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Donnerstag, 6. Juni 2013

Faires Beschaffungswesen in NRW – zwei Schritte vor, einer zurück



Jedes Jahr geben deutsche Bundesländer, Bezirksregierungen und Kommunen Milliarden für Pflastersteine, Berufskleidung, Computer, Fahrzeuge, Spielzeug und andere Dinge aus – allein im Bundesland Nordrhein-Westfalen sind es über 50 Milliarden Euro pro Jahr. Und immer öfter wird dabei darauf geachtet, unter welchen Bedingungen diese Dinge produziert werden. Die Rot-Grüne Regierung von NRW geht mit der „fairen Beschaffung“ in einem eigenen Regelwerk nun noch einen Schritt weiter. Doch Schlupflöcher weichen die guten Absichten auf.

Des einen Freud, des anderen Leid

Als vor einem Jahr Rot-Grün im "Tariftreue- und Vergabegesetz" durchsetzte, dass eine Investition der öffentlichen Hand keine Ausbeutung und Misshandlung von Arbeitern in anderen Weltteilen begünstigen darf, freuten sich die in Nordrhein-Westfalen ansässigen Fair-Handels-Initiativen. Denn nun werde per Gesetz Druck auf Firmen ausgeübt, die Arbeitsbedingungen bei ihren Lieferanten bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen. Lautstarker Protest kam hingegen von Unternehmer- und Kommunalverbänden. Sie fühlten sich von den Auflagen überfordert und fürchteten wirtschaftliche Einbußen. Denn das neue Gesetz fordert, dass Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten wollen, garantieren müssen, dass bei Herstellung und Verarbeitung der Güter die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO berücksichtigt werden. Zudem sind Zwangsarbeit, besonders brutale Formen der Kinderarbeit, ausbeuterische Arbeitszeiten, fehlende Arbeitssicherheit oder das Verbot von Gewerkschaften ausgeschlossen.

Zu viele Ausnahmen

In diesen Tagen tritt nun die entsprechende Rechtsverordnung in Kraft. Sie enthält allerdings jede Menge Aufweichungen, Schlupflöcher und Ausnahmen, sodass die Kommunal- und Arbeitgeberverbände sich wieder entspannt zurücklehnen, während die Fair-Handels-Initiativen die Schwachstellen der Verordnung anprangern. Grund genug hierzu haben sie, denn Hintertüren bietet das Gesetz reichlich. So besteht beispielsweise keine Prüfpflicht, wenn der Lieferant schriftlich bestätigt, dass er die ILO-Standards einhält. Kontrolliert wird ohnehin kaum, da es in NRW keine zentrale Prüfstelle gibt. Wenn der Anteil der kritischen Teile einer Anschaffung weniger als 20 Prozent der Gesamtkosten beträgt, besteht ohnehin keine Prüfpflicht. Obendrein muss die Einhaltung der ILO-Standards nur für das Land geprüft werden, in dem ein Produkt endverarbeitet wurde. Das macht wenig Sinn, passieren doch sie meiste Verstöße gegen elementare Arbeitsrechte am Anfang der Produktionskette und nicht bei der letzten Verarbeitungsstufe. Und last not least soll die Bagatellgrenze, bei der nicht geprüft werden muss, von 500 auf satte 10.000 Euro angehoben werden. 

Auch mit kleinen Schritten geht es vorwärts  

Macht das neue Gesetz bei so vielen Ausnahmen überhaupt noch Sinn? Ja, meint die Sozialdemokratin Lale Akgün. Sie sieht "eine Grundlage, um Schritt für Schritt, in einzelnen Kommunen und einzelnen Produktbereichen" eine nachhaltige Beschaffung durchzusetzen. Akgün leitet die neue Planungsstelle für faire Beschaffung in NRW. Im September plant sie ein Konzept vorzulegen. Darin soll es konkret werden, damit es dann hoffentlich ein wenig fairer auf der Welt zugeht.  

Diesem Blogbeitrag liegt ein längerer Artikel der Welt am Sonntag zugrunde, der hier gelesen werden kann: http://www.welt.de/print/wams/nrw/article116730213/Fair-geht-vor.html