Nach zahlreichen Gesprächen mit
allen möglichen Akteuren der einheimischen „Ananasszene“, fällt es mir an
dieser Stelle schwer, ein abschließendes Urteil zu fällen. Zu hetereogen ist das
Panorama, zu unterschiedlich sind die Standpunkte. Kleinbauern, Großplantagen, ausländische
Arbeiter, einheimische Arbeiter, Leiharbeiter, Gewerkschaften, der Verband der
Exporteure, Vermarktungsgesellschaften, Zertifizierer und staatliche Stellen
haben naturgemäß ihre Sicht der Dinge, die sich leider nur allzu selten deckt.
Jeder verfolgt nun einmal zunächst seine Interessen.
Wenig Übereinstimmung
Es gibt eine Menge Ungereimtheiten:
Während ein Großteil meiner Quellen davon ausgeht, dass immer weniger
Costaricaner als Arbeiter auf den Ananasplantagen arbeiten und der
Großteil der Arbeitskräfte inzwischen aus Nicaragua kommt, behauptet
die Kammer der Ananasexporteure das genaue Gegenteil. Die Kammer behauptet
ebenfalls, dass so gut wie alle Arbeiter inzwischen direkt bei den Plantagen
angestellt sind und nicht über Subagenturen, die Gewerkschaften dokumentieren
eine genau entgegen gesetzte Entwicklung. Auch was Arbeitsstunden, Lohn.
Sozialleistungen, Behandlung von gewerkschaftlich organisierten Arbeitern
innerhalb der Plantagen angeht, gibt es sehr unterschiedliche Betrachtungsweise.
Und während Gewerkschaften Zertifizierungen in der jetzigen Form ablehnen,
halten sie andere Sektoren der Branchen für unverzichtbar und
überlebensnotwendig.
Ein Diskussionsforum, das nicht alle nutzen
Zwischen den Stühlen sitzt die
„Plattform für einen nachhaltigen Ananasanbau“, ein offenes Diskussionsforum
für alle Beteiligten der Ananasindustrie unter Leitung des UNDP-Programms der
Vereinten Nationen. Während die Kammer der Ananasexporteure die Plattform zwar
unterstützt, es sich aber verbietet, von dieser technische Empfehlungen im
Rahmen eines Aktionsplans vorgesetzt zu bekommen, lehnen die Gewerkschaften die
Teilnahme an der Plattform komplett ab. In einem offiziellen, mehrseitigen
Schreiben begründeten die Gewerkschaften im Februar ihre Position. Direkte
Gespräche mit den Gewerkschaften lehnt hingegen die Kammer der Ananasexporteure
ab. Ein tiefsitzendes Misstrauen auf beiden Seiten prägt die Szenerie.
Es gibt keine Guten und Bösen
Angesichts dieser Situation darf
man dennoch nicht in Schwarz-Weiß-Malerei verfallen. Weder sind nur die
Gewerkschaften die alleinigen Guten, noch haben die großen Ananasplantagen den
Schwarzen Peter ganz alleine für sich. Es gibt verantwortungsbewusst handelnde
Großunternehmen und selbst einige der so gescholtenen großen Fruchtmultis,
allen voran Dole, zeigen sich erstaunlich reformfähig und transparent. Hingegen
gibt es auch unter den Kleinbauern solche, die Arbeitskräfte aus Nicaragua
ausbeuten und Umweltauflagen missachten. Bio-Farmen sind nicht notwendigerweise
sauberer als die Produzenten konventioneller Ananasplantagen und auch
Gewerkschafter sind nicht immer nur vorrangig am Wohl der Arbeiter, sondern
durchaus am eigenen Wohlergehen interessiert.
An die eigene Nase packen
Wenn wir über Ananas reden,
reicht es nicht, nur die lokalen Produktionsbedingungen zu analysieren, sondern
wir müssen die gesamte Wertschöpfungskette betrachten. Wir müssen in den
Spiegel schauen und uns fragen, warum wir im Supermarkt so oft auf perfekt
aussehendes Obst und Gemüse anspringen und uns so leicht von Sonderangeboten
verführen lassen. Die Supermärkte müssen sich fragen, was für Auswirkungen der
Preiskrieg auf Produzenten und Arbeiter hat. Und die Fruchtmultis müssen schauen,
dass sie ihre Nachhaltigkeitsversprechen auch einhalten.
Was kommt zuerst: die Henne oder das Ei?
Wer von uns Ananas für 0,99 Euro
im Supermarkt kauft und weiß, dass die Ananas in Costa Rica im Supermarkt
ebensoviel kostet, der sollte ins Grübeln kommen. Eine faire und ökologisch
erzeugte Ananas ist für so wenig Geld natürlich nicht zu haben. Die muss man
allerdings in deutschen Supermärkten immer noch mit der Lupe suchen. In
Deutschland werden jährlich rund 100.000 Tonnen Ananas verzehrt, aber nur rund
12 Tonnen stammen aus Fairem Handel. Nur einige Biosupermärkte haben diese faire
Bioananas im Sortiment. Also, was tun: Sonderangebote meiden, sich etwa mehr
über Ananas informieren, im Supermarkt nach fairer Bioananas fragen und natürlich die beiden vorhergegangenen Blogbeiträge zum Thema Ananas lesen..