Jedes
Jahr geben deutsche Bundesländer, Bezirksregierungen und Kommunen Milliarden für Pflastersteine, Berufskleidung,
Computer, Fahrzeuge, Spielzeug und andere Dinge aus – allein im Bundesland Nordrhein-Westfalen
sind es über 50 Milliarden Euro pro Jahr. Und immer öfter wird dabei darauf
geachtet, unter welchen Bedingungen diese Dinge produziert werden. Die
Rot-Grüne Regierung von NRW geht mit der „fairen Beschaffung“ in einem eigenen Regelwerk nun noch
einen Schritt weiter. Doch Schlupflöcher weichen die guten Absichten auf.
Des einen
Freud, des anderen Leid
Als vor einem Jahr Rot-Grün im "Tariftreue-
und Vergabegesetz" durchsetzte, dass eine Investition der öffentlichen
Hand keine Ausbeutung und Misshandlung von Arbeitern in anderen Weltteilen
begünstigen darf, freuten sich die in Nordrhein-Westfalen ansässigen Fair-Handels-Initiativen.
Denn nun werde per Gesetz Druck auf Firmen ausgeübt, die Arbeitsbedingungen bei
ihren Lieferanten bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen. Lautstarker
Protest kam hingegen von Unternehmer- und Kommunalverbänden. Sie fühlten sich
von den Auflagen überfordert und fürchteten wirtschaftliche Einbußen. Denn das neue
Gesetz fordert, dass Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten wollen,
garantieren müssen, dass bei Herstellung und Verarbeitung der Güter die
Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO berücksichtigt
werden. Zudem sind Zwangsarbeit, besonders brutale Formen der Kinderarbeit,
ausbeuterische Arbeitszeiten, fehlende Arbeitssicherheit oder das Verbot von
Gewerkschaften ausgeschlossen.
Zu viele
Ausnahmen
In diesen Tagen tritt nun die entsprechende Rechtsverordnung
in Kraft. Sie enthält allerdings jede Menge Aufweichungen, Schlupflöcher und
Ausnahmen, sodass die Kommunal- und Arbeitgeberverbände sich wieder entspannt
zurücklehnen, während die Fair-Handels-Initiativen die Schwachstellen der
Verordnung anprangern. Grund genug hierzu haben sie, denn Hintertüren bietet
das Gesetz reichlich. So besteht beispielsweise keine Prüfpflicht, wenn der Lieferant
schriftlich bestätigt, dass er die ILO-Standards einhält. Kontrolliert wird
ohnehin kaum, da es in NRW keine zentrale Prüfstelle gibt. Wenn der Anteil der
kritischen Teile einer Anschaffung weniger als 20 Prozent der Gesamtkosten
beträgt, besteht ohnehin keine Prüfpflicht. Obendrein muss die Einhaltung der
ILO-Standards nur für das Land geprüft werden, in dem ein Produkt
endverarbeitet wurde. Das macht wenig Sinn, passieren doch sie meiste Verstöße gegen
elementare Arbeitsrechte am Anfang der Produktionskette und nicht bei der
letzten Verarbeitungsstufe. Und last not least soll die Bagatellgrenze, bei der nicht geprüft werden muss, von 500 auf satte 10.000 Euro angehoben
werden.
Auch mit kleinen
Schritten geht es vorwärts
Macht das neue Gesetz bei so vielen Ausnahmen
überhaupt noch Sinn? Ja, meint die Sozialdemokratin Lale Akgün. Sie sieht "eine
Grundlage, um Schritt für Schritt, in einzelnen Kommunen und einzelnen
Produktbereichen" eine nachhaltige Beschaffung durchzusetzen. Akgün leitet
die neue Planungsstelle für faire Beschaffung in NRW. Im September plant sie ein
Konzept vorzulegen. Darin soll es konkret werden, damit es dann hoffentlich ein
wenig fairer auf der Welt zugeht.
Diesem
Blogbeitrag liegt ein längerer Artikel der Welt am Sonntag zugrunde, der hier
gelesen werden kann: http://www.welt.de/print/wams/nrw/article116730213/Fair-geht-vor.html