Die Körper der einst so kräftigen
Elefanten sind erschlafft, sie liegen tot inmitten der Steppe. Tiefe Wunden
zeugen von der Gewalt, mit der Wilderer ihnen die Stoßzähne entfernt haben.
Achtlos haben sie die Kadaver zurückgelassen. Mit solchen Bildern wollen
Umwelt- und Tierschützer auf ein wachsendes Problem aufmerksam machen: die
brutale und illegale Jagd auf die Elefanten und Nashörner Afrikas. In ihren
Kampagnen appellieren die Tierschützer aber nicht mehr nur an das Mitgefühl für
die Tiere, sondern führen auch ein sicherheitspolitisches Argument auf: Der
Elfenbeinhandel sei eine der Haupteinnahmequellen von Terroristen, Milizen und
organisierten Banden aller Art, die in afrikanischen Ländern ihr Unwesen
treiben, warnen sie. “Denen könnte man den Geldhahn faktisch zu drehen, wenn
man den Handel (mit Elfenbein) illegal machen würde”, formuliert es der
deutsche Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke in einem Interview.
“Nicht nur der Handel, sondern auch der Besitz von Elfenbein muss illegal
werden.” Grundsätzlich ist es ein berechtigtes und ehrenwertes Anliegen, sich
für die Tiere einzusetzen. Doch Jaenickes Aussage steht beispielhaft für eine
Verzerrung der Tatsachen: In Wahrheit decken die Terroristen meist einen
vergleichsweise geringen Teil ihrer Einnahmen durch den Handel mit Elfenbein.
Zwar ist es den Tierschützern zu verdanken, die Wilderei auf die internationale
Agenda gesetzt zu haben. Gleichzeitig wird so ein Umweltproblem überschattet,
dessen Schäden ähnlich verheerend wie die Wilderei sind: Die Rodung der Wälder
für den illegalen Handel mit Holz und Kohle. Dieser spült weitaus mehr Geld in
die Kassen der Terroristen als die Wilderei; nur lässt sich dieses Thema bei
weitem nicht so medienwirksam vermarkten.
Mahagoni für
Kalaschnikows
Den derzeit umfassendsten Bericht über das Ausmaß der Tier- und Umweltschäden, die aus der Finanzierung von
Kriegen und Terrorismus entstehen, haben die Vereinten Nationen im vergangenen
Sommer veröffentlicht. Demnach ist die illegale Jagd auf Elefanten und
Nashörner insgesamt durchaus lukrativ mit einem geschätzten Jahresumsatz
zwischen sieben und 23 Milliarden Dollar. Auf den globalen Schwarzmärkten
bringt ein Kilo Elfenbein etwa 750 Dollar. Der Report lässt keine Zweifel
daran, dass auch Terroristen tief in das schmutzige Geschäft verstrickt sind –
Boko Haram im Westen Afrikas zum Beispiel, die Lord Resistance Army im Zentrum
und die al-Shabaab-Milizen im Osten. Aber das meiste Geld aus dem illegalen
Handel mit Horn und Elfenbein fließt nicht in die Taschen der Terroristen. In
der Untersuchung wird die Rolle der Wilderei bei der Finanzierung der
Terroristen relativiert: “Der Umfang der Einnahmen durch kriminelle Wilderei
ist winzig im Vergleich zur illegalen Abholzung und der Waldkriminalität.” Dazu
zählt die Rodung von Wäldern für edle Mahagoni-Hölzer, Plantagen und Papier.
Was nach der Lektüre des UN-Berichtes klar wird: Trotz internationaler
Abkommen, die die Abholzung weiter Teile der Regenwälder verbietet, werden
regelmäßig ganze Landstriche entwaldet. 90 Prozent des afrikanischen Holzes
wird dabei in Form von Holzkohle als Brennstoff genutzt. Die Terrorgruppen
machen ihr Geschäft vor allem mit der illegalen Besteuerung des Brennstoffs. Schäden
für Umwelt und Gesundheit In den von ihnen kontrollierten Gebieten errichten
sie Straßensperren und verlangen Gebühren in einer Höhe von rund 30 Prozent für
den Handel mit dem Material. In den umkämpften Regionen schätzen die Vereinten
Nationen die Einnahmen aus dem Handel mit Holzkohle auf 111 bis 289 Millionen
Dollar jährlich. Zum Vergleich: Elfenbein würde nur zwischen vier und 12,2
Millionen Dollar einbringen.
Tierschutzkampagnen
mit zweifelhaften Zahlen
Weshalb also kursieren immer
wieder Zahlen, die belegen sollen, dass die Wilderei die entscheidende
Einnahmequelle der Terroristen sei? Für eine Kampagne hat zum Beispiel die
Organisation “WildAid” die US-amerikanische Regisseurin Kathryn Bigelow
angeheuert. In einem Kurzfilm zeigt die Oscar-Gewinnerin, wie der
Elfenbeinhandel die somalische Terrorgruppe al-Shabaab finanziert. 600.000
Dollar würde die Terrorgruppe monatlich durch die illegale Wilderei eintreiben,
heißt es im Film. Die Einnahmen der al-Shabaab aus dem Handel mit Elfenbein
wirken gigantisch. Verglichen mit ihren Einnahmen durch die Kontrolle des
Geschäfts mit der Holzkohle sind sie jedoch gering: Jährlich spült die illegale
Tätigkeit bis zu 56 Millionen Dollar in ihre Kassen. Die Tierschützer der
“Elephant Action League” wollen sogar recherchiert haben, dass 40 Prozent der
Einnahmen der Gruppe auf den Handel mit Elfenbein zurückgehen. Als Beleg
liefern sie jedoch keine umfassende Studie, sondern ein Treffen mit Insidern
und grobe Schätzungen. Als “höchst unzuverlässig” bezeichnet der Report der
Vereinten Nationen deren Behauptungen. Denn sie würden bedeuten, dass die
al-Shabaab-Milizen fast das ganze Elfenbein aus West-, Zentral- und Ostafrika
an einen einzigen Hafen in Somalia bringt und von dort verschifft. Es ist gut
und wichtig, dass sich Tierschützer gegen die illegale Jagd auf Elefanten und
Nashörnern stemmen. Doch dabei müssen sie sich an Fakten halten. Sonst
überschatten ihre Hilferufe das gesamte Ausmaß des Raubzugs gegen die Umwelt
und setzen ihre und die Glaubwürdigkeit anderer Organisationen aufs Spiel. In
ihrem Report geben die Vereinten Nationen Empfehlungen, wie die Weltgemeinschaft
nun reagieren soll. Die erste lautet: “Nehmt die vielfältigen Aspekte der
Umweltkriminalität wahr.” Ein guter Ansatz.
Quelle: Wiwo Green, Bilder: „The Environmental Crime Crisis“