Kaum ein Kreuzfahrtschiff, das in den kommenden Jahren in
Europa unterwegs sein wird, ist aus Gesundheits- und Umweltsicht
empfehlenswert. Dies ist das Ergebnis einer Analyse des Naturschutzbund
Deutschland e. V. (NABU). Der Umweltverband untersuchte alle 20 der bis 2016
für den europäischen Markt vom Stapel laufenden Kreuzfahrtschiffe auf ihre Abgastechnik
und deren Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Gesundheit hin. Ein einziges
modernes Kreuzfahrtschiff stößt täglich rund 450 Kilogramm Rußpartikel, 5.250 Kilogramm
Stickoxide und 7.500 Kilogramm Schwefeldioxide aus. Die Luftschadstoffbelastung,
die von den untersuchten 20 Kreuzfahrtschiffen ausgeht, entspricht damit
insgesamt derjenigen von rund 120 Millionen modernen Pkw.
Branchenführer AIDA fährt ohne Abgastechnik
Am besten schneiden die Anbieter TUI und Hapag Lloyd ab.
Beide setzen mit Stickoxid-Katalysatorenerstmals bei Kreuzfahrtschiffen auf wirksame Abgastechnik.
Allerdings fehlt auch ihnen weiter ein Rußpartikelfilter. Klarer Verlierer des
NABU-Kreuzfahrtrankings ist AIDA. Beim Branchenführer klaffen Anspruch und
Wirklichkeit am weitesten auseinander. "AIDA wird bis auf Weiteres ohne
jegliche Abgastechnik unterwegs sein. Seinen jährlich mehr als 600.000 Gästen pustet
das Unternehmen damit weiter hochgradig giftige Abgase um die Nase", sagte
NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger.
Greenwashing statt Filter
Insgesamt, so zeigt die Analyse, werden 17 der 20 Schiffe
über keinerlei Abgasreinigung verfügen. Und das, obwohl die Technik längst
verfügbar und im Vergleich zu den Gesamtkosten der Schiffe erschwinglich ist.
Pro Schiff, so der NABU-Verkehrsexperte, koste ein wirksames Abgassystem maximal
eine Million Euro - bei Gesamtinvestitionen von insgesamt 9,7 Milliarden Euro
für alle Neubauten bis 2016 mache dies gerade einmal 0,2 Prozent aller Kosten
aus. "Es ist beschämend, dass AIDA, Costa und Royal Carribean lieber Millionen
in teure Greenwashing-Kampagnen stecken, als tatsächlich einmal Geld in die
Hand zu nehmen und in ein funktionierendes Abgassystem zu investieren", so
Oeliger. Obwohl die Gesundheitsgefahr, die von ungefilterten Stickoxiden und Rußpartikeln
ausgeht, auch den Reedereien hinreichend bekannt ist, seien diese weiterhin
nicht bereit, flächendeckend Katalysatoren und Filter einzubauen und die
Abgasbelastung so um weit mehr als 90 Prozent zu senken.
Giftiges Schweröl weiter im Einsatz
Rußpartikel dringen tief in die Lunge ein, sind Krebs
erregend und können Herzinfarkte verursachen. Unlängst haben auch die
Weltgesundheitsorganisation WHO und die deutsche Wissenschaftsorganisation
Helmholtz-Gemeinschaft die massive Gefährdung von Anwohnern, Gästen und
Crewmitgliedern durch Schiffsabgase bestätigt. Rußpartikel aus Dieselmotoren
sind demnach mit der Giftigkeit von Asbest gleichzusetzen. "Aus
gesundheitlichen Gründen ist zurzeit auf keinem einzigen Kreuzfahrtschiff
Urlaub ratsam", so Axel Friedrich, weltweit anerkannter Experte für
Luftreinhaltung. Erschwerend kommt hinzu, dass alle Reeder weiter auf Schweröl
als Kraftstoff setzen. "Schweröl enthält Unmengen an giftigen Substanzen,
die bei der Verbrennung in die Atemluftgelangen. Auch im Falle einer Havarie birgt es erhebliche
Gefahren für die Meeresökologie. So genannte 'Scrubber', wie verschiedene
Reeder sie einsetzen wollen, senken zwar die Schwefeldioxidbelastung. Doch ihre
Auswirkungen auf die Umwelt sind durch Reststoffe und die verlängerte Nutzung
von Schweröl inakzeptabel", so Friedrich. Eine Umstellung auf den vergleichsweise
sauberen Schiffsdiesel wäre dabei sofort möglich.
Hafenbewohner durch Kreuzfahrtschiffe belastet
Zusätzlich ist die gesundheitliche Belastung für
Hafenanwohner in den vergangenen Jahren durch Kreuzfahrtschiffe enorm
gestiegen. Derzeit liegen die Ozeanriesen mit laufenden Motoren inmitten der
Hafenstädte vor Anker und pusten so Unmengen an Abgasen in die Luft. Die von
den Reedereien seit Langem angekündigte emissionsreduzierte Stromversorgung während
der Liegezeit, zum Beispiel im Hamburger Hafen, fehlt immer noch. "Die Verzögerungstaktik
der Reedereien ist angesichts zunehmender Kreuzfahrtschiffanläufe und der
wachsenden Belastung von Gästen und Anwohnern so unverständlich wie unverantwortlich",
sagte der Umweltexperte des NABU Hamburg, Malte Siegert. Schon für dieses Jahr
hatten TUI und AIDA jeweils mit Flüssiggas betriebene Versorgungssysteme versprochen,
um ihre Maschinen im Hafen teilweise abschalten zu können. "Die werbewirksamen
Schlagzeilen haben die Unternehmen eingefahren, während ihre Schiffe heute noch
immer mit wenig Rücksicht auf Verluste Dreck durch die Schornsteine
ausstoßen", so Siegert.
WAS KÖNNEN WIR TUN? TIPPS VOM NABU unter:
www.nabu.de/themen/verkehr/schifffahrt/mirstinkts/14070.html
www.nabu.de/themen/verkehr/schifffahrt/mirstinkts/14070.html
NABU-Trickfilm zur Verschmutzung von Kreuzfahrtschiffen: