Nachdem ich nach rund einer
Busstunde aus Ciudad Quesada kommend (s. vorheriger Blogbeitrag) in Pital
angekommen war, hatte ich zwei interessante Erlebnisse vor meinem Treffen mit
der Geschäftsführerin einer Ananas-Vermarktungsorganisation. Zuerst kam ich an der ersten "Fairen Bushaltestelle" vorbei (s. Foto). Danach sprach
mich ein 12-jähriger Junge aus Nicaragua an und bat mich um etwas Geld. Wie es
sich herausstellte, lebte er zusammen mit Vater und der Stiefmutter (seine
leibliche Mutter war gestorben) plus Stiefgeschwistern. Sein Vater arbeitete
auf den Ananasplantagen in der Region Pital, aus der rund die Hälfte der
einheimischen Produktion stammt. Der Vater trinke viel und schlüge ihn, meinte
der Junge, außerdem sei er noch nie zur Schule gegangen. Das wiederum ist
selten in Costa Rica, das über eine gute Schulbildung verfügt – zumindest im
Vergleich mit den Nachbarländern.
Wundersame Geldvermehrung
Da ich noch etwas Zeit hatte,
ging ich in einen Supermarkt und schaute mich etwas um. Interessant zu sehen
war, dass eine Ananas, die auf dem Feld für etwa 100 Colonos (ca. 0,15 Euro) zu
haben ist, im Supermarkt mitten in der Anbauregion 600-700 Colonos (0,90-1,05
Euro) kostet. Das ist der Hammer. Aber so funktioniert das Business leider. Da
der Einkauf bei den Supermarktketten oftmals zentral geregelt ist, wird die Ananas
billig eingekauft und aus der Ananasregion Pital in ein Zentrallager gebracht.
Von dort geht es dann zurück in den Supermarkt der Anbauregion, wo sich der
Preis wundersamerweise versiebenfacht. Ein Arbeiter auf einer Ananasplantage bekommt
einen Stundenlohn von etwa 1000 Colonos (1,50 Euro) und kann sich davon noch nicht einmal zwei Supermarktananas kaufen.
Billig, billiger, ... Lohndumping
Obwohl 1,50 Euro pro Stunde auch in Costa Rica nicht viel Geld
ist und gerade mal auf Niveau des Mindestlohns liegt, sind viele Menschen
bereit für diesen Hungerlohn zu arbeiten. Es sind vor allem Nicaraguaner, die
aus dem armen Nachbarland in Scharen nach Costa Rica kommen. Inzwischen arbeiten
nur noch rund 15-20 Prozent Costaricaner auf den Ananasplantagen. Die Drecksarbeit
machen die Nicas, die oftmals illegal im Land sind. Sie sind leicht
auszubeuten, da sie auch bereit sind, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten. Beträgt der
Netto-Wochenlohn eines festangestellten costaricanischen Ananas-Arbeiters etwa
80 Euro, arbeiten Nicaraguaner, angestellt von Arbeitsfirmen, auch für die Hälfte. Das
ist immer noch mehr, als sie zu Hause verdienen würden und der Grund, warum
sie es überhaupt tun.
Stark angeschwollener Agrarsektor
Inzwischen war meine
Gesprächspartnerin eingetroffen und wir setzten uns zum Interview in ein Café in
Pital. Ständig rauschte ein Laster voller Ananas nach dem anderen an
uns vorbei. Das kleine Costa Rica exportierte 2012 Ananas im Wert von knapp 800
Millionen US-Dollar. Damit gehört die Ananas neben Bananen und Kaffee zum
wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugniss des Landes. Die Anbaufläche hat
sich in wenigen Jahren vervielfacht und inzwischen bauen rund 1200 Produzenten
landesweit Ananas an, mit Schwerpunkt im Norden des Landes, der überwiegende
Teil kleine Produzenten mit einer Anbaufläche von 10 Hektar oder weniger.
Auslaufmodell Kleinbauer
Doch diese Kleinproduzenten
werden momentan immer weniger, mehrere Hundert von Ihnen haben seit 2010 das
Handtuch geworfen. Sie können mit der hochtechnifizierten Produktion mittlerer
und großen Plantagen nicht mithalten. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich
Düngemittel und Pestizide in den letzten Jahren aufgrund des gestiegenen
Ölpreises extrem verteuert haben. Probleme bereitet den Bauern auch der
Dollarkurs, der sich zur einheimischen Währung um rund 15% Prozent
verschlechtert hat. Löhne, Dünger, Transport, Verpackung müssen die Bauern in
Colonos bezahlen, doch für die Ananas erhalten sie US-Dollar.
Kein Gewinn, trotz bio und fair
Darüber klagt auch Orlando Rojas
Esquivel, ein Kleinbauer, den ich außerhalb von Pital auf seiner
Bio-Ananasplantage besuche. Seit seiner ersten Ernte im Jahr 2009 hat er keinen
Gewinn mit seiner Produktion gemacht – und dass obwohl er bio produziert. Auch
der Mehrerlös, den er für seine Fairtrade-Zertifizierung erhält, hat ihn noch
nicht aus der Verlustzone geholt, denn nur ein Teil seiner Ernte geht in den
Fairen Handel. Er hat Schulden, die er pünktlich abbezahlen zahlen muss und
kann deswegen oft nicht ruhig schlafen. Ich habe Gelegenheit zuzuschauen, wie
nicaraguanische Arbeiter auf seinem Feld Ananas ernten und wie diese auf den
LKW verladen wird. Später lädt mich Orlando zu sich nach Hause zum Mittagessen
ein. Für mich ein seltener Genuss, denn die Mahlzeit – gekochter Kürbis,
Süßkartoffel, Maniok und Mais ist ebenfalls bio und stammt aus dem
einheimischen Garten.