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Montag, 28. Juli 2014

Verantwortungslosigkeit – Kik macht Rückzieher bei Entschädigungszahlungen



Öffentlicher Druck ist entscheidend, wenn es darum geht, Unternehmen wie den deutschen Billigklamottenverkäufer KiK Textildiskont für Menschenrechtsverletzungen und Sicherheitsmängel in ihren Zulieferbetrieben in Fernost in die Pflicht zu nehmen. Dies ist die Überzeugung von Frauke Banse von der Kampagne für Saubere Kleidung, der deutschen Sektion der Clean Clothes Campaign (CCC). Denn aktuelle Gespräche mit KiK-Vertretern in Amsterdam zu Entschädigungszahlungen - in Anwesenheit von Faisal Siddiqi, Rechtsanwalt der Hinterbliebenen der Brandkatastrophe in einer Fabrik des pakistanischen Textilunternehmens Ali Enterprises im September 2012: KiK lehnt weitere Zahlungen ab. Die Katastrophe, um die es geht, geriet – wie der Brand in der Fabrik Tazreen Fashion in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka mit 100 Toten im November desselben Jahres – in Westeuropa schnell nahezu in Vergessenheit. Der Grund: Der Einsturz des ebenfalls in Dhaka gelegenen Rana-Plaza-Gebäudes, bei dem am 24. April 2013 1138 Textilarbeiterinnen und -arbeiter starben und mehr als 2000 verletzt wurden, verdrängte die vielen vorangegangenen Desaster aus den Schlagzeilen.

Der Brand: Fenster vergittert, Haupttor verschlossen

In Karatschi war am Abend des 11. September 2012 in einer nicht offiziell registrierten Textilfabrik aufgrund eines Kurzschlusses ein Feuer ausgebrochen. Dabei starben mindestens 254 Arbeiterinnen und Arbeiter, 55 wurden zum Teil schwer verletzt. Die Zahl der Opfer war so hoch, weil viele der 1500 Menschen, die dort an sechs Tagen pro Woche jeweils bis zu 14 Stunden für Hungerlöhne schufteten, faktisch im Gebäude gefangen waren. Die meisten der wenigen Fenster waren vergittert, das Haupttor verschlossen. Wenig später stellte sich heraus, daß in der Fabrik fast ausschließlich für den deutschen KiK-Konzern Kleidung hergestellt wurde. Am 21. Dezember unterzeichnete KiK-Geschäftsführer Michael Arretz eine Übereinkunft mit dem Pakistan Institute of Labour Education & Research (PILER), einer Organisation von Gewerkschaftsaktivisten, für die auch Anwalt Siddiqi arbeitet. In dem dreiseitigen Vertrag ist festgehalten, daß das Unternehmen mit Sitz im westfälischen Bönen den Hinterbliebenen und Verletzten insgesamt eine Million US-Dollar (740000 Euro) an Soforthilfe zahlt. Dies ist inzwischen auch geschehen. Im folgenden Satz heißt es, der »Beitrag« des Konzerns zur weiteren »Langzeitentschädigung« werde durch weitere Verhandlungen bestimmt.

Kik macht Rückzieher - hilft eine Klage?

Davon ist jetzt keine Rede mehr. Die KiK-Verantwortlichen vertreten inzwischen die Auffassung, »daß wir durch die Zahlung von einer Million US-Dollar sowohl zur kurzfristigen als auch zur langfristigen Unterstützung der Betroffenen bereits einen anteiligen Beitrag geleistet haben«. Künftige Hilfen müßten »von einer breiten Allianz getragen und gemeinsam ermittelt werden«, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens vom Freitag. PILER erwägt nun gemeinsam mit der in Berlin ansässigen Menschenrechtsorganisation ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights) eine Klage wegen Vertragsbruchs vor einem deutschen Gericht. Miriam Saage-Maaß vom ECCHR hält ein solches Verfahren jedoch für sehr riskant. Nötig wäre, so die Rechtsanwältin, eine Anpassung des Straf- und Zivilrechts an die modernen Wirtschaftsbeziehungen, die durch »lange Lieferketten« geprägt sind. Diese Ketten mit zahllosen Subunternehmern seien von international agierenden Unternehmen gewollt, um stets sagen zu können, man habe von unhaltbaren Zuständen bei Zulieferern nichts gewußt. Saage-Maaß sieht hier ein »System der organisierten Verantwortungslosigkeit«. CCC, ECCHR und die Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation Medico International setzen wegen dieser Rechtslage, die lange Verfahren und damit ein Zuspätkommen von Zahlungen an die vielfach bittere Not leidenden Familien der beim Brand ums Leben gekommenen Beschäftigten befürchten läßt, in erster Linie darauf, erneut den öffentlichen Druck auf KiK zu erhöhen.
Quelle: TZ JW