Während seines Aufenthalts in Antigua Guatemala im Dez. 2012 und Januar
2013 kaufte "Faireinkaufenaberwie"-Autor Frank Herrmann regelmäßig Biogemüse bei der indianischen Kleinbäuerin Elena
Tujal Cocón, die einmal wöchentlich nach Antigua kommt und dort ihre Waren
anbietet. Ihn interessierte, wie sie dazu kam ihren Gemüseanbau auf "bio" umzustellen
und welche Schwierigkeiten sie dabei hatte. Aus mehreren Gesprächen mit ihr entstand nachfolgender
Artikel:
Samstag ist der anstrengendste
Tag der Woche für Elena Tujal Cocón. Er beginnt bereits um vier Uhr morgens.
Zum Frühstück gibt es schwarze Bohnen, Maisfladen und dünnen, stark gesüßten
Kaffee, den die Cakchiquel-Indianerin hastig herunter- schluckt. Denn kurz darauf
heißt es Brokkoli, Spinat und Bohnen ernten, waschen und verpacken. Möhren,
Mangold, Kleinkürbisse und Radieschen hat die zierliche Indígena bereits am
Vortag geerntet. Ihr Gemüse stammt zu 100 Prozent aus Bioproduktion - eine
Ausnahme in Guatemala. Um acht Uhr sitzt Elena in einem überfüllten
Chicken-Bus, die 18 Monate alte Tochter Helen Izel auf dem Rücken und den
21-jährigen Sohn Eduardo neben sich. Das wackelige Gefährt bringt die Familie
von Patzún in das rund zwei Fahrtstunden entfernte Antigua Guatemala. In dem Kolonialstädtchen,
Touristenmagnet und Unesco-Weltkulturerbe, verkauft Elena ihr Biogemüse.
Früher wenig Nachfrage nach bio
Unterwegs erzählt sie, wie alles
begann: "Bis vor wenigen Jahren kannten wir nur wenige Gemüsesorten, wie
etwa Brokkoli oder Erbsen, die wir mit Chemikalien besprühten." Vor sieben
Jahren besuchten Agraringenieure ihren Heimatort Patzún im Hochland Guatemalas,
etwa 100 Kilometer westlich von Guatemala-Stadt. Sie zeigten den Dorfbewohnern,
welche Gemüsesorten für Bioanbau geeignet waren. Anfänglich waren mehrere Familien
an dem Projekt beteiligt, zum Schluss blieb aber nur Elena übrig. Denn
"bio" zu produzieren ist eine Sache, die Ware loszuwerden eine
andere. "Wir bekamen unser Gemüse einfach nicht verkauft in unserem
Dorf", erzählt Elena, "Hier wird viel Gemüse angebaut, doch das
Interesse an bio war nicht sehr groß." Ein Australier, der ihr Dorf auf
der Suche nach Biogemüse besuchte, half ihr schließlich, den Kontakt nach
Antigua herzustellen.
Vom Land in die Stadt
Der geschäftige Busbahnhof von
Antigua liegt hinter dem unübersichtlichen Markt. Der Untergrund ist je nach
Jahreszeit staubig oder schlammig. Imposant erhebt sich im Hintergrund der
Vulkan Agua. Doch Elena hat heute keinen Blick für Naturschönheiten. Der Bus
hatte mal wieder Verspätung und zwei Kundinnen warten bereits auf sie, wie sie
per Handy erfahren hat. Schnell lädt sie ihre Körbe in ein dreirädriges
Tuc-Tuc, das sie in wenigen Minuten auf dem holprigen Kopfsteinpflaster zu
Fernandos Kaffee bringt, einem Café, das neben seinem guten Kaffee auch für
seine hausgemachte Schokolade bekannt ist. Hastig bereitet Elena ihre Ware im
Innenhof des Cafés auf einem buntgestreiften Stofftuch aus. "Einige
Ausländer waren am direkten Kauf von Bioware interessiert", erzählt sie,
während sie einen Bastkorb mit Möhren, Mangold und Radieschen füllt.
"Gemeinsam planten wir, welche Produkte sie benötigten."
Bio-Verkauf als wichtiger Teil des Familieneinkommens
Nach und nach kommen alle
Stammkunden Elenas im Café vorbei. Die Atmosphäre ist relaxt, man kennt sich.
Elenas Käufer sind alle Ausländer, die meisten leben längerfristig in
Guatemala. Es sind Deutsche, Holländer, Belgier, Japaner, Amerikaner und
Kanadier. Sie kaufen jede Woche bei ihr pro Person frisches Biogemüse im Wert
von 30 bis 60 Quetzales, das sind drei bis sechs Euro. Viel ist das nicht und
wer die Kosten gegenrechnet, fragt sich, ob sich der ganze Aufwand für die
agile indianische Kleinunternehmerin lohnt. Elena sieht die ganze Sache
realistisch: "Ich verdiene jeden Samstag etwa 100 Quetzales. Mit den
Einnahmen aus dem Bioverkauf kann ich beispielsweise Seife, Zucker und Nudeln kaufen.
Aber zusätzlich auch noch die Stromrechnung, Medizin oder Kleidung zu bezahlen,
dafür reicht es nicht." Doch da auch ihr Sohn und ihr Ehemann Geld
verdienen und die Grundversorgung mit Mais und schwarzen Bohnen gesichert ist,
kommt die Familie einigermaßen über die Runden.
Müde aber zufrieden
Elena ist geschafft. Gegen 12 Uhr
30 packt sie Kisten und Körbe müde, aber zufrieden zusammen. Bevor sie zu Hause
ankommt, hat sie noch eine zweistündige Busfahrt vor sich. Doch fragt man sie
nach den Perspektiven ihres Geschäfts, ist sie wieder hellwach und antwortet
mit einem fröhlichen Blitzen in den Augen: "Ich hoffe, dass ich in einigen
Monaten den Absatz von acht auf 15 Körbe wöchentlich steigern kann. Außerdem
liefere ich inzwischen jeden Montag zehn Tüten Spinat, zehn Tüten Brokkoli und
fünf Tüten Mangold an einen Bioladen in der Hauptstadt." Auch auf dem
neuen monatlichen Biomarkt in der Hauptstadt möchte sie präsent sein - nicht
nur um zu verkaufen, sondern auch um Kontakte zu knüpfen. Wenn das Geld reicht,
wird sie sich einen Computer kaufen. "Damit könnte ich Bestellungen besser
abwickeln", so die 47-Jährige.
Gesunde Einstellung zur Natur
Die Tatsache, dass sie die
Fruchtbarkeit ihrer Böden erhält, sich und ihre Familie gesund ernährt und
ihren Kunden sauberes Gemüse anbieten kann, stellt eine große Befriedigung für
die selbstständige Indígena dar. "Für mich ist die Natur sehr wichtig,
denn sie gibt uns Nahrung, also muss ich auch meinen Teil dazu beisteuern,
damit es so bleibt." Und sie fügt hinzu: "Was ich mache, hat weltweit
gesehen vielleicht nur geringe Bedeutung, aber ich leiste meinen Beitrag."