahr ist Reedereien bekannt

Insgesamt, so zeigt die Analyse, werden 17 der 20 Schiffe über keinerlei Abgasreinigung verfügen. Und das, obwohl die Technik längst verfügbar und im Vergleich zu den Gesamtkosten der Schiffe erschwinglich ist. Pro Schiff, so der NABU-Verkehrsexperte, koste ein wirksames Abgassystem maximal eine Million Euro – bei Gesamtinvestitionen von insgesamt 9,7 Milliarden Euro für alle Neubauten bis 2016 mache dies gerade einmal 0,2 Prozent der Kosten aus. „Es ist beschämend, dass AIDA, Costa und Royal Carribean lieber Millionen in teure Greenwashing-Kampagnen stecken, als tatsächlich einmal Geld in die Hand zu nehmen und in ein funktionierendes Abgassystem zu investieren“, so Oeliger. Obwohl die Gesundheitsgefahr, die von ungefilterten Stickoxiden und Rußpartikeln ausgeht, auch den Reedereien hinreichend bekannt ist, seien diese weiterhin nicht bereit, flächendeckend Katalysatoren und Filter einzubauen und die Abgasbelastung so um weit mehr als 90 Prozent zu senken. Rußpartikel dringen tief in die Lunge ein, sind Krebs erregend und können Herzinfarkte verursachen. Unlängst haben auch die Weltgesundheitsorganisation WHO und die deutsche Wissenschaftsorganisation Helmholtz-Gemeinschaft die massive Gefährdung von Anwohnern, Gästen und Crewmitgliedern durch Schiffsabgase bestätigt. Rußpartikel aus Dieselmotoren sind demnach mit der Giftigkeit von Asbest gleichzusetzen. „Aus gesundheitlichen Gründen ist zurzeit auf keinem einzigen Kreuzfahrtschiff Urlaub ratsam“, so Axel Friedrich, weltweit anerkannter Experte für Luftreinhaltung.

Weiter unterwegs mit Schweröl statt Diesel

Erschwerend kommt hinzu, dass alle Reeder weiter auf Schweröl als Kraftstoff setzen. „Schweröl enthält Unmengen an giftigen Substanzen, die bei der Verbrennung in die Atemluft gelangen. Auch im Falle einer Havarie birgt es erhebliche Gefahren für die Meeresökologie. So genannte ‚Scrubber‘, wie verschiedene Reeder sie einsetzen wollen, senken zwar die Schwefeldioxidbelastung. Doch ihre Auswirkungen auf die Umwelt sind durch Reststoffe und die verlängerte Nutzung von Schweröl inakzeptabel“, so Friedrich. Eine Umstellung auf den vergleichsweise sauberen Schiffsdiesel wäre dabei sofort möglich. Zusätzlich ist die gesundheitliche Belastung für Hafenanwohner in den vergangenen Jahren durch Kreuzfahrtschiffe enorm gestiegen. Derzeit liegen die Ozeanriesen mit laufenden Motoren inmitten der Hafenstädte vor Anker und pusten so Unmengen an Abgasen in die Luft. Die von den Reedereien seit Langem angekündigte emissionsreduzierte Stromversorgung während der Liegezeit, zum Beispiel im Hamburger Hafen, fehlt immer noch. „Die Verzögerungstaktik der Reedereien ist angesichts zunehmender Kreuzfahrtschiffanläufe und der wachsenden Belastung von Gästen und Anwohnern so unverständlich wie unverantwortlich“, sagte der Umweltexperte des NABU Hamburg, Malte Siegert. Schon für dieses Jahr hatten TUI und AIDA jeweils mit Flüssiggas betriebene Versorgungssysteme versprochen, um ihre Maschinen im Hafen teilweise abschalten zu können. „Die werbewirksamen Schlagzeilen haben die Unternehmen eingefahren, während ihre Schiffe heute noch immer mit wenig Rücksicht auf Verluste Dreck durch die Schornsteine ausstoßen“, so Siegert.
Quelle: Nabu