In der Werbung inszeniert sich Edeka als freundlicher
Lebensmittelhändler von nebenan und behauptet: „Wir lieben Lebensmittel“? Dabei
ist die Supermarktkette längst ein riesiger Konzern, der zunehmend
unkontrollierbar wird. Edeka hat angekündigt, sämtliche Filialen von Kaiser’s
Tengelmann übernehmen zu wollen. Damit würde die Nummer eins im deutschen
Lebensmittelhandel zur – nun ja: unangefochtenen Nummer eins. Vorausgesetzt,
dass das Bundeskartellamt zustimmt. Denn
Edeka ist größer als Aldi. Viel größer. Zu Edeka gehören 11.585 Läden mit einer
Verkaufsfläche von 10,5 Millionen Quadratmeter. Das entspricht circa 972
Fußballfeldern. Aldi kommt mit seinen Filialen auf gerade einmal 3,45 Millionen
Quadratmeter. Mit 43 Milliarden Euro Jahresumsatz (2013) ist Edeka außerdem an
der Spitze des deutschen Lebensmittelhandels. Das sind mehr als ein Viertel
aller Umsätze, die insgesamt erwirtschaftet werden. Aldi kommt laut
„Lebensmittel Zeitung“ auf geschätzte 26 Milliarden (Nord und Süd zusammen).
Zunehmende Konzentrierung
Zum Unternehmen gehören zahlreiche Produktionsbetriebe, in denen Edeka
selbst Lebensmittel für den Verkauf herstellt: 15 Fleischwerke, 17 regionale
Großbäckereien, ein zentraler Einkauf für Obst, Gemüse, Südfrüchte und Blumen
(„Fruchtkontor“) und eine eigene Weinkellerei („Weinkontor“). Vor zwei Jahren
kaufte Edeka den Safthersteller Elro inklusive Bio-Obst-Plantage und Apfel-Presswerk,
der heute unter dem Namen „Sonnländer“ Edeka-Säfte produziert. Edeka besitzt
einen eigenen Mineralbrunnen („Schwarzwald Sprudel“), eine Verlagsgesellschaft
für sein Kundenmagazin und eine eigene Bank („Edekabank“), die auch um
Privatkunden wirbt. Und Edeka wächst weiter: „Der Lebensmitteleinzelhandel ist
hochkonzentriert“, stellte das Bundeskartellamt in seiner gerade
veröffentlichten „Sektoruntersuchung“
deutscher Supermärkte und Discounter
fest. Vier Unternehmen verkaufen rund 85 Prozent der Lebensmittel in
Deutschland: Rewe, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), Aldi – und, allen
anderen voran, Edeka. Diese Position hat sich Edeka unter anderem durch
zahlreiche Übernahmen von Mitbewerbern erkämpft: 2005 schluckte Edeka die
deutsche Spar-Handelsgesellschaft
und deren Discounter, 2008 kamen 2.300 Plus-Filialen
von Tengelmann dazu, dazwischen zahlreiche kleinere Unternehmen (Top-Getränke,
Trinkauf und Trinkgut). Außerdem gehören die großen Marktkauf-Filialen (mit dem
grünen „M“) zu Edeka. Das Kartellamt behandelt Edeka jedoch als „wettbewerblich einheitlich am
Markt auftretende Einheit“, weil zwischen den Beteiligten im Verbund kein
„funktionsfähiger Wettbewerb“ stattfinde. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert, dass zahlreiche Mitarbeiter nicht
nach Tarif bezahlt würden, wenn Edeka Läden einen „nahezu betriebsratsfreien,
tarifvertragslosen und damit ungeschützten Bereich, der vielfach mit
Dumpinglöhnen den Verdrängungswettbewerb weiter anheizt“.
Edeka hat (zuviel) Macht
Man wolle den Mitarbeitern „eine gute Zukunftsperspektive geben“,
versprach der Edeka-Vorstandsvorsitzende Markus Mosa, als bekannt wurde, dass
die Tengelmann-Märkte an Edeka gehen sollen – und tat so, als seien er und sein
Unternehmen die Lösung. Dabei ist Edeka vor allem Teil des Problems. Den
Ausstieg aus dem Markt hatte Tengelmann damit begründet, dass man mit 451
Filialen „zu klein [sei], um weiterhin im Markt eine Chance zu haben“. Das
liegt vor allem daran, dass die Großen immer größer werden – allen voran:
Edeka. Das Kartellamt urteilt: „Die Unternehmen der Spitzengruppe sind
weitgehend in der Lage, ihre starke Marktposition in den Verhandlungen mit der
Lebensmittelindustrie zu ihrem Vorteil zu nutzen.“ Die großen Ketten seien das
„Nadelöhr“ für Hersteller von Markenprodukten, die ihre Produkte ins Regal
bringen wollen. Je weniger Möglichkeiten ein Hersteller hat, auf andere – zum
Beispiel kleinere – Supermarktketten auszuweichen, desto größer wird seine
Abhängigkeit. Edeka ist mit Abstand der größte Einkäufer von Markenprodukten in
Deutschland. Hohe Beschaffungsmengen seien (neben anderen Vorteilen) dazu
geeignet, „erfolgreich Preiswettbewerb gegen ressourcenschwächere Wettbewerber
zu führen“, urteilt das Kartellamt. Edeka-Chef Markus Mosa fühlt sich und sein
Unternehmen ungerecht behandelt und hat
sich gerade per
Brief bei Bundestagsabgeordneten über das Kartellamt beschwert.
Etikettenschwindel bei Edeka
Für seine eigenen Produktionsbetriebe verspricht Edeka „ein Höchstmaß
an Qualitätskontrolle und Lebensmittel- sicherheit“ durch die „geschlossene
Prozesskette von der Herstellung bis in die Ladentheke“. Im August berichteten
NDR und Zeit online allerdings über Tierschutzverstöße in
Schweinemastbetrieben, die das Edeka-Fleischwerk „Gutfleisch“ belieferten; die
Verbraucherzentrale Hamburg bemängelte „Etikettenschwindel, weil unter dem Namen „Gutfleisch“ nicht nur
regionale Erzeugnisse verkauft würden, sondern ein „Sammelsurium von Fleisch-
und Wurstprodukten“. Dass Edeka mit solchen Missständen wenig souverän umgeht,
passt kaum zu dem Bild, das der Konzern von sich in der Werbung zeichnet. Dort
inszeniert Edeka sich als charmanter Kaufladen von nebenan, bei dem alles frisch
vom Bauern um die Ecke kommt und Mitarbeiter in sauberen Kitteln augenzwinkernd
auch den ausgefallensten Kundenwunsch erfüllen. Fraglos schaffen es einzelne
Kaufleute durch persönliche Beratung, moderne Ladengestaltung und individuelle
Sortimente bei Kunden Vertrauen aufzubauen. Fehlt das individuelle Engagement,
wird dieser Gestaltungseinfluss aber im Laden schnell zum Nachteil. Edeka selbst
begreift sich als „Meister im Schaffen von Genusswelten“, als „Taktgeber für
Innovationen“, als „qualifizierter Nahversorger Deutschlands“, der „für
Lebensmittelqualität und Genuss steht“. Im Moment sieht es eher so aus, als
stehe Edeka für das, was im deutschen Lebensmittelhandel schief läuft, wenn
einzelne Unternehmen zu großen Einfluss ansammeln.
Quelle: Krautreporter.de/Peer
Schader, Supermarktmacht.de