Öffentlicher Druck ist
entscheidend, wenn es darum geht, Unternehmen wie den deutschen
Billigklamottenverkäufer KiK Textildiskont für Menschenrechtsverletzungen und
Sicherheitsmängel in ihren Zulieferbetrieben in Fernost in die Pflicht zu
nehmen. Dies ist die Überzeugung von Frauke Banse von der Kampagne für Saubere
Kleidung, der deutschen Sektion der Clean Clothes Campaign (CCC). Denn aktuelle
Gespräche mit KiK-Vertretern in Amsterdam zu Entschädigungszahlungen - in
Anwesenheit von Faisal Siddiqi, Rechtsanwalt der Hinterbliebenen der
Brandkatastrophe in einer Fabrik des pakistanischen Textilunternehmens Ali
Enterprises im September 2012: KiK lehnt weitere Zahlungen ab. Die Katastrophe,
um die es geht, geriet – wie der Brand in der Fabrik Tazreen Fashion in
Bangladeschs Hauptstadt Dhaka mit 100 Toten im November desselben Jahres – in
Westeuropa schnell nahezu in Vergessenheit. Der Grund: Der Einsturz des ebenfalls
in Dhaka gelegenen Rana-Plaza-Gebäudes, bei dem am 24. April 2013 1138 Textilarbeiterinnen
und -arbeiter starben und mehr als 2000 verletzt wurden, verdrängte die vielen
vorangegangenen Desaster aus den Schlagzeilen.
Der Brand: Fenster
vergittert, Haupttor verschlossen
In Karatschi war am Abend des 11.
September 2012 in einer nicht offiziell registrierten Textilfabrik aufgrund
eines Kurzschlusses ein Feuer ausgebrochen. Dabei starben mindestens 254
Arbeiterinnen und Arbeiter, 55 wurden zum Teil schwer verletzt. Die Zahl der
Opfer war so hoch, weil viele der 1500 Menschen, die dort an sechs Tagen pro
Woche jeweils bis zu 14 Stunden für Hungerlöhne schufteten, faktisch im Gebäude
gefangen waren. Die meisten der wenigen Fenster waren vergittert, das Haupttor
verschlossen. Wenig später stellte sich heraus, daß in der Fabrik fast ausschließlich
für den deutschen KiK-Konzern Kleidung hergestellt wurde. Am 21. Dezember
unterzeichnete KiK-Geschäftsführer Michael Arretz eine Übereinkunft mit dem
Pakistan Institute of Labour Education & Research (PILER), einer Organisation
von Gewerkschaftsaktivisten, für die auch Anwalt Siddiqi arbeitet. In dem
dreiseitigen Vertrag ist festgehalten, daß das Unternehmen mit Sitz im
westfälischen Bönen den Hinterbliebenen und Verletzten insgesamt eine Million
US-Dollar (740000 Euro) an Soforthilfe zahlt. Dies ist inzwischen auch
geschehen. Im folgenden Satz heißt es, der »Beitrag« des Konzerns zur weiteren
»Langzeitentschädigung« werde durch weitere Verhandlungen bestimmt.
Kik macht Rückzieher
- hilft eine Klage?
Davon ist jetzt keine Rede mehr.
Die KiK-Verantwortlichen vertreten inzwischen die Auffassung, »daß wir durch
die Zahlung von einer Million US-Dollar sowohl zur kurzfristigen als auch zur
langfristigen Unterstützung der Betroffenen bereits einen anteiligen Beitrag
geleistet haben«. Künftige Hilfen müßten »von einer breiten Allianz getragen
und gemeinsam ermittelt werden«, heißt es in einer Stellungnahme des
Unternehmens vom Freitag. PILER erwägt nun gemeinsam mit der in Berlin
ansässigen Menschenrechtsorganisation ECCHR (European Center for Constitutional
and Human Rights) eine Klage wegen Vertragsbruchs vor einem deutschen Gericht.
Miriam Saage-Maaß vom ECCHR hält ein solches Verfahren jedoch für sehr riskant.
Nötig wäre, so die Rechtsanwältin, eine Anpassung des Straf- und Zivilrechts an
die modernen Wirtschaftsbeziehungen, die durch »lange Lieferketten« geprägt
sind. Diese Ketten mit zahllosen Subunternehmern seien von international
agierenden Unternehmen gewollt, um stets sagen zu können, man habe von
unhaltbaren Zuständen bei Zulieferern nichts gewußt. Saage-Maaß sieht hier ein
»System der organisierten Verantwortungslosigkeit«. CCC, ECCHR und die
Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation Medico International setzen wegen
dieser Rechtslage, die lange Verfahren und damit ein Zuspätkommen von Zahlungen
an die vielfach bittere Not leidenden Familien der beim Brand ums Leben gekommenen
Beschäftigten befürchten läßt, in erster Linie darauf, erneut den öffentlichen
Druck auf KiK zu erhöhen.
Quelle: TZ JW