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Sonntag, 2. November 2014

Supermarktkonzentration: EDEKA ­­­­– das Märchen vom Tante-Emma-Laden



In der Werbung inszeniert sich Edeka als freundlicher Lebensmittelhändler von nebenan und behauptet: „Wir lieben Lebensmittel“? Dabei ist die Supermarktkette längst ein riesiger Konzern, der zunehmend unkontrollierbar wird. Edeka hat angekündigt, sämtliche Filialen von Kaiser’s Tengelmann übernehmen zu wollen. Damit würde die Nummer eins im deutschen Lebensmittelhandel zur – nun ja: unangefochtenen Nummer eins. Vorausgesetzt, dass das Bundeskartellamt zustimmt.  Denn Edeka ist größer als Aldi. Viel größer. Zu Edeka gehören 11.585 Läden mit einer Verkaufsfläche von 10,5 Millionen Quadratmeter. Das entspricht circa 972 Fußballfeldern. Aldi kommt mit seinen Filialen auf gerade einmal 3,45 Millionen Quadratmeter. Mit 43 Milliarden Euro Jahresumsatz (2013) ist Edeka außerdem an der Spitze des deutschen Lebensmittelhandels. Das sind mehr als ein Viertel aller Umsätze, die insgesamt erwirtschaftet werden. Aldi kommt laut „Lebensmittel Zeitung“ auf geschätzte 26 Milliarden (Nord und Süd zusammen).

Zunehmende Konzentrierung

Zum Unternehmen gehören zahlreiche Produktionsbetriebe, in denen Edeka selbst Lebensmittel für den Verkauf herstellt: 15 Fleischwerke, 17 regionale Großbäckereien, ein zentraler Einkauf für Obst, Gemüse, Südfrüchte und Blumen („Fruchtkontor“) und eine eigene Weinkellerei („Weinkontor“). Vor zwei Jahren kaufte Edeka den Safthersteller Elro inklusive Bio-Obst-Plantage und Apfel-Presswerk, der heute unter dem Namen „Sonnländer“ Edeka-Säfte produziert. Edeka besitzt einen eigenen Mineralbrunnen („Schwarzwald Sprudel“), eine Verlagsgesellschaft für sein Kundenmagazin und eine eigene Bank („Edekabank“), die auch um Privatkunden wirbt. Und Edeka wächst weiter: „Der Lebensmitteleinzelhandel ist hochkonzentriert“, stellte das Bundeskartellamt in seiner gerade veröffentlichten  „Sektoruntersuchung“ deutscher Supermärkte und Discounter  fest. Vier Unternehmen verkaufen rund 85 Prozent der Lebensmittel in Deutschland: Rewe, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), Aldi – und, allen anderen voran, Edeka. Diese Position hat sich Edeka unter anderem durch zahlreiche Übernahmen von Mitbewerbern erkämpft: 2005 schluckte Edeka die deutsche Spar-Handelsgesellschaft  und  deren  Discounter, 2008 kamen 2.300 Plus-Filialen von Tengelmann dazu, dazwischen zahlreiche kleinere Unternehmen (Top-Getränke, Trinkauf und Trinkgut). Außerdem gehören die großen Marktkauf-Filialen (mit dem grünen „M“) zu Edeka. Das Kartellamt behandelt Edeka jedoch als „wettbewerblich einheitlich am Markt auftretende Einheit“, weil zwischen den Beteiligten im Verbund kein „funktionsfähiger Wettbewerb“ stattfinde. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert, dass zahlreiche Mitarbeiter nicht nach Tarif bezahlt würden, wenn Edeka Läden einen „nahezu betriebsratsfreien, tarifvertragslosen und damit ungeschützten Bereich, der vielfach mit Dumpinglöhnen den Verdrängungswettbewerb weiter anheizt“.

Edeka hat (zuviel) Macht

Man wolle den Mitarbeitern „eine gute Zukunftsperspektive geben“, versprach der Edeka-Vorstandsvorsitzende Markus Mosa, als bekannt wurde, dass die Tengelmann-Märkte an Edeka gehen sollen – und tat so, als seien er und sein Unternehmen die Lösung. Dabei ist Edeka vor allem Teil des Problems. Den Ausstieg aus dem Markt hatte Tengelmann damit begründet, dass man mit 451 Filialen „zu klein [sei], um weiterhin im Markt eine Chance zu haben“. Das liegt vor allem daran, dass die Großen immer größer werden – allen voran: Edeka. Das Kartellamt urteilt: „Die Unternehmen der Spitzengruppe sind weitgehend in der Lage, ihre starke Marktposition in den Verhandlungen mit der Lebensmittelindustrie zu ihrem Vorteil zu nutzen.“ Die großen Ketten seien das „Nadelöhr“ für Hersteller von Markenprodukten, die ihre Produkte ins Regal bringen wollen. Je weniger Möglichkeiten ein Hersteller hat, auf andere – zum Beispiel kleinere – Supermarktketten auszuweichen, desto größer wird seine Abhängigkeit. Edeka ist mit Abstand der größte Einkäufer von Markenprodukten in Deutschland. Hohe Beschaffungsmengen seien (neben anderen Vorteilen) dazu geeignet, „erfolgreich Preiswettbewerb gegen ressourcenschwächere Wettbewerber zu führen“, urteilt das Kartellamt. Edeka-Chef Markus Mosa fühlt sich und sein Unternehmen ungerecht behandelt und hat   sich   gerade   per   Brief   bei   Bundestagsabgeordneten  über das Kartellamt beschwert.

Etikettenschwindel bei Edeka

Für seine eigenen Produktionsbetriebe verspricht Edeka „ein Höchstmaß an Qualitätskontrolle und Lebensmittel- sicherheit“ durch die „geschlossene Prozesskette von der Herstellung bis in die Ladentheke“. Im August  berichteten  NDR und Zeit online allerdings über Tierschutzverstöße in Schweinemastbetrieben, die das Edeka-Fleischwerk „Gutfleisch“ belieferten; die Verbraucherzentrale Hamburg bemängelte „Etikettenschwindel,  weil unter dem Namen „Gutfleisch“ nicht nur regionale Erzeugnisse verkauft würden, sondern ein „Sammelsurium von Fleisch- und Wurstprodukten“. Dass Edeka mit solchen Missständen wenig souverän umgeht, passt kaum zu dem Bild, das der Konzern von sich in der Werbung zeichnet. Dort inszeniert Edeka sich als charmanter Kaufladen von nebenan, bei dem alles frisch vom Bauern um die Ecke kommt und Mitarbeiter in sauberen Kitteln augenzwinkernd auch den ausgefallensten Kundenwunsch erfüllen. Fraglos schaffen es einzelne Kaufleute durch persönliche Beratung, moderne Ladengestaltung und individuelle Sortimente bei Kunden Vertrauen aufzubauen. Fehlt das individuelle Engagement, wird dieser Gestaltungseinfluss aber im Laden schnell zum Nachteil. Edeka selbst begreift sich als „Meister im Schaffen von Genusswelten“, als „Taktgeber für Innovationen“, als „qualifizierter Nahversorger Deutschlands“, der „für Lebensmittelqualität und Genuss steht“. Im Moment sieht es eher so aus, als stehe Edeka für das, was im deutschen Lebensmittelhandel schief läuft, wenn einzelne Unternehmen zu großen Einfluss ansammeln.
Quelle: Krautreporter.de/Peer Schader, Supermarktmacht.de