Haben Sie in letzter Zeit
Garnelen gegessen? Wenn diese aus Thailand kamen, dann könnte Ihnen gleich der
Appetit vergehen. Journalisten der britischen Zeitung The Guardian haben vor
Kurzem aufgedeckt, dass für die Zucht der Tiere Menschen versklavt werden.
Nicht auf den Shrimps-Farmen selbst, sondern auf den Schiffen, die Fische
fangen, die als Mehl an die Krustentiere verfüttert werden. Vor allem Arbeiter
aus Burma und Kambodscha müssen auf diesen modernen Sklavengaleeren bis zu
zwanzig Stunden arbeiten, sie werden geschlagen und gefoltert. Manche berichten von Exekutionen an Bord.
Wer schlapp macht, bekommt Drogen eingeflößt. Kapitäne verkaufen die Menschen
für wenige hundert Euro auf andere Schiffe weiter.
Ist ja alles zum Glück weit
weg, oder?
Im Zentrum der
Guardian-Recherchen steht das thailändische Unternehmen Charoen Pokphand Foods
(CPF), der größte Betreiber von Shrimpsfarmen in Thailand und das größte
Lebensmittelunternehmen des Landes. Laut Guardian kaufte es massenhaft
Fischmehl von den Sklavenschiffen, um die Shrimps in seinen Aquakulturen zu
füttern. CPF lieferte seine Ware auch
an mindestens ein deutsches Unternehmen, nämlich Apetito Convenience.
Das wiederum packte die Tiere in tiefgekühlte Fertigpasta-Gerichte, die Aldi
Nord im Sortiment hat, wie der Discounter bestätigte. Nach Angaben von Apetito seien
die CPF-Garnelen 2013 in Thailand nur für eine Sonderaktion bestellt und nur in
Produkten für Aldi Nord verwendet worden. Außerdem seien im Jahr 2012
Mitarbeiter von Apetito in Thailand gewesen, um die Farmen und
Verarbeitungsstätten in Augenschein zu nehmen. Zu beanstanden war
offensichtlich nichts.
Wenig Erfolg versprechender Aktionismus
Aldi will gegenüber Apetito handeln. Das Unternehmen schreibt: “Sollten
sich die erhobenen Vorwürfe bestätigen, werden wir umgehend Sanktionen
einleiten. Diese können die Auslistung des betreffenden Produkts aus unserem
Sortiment, den Wechsel der Rohwarenlieferanten sowie die Beendigung des
Geschäftsverhältnisses mit dem direkten Lieferanten umfassen.” Auch CPF selbst
will nun reagieren. Die Probleme mit den Fangschiffen waren dort wohl schon seit
längerem bekannt. Zur Not werde man ab 2021 “alternative Proteinquellen in der
Garnelenzucht nutzen”, sagten Unternehmensvertreter gegenüber dem Guardian. Sowohl
Aldi Nord als auch Apetito verweisen darauf, dass die Garnelen von Charoen
Pokphand Foods zertifiziert gewesen seien. Und zwar von GLOBALG.A.P., dem
weltweit führenden Standard für die landwirtschaftliche Unternehmensführung,
der garantiert, dass die Kunden “ein Qualitätsfischprodukt aus zertifizierter
Aquakultur gekauft haben”.
Zertifizierungen versagen auf ganzer Linie
Die Kölner bescheinigen unter anderem auch Garnelen aus Aquafarmen ein
gutes Gewissen. An den Arbeitsbedingungen auf den CPF-Fischfarmen selbst hatten
die Kölner nach eigener Aussage nichts zu beanstanden. Für den
Zertifizierungsprozess verfolgen sie das Produkt von der Herstellung (also der
Farm) bis zum Verpackungsstandort. Die Kölner geben aber zu: Die Lieferanten
für Fischmehl müssen zwar eine Lizenz zum Fischen und eine staatliche Zulassung
haben. “Eine weitere Überprüfung der Zulieferer ist aber nicht Teil des
Standards.” Die Mitarbeiter von Apetito wiederum, so schreibt es das
Unternehmen in einer Stellungnahme, hatten auf die Überprüfung des Fischmehls
bei ihrem Besuch in Thailand im Jahr 2012 verzichtet, weil dieses schließlich
von GLOBALG.A.P. zertifiziert worden sei. Um das allerletzte Ende in der
Lieferkette für die Shrimpsproduktion kümmerte sich demnach niemand.
Lieferketten immer komplexer
Um Skandale wie den aktuellen zu vermeiden, will Aldi Nord künftig
verstärkt auf mit dem Aquaculture
Stewardship Council-Siegel zertifizierten Fisch setzen. Das soll
garantieren, dass Fischfutter bis zum Ursprung “lückenlos” zurückverfolgt
werden kann. Ob das wirklich etwas bringt? Wohl eher nicht. Denn was der aktuelle Fall sehr deutlich zeigt: Die
Lieferketten in einer hyperglobalisierten Welt sind so komplex und kleinteilig
geworden, dass die Unternehmen mit einer funktionierenden Kontrolle dessen, was
sie verkaufen, zunehmend überfordert sind – allen guten Worten, Versprechungen,
Siegeln und Zertifizierungen zum Trotz.
Quelle: WiWoGreen