1.200 Tote, 2.500 Verletzte – auf den Einsturz einer
Textilfabrik in Bangladesch Ende April sowie jüngst den Brand in einem Nähwerk
in Kambodscha hat die internationale Textilbranche mit einem Brand- und
Gebäudeschutzabkommen reagiert. Diesem sind neben KiK, Aldi, Primark, G-Star auch PVH, Tchibo,
Inditex/ Zara, C&A und andere beigetreten. Dieser Initiative noch nicht
angeschlossen haben sich Unternehmen wie Lidl, Metro, Otto, Ernsting, sOliver,
Baumhüter, NKD oder PUMA.
Die Kampagne für Saubere Kleidung begrüßt diesen Schritt als einen „Weg für mehr Sicherheit
in Bangladeschs Textilfabriken“. Und
doch klammere das Abkommen viele andere wichtige Probleme in der Modeindustrie
aus, kritisiert Bettina Musiolek von der Kampagne in einem Interview mit der
Sächsischen Zeitung:
Frau Musiolek, mehrere Handelskonzerne von A wie Aldi bis Z wie Zara haben sich diese Woche bereit erklärt, mehr in die Sicherheit ihrer Zulieferfabriken zu investieren. Ist nun alles gut?
Frau Musiolek, mehrere Handelskonzerne von A wie Aldi bis Z wie Zara haben sich diese Woche bereit erklärt, mehr in die Sicherheit ihrer Zulieferfabriken zu investieren. Ist nun alles gut?
Nein.
Ein Abkommen zu unterzeichnen ist das eine. Es umzusetzen das andere. Jetzt
geht es um praktische Fragen: Steuern die Firmen finanziell zu den überfälligen
Reparaturen bei oder erhöhen sie die Einkaufspreise, sodass die Fabriken in
Bangladesch sich die Reparaturen auch leisten können? Außerdem bleiben davon
andere massive Probleme in der Bekleidungsherstellung und in den Sweatshops
unberührt: Der Hungerlohn, der flächendeckend gezahlt wird – wenn er überhaupt
gezahlt wird! In Bulgarien etwa erhalten Näherinnen oft keinen Lohn für ihre
Arbeit, geschweige denn Sozialversicherung. Und was ist mit dem Baumwollanbau,
wo Böden zerstört und Pflückerinnen vergiftet werden?
Welche Zustände in den „Sweatshops“ prangern Sie an?
Welche Zustände in den „Sweatshops“ prangern Sie an?
Weit
verbreitet sind Probleme bei den elektrischen Anlagen in den Fabriken. Viele
wurden nicht fachgerecht konstruiert. Notausgänge sind oft verstellt. Ausgänge
verschlossen. Die Fabriken sind Todesfallen. Und das weiß jeder in der Branche!
Hinzu kommen in der Regel Löhne, die man nur als Hungerlöhne bezeichnen kann.
In Mazedonien verdienen die Näherinnen etwa 100 Euro in der normalen
Arbeitszeit. Dagegen läge ein existenzsichernder Lohn bei etwa 600 Euro. Wegen
dieser Billigstlöhne müssen die Frauen Überstunden bis zum Umfallen machen. In
Kambodscha bleibt den Frauen nach Abzug von Miete, Kleidung, Zahnpasta und
Seife noch 75 Cent pro Tag, um sich Essen zu kaufen. Die Frauen sind chronisch
unterernährt. Und doch auch oft die Ernährer ihrer Familien.
Textilanbieter wie H&M, Tchibo & Co. verweisen auf ihren Internetseiten gerne darauf, auf die Zahlung von Mindestlöhnen und eine saubere Produktion zu achten. Alles Lug und Trug?
Zum Teil ja. Die Handelsketten bezahlen Auditfirmen, die Fabriken prüfen sollen. Alle jüngst eingestürzten und abgebrannten Fabriken sind von solchen Prüfern zertifiziert worden. Wieviel soll man also auf solche Prüfungen geben? Und doch gibt es große Unterschiede zwischen den Handelshäusern. Einige, wie Hess Natur oder Jack Wolfskin, sagen, „o.k., wir brauchen unabhängige Kontrollen, alles andere ist nicht glaubwürdig“. Sie schließen sich unabhängigen Organisationen an, die ihnen auf dem Weg zu Menschenrechten in der Mode helfen und ihre Fabriken anschauen, ohne sich bestechen zu lassen. Doch auch diese unabhängigen Kontrollorganisationen würden nie eine Garantie übernehmen oder behaupten, „alle Kleidungsstücke, die unsere Mitglieder nähen lassen, sind ‚sauber‘“. Wenn Ihnen jemand so etwas sagt, müssen bei Ihnen alle Alarmglocken angehen! Dennoch bin ich überzeugt: Man kann die Herstellung von Textilien kontrollieren! Aber dazu braucht es mehr Anstrengungen als bisher von den meisten Handelsketten. Der ständige Preisdruck der Händler ist mörderisch. Den Fabriken bleibt oft nichts anderes übrig, als unter den Entstehungskosten zu produzieren. Die Leidtragende ist die Näherin am Ende dieser Kette.
Textilanbieter wie H&M, Tchibo & Co. verweisen auf ihren Internetseiten gerne darauf, auf die Zahlung von Mindestlöhnen und eine saubere Produktion zu achten. Alles Lug und Trug?
Zum Teil ja. Die Handelsketten bezahlen Auditfirmen, die Fabriken prüfen sollen. Alle jüngst eingestürzten und abgebrannten Fabriken sind von solchen Prüfern zertifiziert worden. Wieviel soll man also auf solche Prüfungen geben? Und doch gibt es große Unterschiede zwischen den Handelshäusern. Einige, wie Hess Natur oder Jack Wolfskin, sagen, „o.k., wir brauchen unabhängige Kontrollen, alles andere ist nicht glaubwürdig“. Sie schließen sich unabhängigen Organisationen an, die ihnen auf dem Weg zu Menschenrechten in der Mode helfen und ihre Fabriken anschauen, ohne sich bestechen zu lassen. Doch auch diese unabhängigen Kontrollorganisationen würden nie eine Garantie übernehmen oder behaupten, „alle Kleidungsstücke, die unsere Mitglieder nähen lassen, sind ‚sauber‘“. Wenn Ihnen jemand so etwas sagt, müssen bei Ihnen alle Alarmglocken angehen! Dennoch bin ich überzeugt: Man kann die Herstellung von Textilien kontrollieren! Aber dazu braucht es mehr Anstrengungen als bisher von den meisten Handelsketten. Der ständige Preisdruck der Händler ist mörderisch. Den Fabriken bleibt oft nichts anderes übrig, als unter den Entstehungskosten zu produzieren. Die Leidtragende ist die Näherin am Ende dieser Kette.