Ja, glaubt man den Ergebnissen von Experimenten, die Ökonomen der Universitäten Bonn und Bamberg durchgeführt haben. Ihre
Schlussfolgerungen werden in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Science"
präsentiert.
Anspruch und Realität
Theoretisch ist wohl so gut wie niemand für Kinderarbeit, Ausbeutung oder etwa tierquälerische Fleischproduktion. In der
Praxis ignorieren wir diese moralischen Ansprüche aber oftmals. Dann jagen wir
als Konsumenten Billigangeboten hinterher. Ernst nehmen wir die Moral bei
wirtschaftlich relevanten Entscheidungen tendenziell eher, wenn wir diese alleine
treffen, als wenn wir kollektiv handeln. Das konnten die Ökonomen Prof. Dr.
Armin Falk von der Universität Bonn und Prof. Dr. Nora Szech von der
Universität Bamberg in einem Experiment nachweisen.
Geld oder Maus?
In verschiedenen Testanordnungen wurden Hunderte Teilnehmer vor eine moralische
Entscheidung gestellt: entweder auf einen bestimmten in Aussicht gestellten
Geldbetrag verzichten und damit das Leben einer Maus retten, oder das Geld nehmen
und die Maus opfern. Bei den Tieren handelte es sich um Mäuse, die für die
Forschung nicht mehr gebraucht und eingeschläfert werden. Entschied sich eine
Testperson für die Maus statt des Geldes, wurde die Maus von den Leitern der
Studie gekauft. Durch das Experiment hatten die Probanden somit die Möglichkeit,
aktiv Mäuseleben zu retten.
Märkte erodieren moralische Werte
Ein Teil der Probanden hatte die moralische Entscheidung für das Geld oder
die Maus individuell zu treffen, andere taten dies im Rahmen einer bilateralen (ein Käufer und ein Verkäufer) oder einer multilateralen
Marktsituation (größere Anzahl von Käufern und Verkäufern). Wichtigstes
Ergebnis der Studie: In Marktbedingungen mit mehreren Akteuren sind wesentlich
mehr Probanden bereit, Mäuse für Geld zu töten. Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler:
Märkte führen zu einer Erosion moralischer Werte.
Gemeinsam sündigt es sich leichter
Denn in Märkten mit mehreren Käufern und Verkäufern können Schuldgefühle mit
anderen geteilt werden und man erfährt, dass andere auch nicht immer moralisch
einwandfrei agieren. Moralisch verwerflich zu handeln, ist also in Märkten
leichter. Der Einzelne kann sich rechtfertigen, nur einen geringen Einfluss auf
das Geschehen zu haben, getreu dem Motto: „Kaufe oder verkaufe ich nicht, tut
es jemand anderes." Dieser Umstand verliert bei moralisch neutralen
Konsumgütern allerdings an Bedeutung, denn wenn man sich nicht schuldig fühlt,
benötigt man auch keinen weiteren Marktteilnehmer, um sein Gewissen zu
beruhigen.
Abstract in englischer Sprache: http://www.sciencemag.org/content/340/6133/707.abstract
Abstract in englischer Sprache: http://www.sciencemag.org/content/340/6133/707.abstract