Sonntag, 8. April 2018

Absolution, Teil II: Myclimate-Award für TUI Cruises


Im März erhielt Aldi den Fairtrade-Award (s. Blogbeitrag Fairtrade Awards 2018 – Absolution für Aldi vom 26.3.18). Ebenfalls im März hat die Klimaagentur myclimate den myclimate Award 2018 an TUI Cruises vergeben. Die Verleihung des Preises an die zur TUI-Group gehörenden Reederei als „Vorreiter der Kreuzfahrtbranche in Nachhaltigkeit und Klimaschutz“ ist mindestens genauso grotesk wie der Preis für Aldi. Kreuzfahrtschiffe sind und bleiben Dreckschleudern und emittieren  große Mengen an giftiger Schadstoffe und Pro-Kopf-CO2-Emissionen, die durchs Fliegen erzeugten Treibhausgasen nur in wenig nachstehen – bei einem siebentägigen Törn kommen pro Person rund 1,5 Tonnen CO2 zusammen. Das entspricht in etwa den Emissionen einer 9.000-Kilometer- Autofahrt. Dabei wird die Verantwortung für die Umwelt und Klima weiter an die Kunden delegiert. Denn die haben ja die Möglichkeit ihre durch die Kreuzfahrt verursachten Schadstoffe freiwillig auszugleichen. Dumm nur, dass das kaum ein Passagier macht. Das diesbezügliche Problembewusstsein bei TUI Cruises tendiert gegen Null. Was ausschließlich zählt, sind Gewinne. Je mehr, desto besser. 

Das Gute im Schlechten

Wenn TUI Cruises als Vorreiter präsentiert wird, kann man sich ausmalen, wo der Rest der Branche steht. Das Problem ist nicht nur TUI Cruises, es ist das Urlaubsmodell Kreuzfahrt an sich. Wenn TUI Cruises nun das Gute im Schlechten macht, helfen kosmetische Maßnahmen kaum weiter. Fatalisten würden sagen: Besser als gar nichts! Doch Maßnahmen, um auf den Schiffen und an Land so viele CO2-Emissionen wie möglich zu reduzieren, die Kompensation eigener Dienstflüge und von Drucksachen reichen bei Weitem nicht aus.

Trotz aller gut gemeinten Aktionen bleibt es bei folgenden Fakten:

*Abgase: Während die EU der Autoindustrie strenge Abgasnormen auferlegt, pusten Kreuzfahrtschiffe große Mengen Schwefeloxide, Stickoxide, Ruß, Feinstaub und Schwermetalle weitestgehend filterlos in die Umwelt. Kreuzfahrtschiffe verbrennen auf hoher See weiterhin hochgiftiges Schweröl. Der hochgiftige Abfallstoff der Petrochemie enthält 3.500mal mehr Schwefel als der umstrittene PKW-Diesel.

*Luftverschmutzung Hafenstädte: Kreuzfahrtschiffe liegen weiterhin rund 40% ihrer Betriebszeit mit laufenden Motoren in Häfen und verbrennen dabei Schiffsdiesel, der giftiger als LKW-Diesel ist. Die schlechte Luft atmen auch die Menschen an Land.

*Ressourcen: Kreuzfahrtschiffe produzieren pro Kopf mehr Müll und verbrauchen mehr Strom und Wasser als der Durchschnitt der Bevölkerung.

*CO2: Nicht nur während der Kreuzfahrt entsteht Kohlendioxid. CO2 entsteht bereits beim Bau der Schiffe, denn große Mengen an Ressourcen müssen aus der Erde geholt, weiterverarbeitet und zur Werft transportiert werden. Zusätzliches CO2 entsteht durch die An- und Abreise der Passagiere zum Hafen, denn die wird bei weiter entfernten Zielen fast immer mit dem Flugzeug zurückgelegt.  CO2 entsteht zudem durch die Versorgung des Schiffs mit Nahrungsmitteln, die bei Zielen in der Karibik von Deutschland dorthin geflogen werden.

*Kosten: Für die Klimaschäden durch die von ihr erzeugten Treibhausgasemissionen braucht die Schifffahrt bislang nicht aufzukommen. Der Staat belohnt sie sogar jährlich mit milliardenschweren Subventionen. Und dank unermüdlicher Lobbyarbeit blieben die Emissionen der Branche im Klimavertrag von Paris unberücksichtigt.

*CO2-Kompensation: Einen Klimarechner, mit dem Passagiere bereits im Vorfeld ihrer Reise ihre voraussichtlichen CO2-Emissionen berechnen könnten, sucht man auf der Webseite www.tuicruises.com vergeblich. Mit vielen Klicks gelangt man unter der Rubrik Nachhaltigkeit zu folgender Aussage: „Auch Sie können aktiven Klimaschutz betreiben, wenn Sie Ihre Flüge oder Kreuzfahrten kompensieren. Anbieter wie myclimate helfen Ihnen dabei, die entstehende CO2-Emissionen zu berechnen und die Geldspende in Klimaschutzprojekte zu investieren.“ Einen Link zu myclimate bietet TUI Cruises nicht an. 

*Arbeitsbedingungen: Die Arbeitsbedingungen auf Kreuzfahrtschiffen sind weiterhin prekär: Hohe Arbeitsbelastung bei niedrigen Löhnen. Das deutsche Arbeitsrecht ist ausgehebelt, da alle deutschen Kreuzfahrtschiffe unter ausländischer Flagge fahren. Gewerkschaften sind auf Kreuzfahrtschiffen unbekannt und nicht erwünscht.

*Overtourism“: Kreuzfahrttouristen überschwemmen in den Sommermonaten viele europäische Großstädte, darunter Barcelona, Venedig, Tallin, Dubrovnik oder die Inseln La Palma (Kanaren) oder Santorin (Griechenland). Die Überlastung nimmt zu und die Beschwerden der einheimischen Bevölkerung auch. Der lokale Tourismus profitiert von den „Kreuzfahrern“ kaum. Gute Geschäfte machen hier meist nur große Agenturen, die Landausflüge veranstalten.

Quelle: Frank Herrmann, Bild: NABU