Mittwoch, 28. Oktober 2015

Orangensaft-Produktion: Studie deckt miese Arbeits- und Umweltbedingungen auf



Deutschland ist Fruchtsaft-Weltmeister und größter Abnehmer von Orangensaft aus Brasilien. Die jetzt veröffentlichte Studie der Christlichen Initiative Romero e.V. und GLOBAL 2000 stellt die gesamte Orangensaft-Lieferkette von den Plantagen Brasiliens bis in die deutschen Supermärkte dar. Sie deckt prekäre Arbeitsbedingungen auf und liefert neue Erkenntnisse über die verheerenden Umweltauswirkungen der Orangensaft-Produktion."Für knapp zehn Euro Tageslohn müssen die Arbeiter ungefähr 1,5 Tonnen Orangen täglich ernten. Der Sonne sind sie ungeschützt ausgesetzt, wenn sie die wackligen Holzleitern mit bis zu 30 Kilogramm schweren Säcken hoch und runter steigen", fasst Sandra Dusch Silva von der  Christlichen Initiative Romero (CIR) die Ergebnisse der  Studie zu den Arbeitsbedingungen in Brasilien zusammen. "Die von wenigen internationalen Konzernen dominierte brasilianische Landwirtschaft ist extrem Pestizid-intensiv. In der Orangenproduktion werden dabei die größten Mengen Pestizide pro Hektar verbraucht", ergänzt Martin Wildenberg, Umweltexperte der österreichischen Umweltschutzorganisation  GLOBAL 2000. "Dabei ist auch ein völliger Verzicht auf Pestizide im Orangenanbau möglich - wie bio-zertifizierte Betriebe überall auf der Welt beweisen." Die Recherchen fanden im Rahmen der von der Europäischen Union geförderten  Kampagne SUPPLY CHA!NGE statt. Gleichzeitig zur Veröffentlichung der Studie startet das Kampagnenbündnis eine europaweite  Petition, die europäische Supermärkte auffordert, für ihre Eigenmarken soziale und ökologische Standards zu implementieren.

Machtkonzentration in Handel und Verarbeitung

Bereits im Jahr 2013 hatte die CIR, damals gemeinsam mit der  Gewerkschaft VER.DI, eine Studie zu den Arbeitsbedingungen in der brasilianischen Orangensaft-Produktion vorgelegt. Im Jahr 2014 erschien zudem ein  Videoclip, der auf humorige Art ein Licht auf die zumeist noch unbekannte Seite von Brasilien als Marktführer in der Produktion von Orangensaft wirft. Das Urteil über die Entwicklungen der Branche von Studienleiterin Sandra Dusch ist eindeutig: "Trotz enormer Gewinne der brasilianischen Exportunternehmen und europäischer Handelsketten werden Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter zu Bedingungen beschäftigt, die sich nur noch als moderne Sklavenarbeit bezeichnen lassen." Die Orangensaft-Industrie ist - in Brasilien wie in Deutschland - von einer enormen Konzernkonzentration gekennzeichnet. Obwohl die Hälfte des weltweit konsumierten Orangensaftes aus Brasilien stammt, betreiben aufgrund von Wettbewerbsverdrängung lediglich drei Großkonzerne Orangenanbau und Konzentrat-Gewinnung. Auch am Ende der Lieferkette stehen immer weniger Handelskonzerne, die in Deutschland Lebensmittel anbieten. Edeka, Rewe, Lidl/Kaufland und Aldi vereinigen 85 Prozent Marktanteil auf sich und diktieren damit indirekt die Arbeitsbedingungen von Millionen Beschäftigten. Dabei ist die Produktion und der Verkauf von Eigenmarken eine zentrale Strategie der europäischen Handelsunternehmen: Anstatt Produkte eigenständiger Marken zu handeln, stellen Supermärkte verstärkt ihre eigenen Produkte her. In Europa werden 66 Prozent des Orangensaftes als Eigenmarken der Supermärkte und Discounter verkauft.
Quelle: UD/na

Mittwoch, 21. Oktober 2015

WWF-Palmöl-Check 2015: mehr Intransparenz als Fortschritt



Selbst minimalste Nachhaltigkeitsstandards und Transparenz bei Palmöl scheinen bei rund 40 Prozent der großen, deutschen Unternehmen, die auf den Rohstoff angewiesen sind, kein Thema zu sein. Das ist das zentrale Ergebnis der nationalen Palmöl-Scorecards des WWF Deutschlands. Offenbar ist es einigen Unternehmen immer noch egal woher ihr Palmöl kommt - oder sie wissen es schlichtweg nicht. Die Intransparenz ist laut  WWF auch nach Jahren der öffentlichen Diskussion gravierend und das, obwohl die ökologischen und sozialen Auswirkungen des Palmölanbaus den Unternehmen bekannt sind. Laut der  Palmöl-Scorecard haben sechs von 200 befragten Unternehmen gerade einmal einen Punkt, während 75 Unternehmen eine Auskunft verweigerten oder keine genauen Angaben machen konnten. Beides bewertet der WWF als grundlegendes Versagen in Sachen Nachhaltigkeit und Transparenz. „Wer seine Lieferkette hingegen im Griff hat, konnte die abgefragten Angaben leicht machen. Und wer Nachhaltigkeit propagiert, der sollte wissen woher sein Palmöl kommt“, kritisiert die zuständige WWF-Referentin Ilka Petersen.

Pharmaunternehmen und Futtermittelhersteller in der Kritik

Besonders kritisch betrachtet WWF-Referentin Petersen die deutschen Pharmaunternehmen und Futtermittelhersteller. Alle befragten Unternehmen, darunter Bayer, Boehringer Ingelheim, Merck sowie die großen Futtermittelhersteller Deutsche Tiernahrung, Cremer, Agravis Raiffeisen und Mega verweigerten eine Auskunft. Nach einer aktuellen Marktanalyse verbraucht der pharmazeutisch-chemische Bereich etwa 155.000 Tonnen Palmöl, wovon gerade einmal 12 Prozent zertifiziert sind, die Futtermittelindustrie nutzt noch einmal rund 160.000 Tonnen. Hier liegt der Anteil aus nachhaltigeren Quellen sogar bei nur einem Prozent. „Positiv ist, dass immer mehr Unternehmen zertifiziertes Palmöl nutzen und sich mit ihrer Lieferkette auseinander setzen“, lobt Petersen. Das auch die volle Punktzahl erreicht werden kann, machen die Unternehmen Daabon und Agrarfrost vor. Insgesamt decken inzwischen mehr als 50 Prozent der befragten Unternehmen ihren Palmölbedarf zumindest teilweise mit zertifizierter Ware. Und während 2013 nur 29 Unternehmen ausschließlich, dass heißt zu 100 Prozent, zertifiziertes Palmöl nutzen, waren es diesmal bereits 62. Wichtige Zusatzkriterien, die über die Mindestanforderungen des  RSPO hinausgehen, wie etwa ein Verbot der Umwandlung von Torfböden oder der Einsatz hochgefährlicher Pestizide, fordern allerdings nur 46 Unternehmen bei ihren Lieferanten ein. Diesem Beispiel müssten jedoch, so die WWF-Forderung, unbedingt mehr Unternehmen folgen. Initiativen wie  FONAP oder  POIG könnten dabei helfen.
Quelle: UD/pm

 

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Bericht „Die Serversklaven“ – Ausbeutung in der Elektronikindustrie




"Wir stehen den ganzen Tag am Fließband und wiederholen die gleiche Aufgabe, wieder und wieder. Das  hat  überhaupt  nichts  mit  meiner  Ausbildung  zu  tun.  Niemand  von  uns  will  hier  sein,  aber  wir haben keine Wahl. Die Universität hat uns gesagt, dass wir unser Diplom nicht bekom¬men werden, wenn wir uns weigern." Xu  Min  ist  eine  von  25  jungen  Studierenden  und  BerufsschülerInnen,  die  für  den  Bericht  “Die Serversklaven”  interviewt  wurden  und  die  im  Wistron-Werk  in  Zhongshan  in  Südchina  zwangsweise Praktika absolvieren. Sie arbeiten 10-12 Stunden am Tag, sechs Tage die Woche, für bis zu fünf Monaten unter Bedingungen, die gegen die ILO-Konvention gegen Zwangsarbeit und gegen chinesische Gesetze verstoßen. Den  Bericht  veröffentlichen  WEED,  Stiftung  Asienhaus  und  Forum  Umwelt  und  Entwicklung  in Kooperation mit dem “Good Electronics”-Netzwerk und weiteren europäischen NGOs. Er zeigt auf, dass jene  Server,  die  von  Universitäten  in  Europa  gekauft  werden,  unter  Bedingungen  der  Zwangsarbeit hergestellt werden.

Einklagbare Rechte nicht nur für Unternehmen

Während in TTIP und Ceta zu Lasten politischer Gestaltungsräume exklusive Investor-Klagerechte von Unternehmen gegen Staaten vorgesehen sind, sind die Opfer von Arbeitsrechtsverletzungen nach wie vor  ganz  weitgehend  ungeschützt.  Die  Politik  ist  gefordert,  verbindliche  Vorgaben  für  transnational agierende Unternehmen festzulegen und den Betroffenen zugleich einen einklagbaren Rechtsanspruch zu gewährleisten sowie effiziente Hilfe, sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich. Komplementär zur Umsetzung  der  UN-Leitprinzipien  ist  der  UN-Prozess  zu  einem  weltweiten  verbindlichen  Abkommen über Pflichten transnationaler Konzerne und anderer Unternehmen anzusehen. Die Resolution des UN-Menschenrechtsrats von 2014 zur Einsetzung einer Zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe, die ein rechtsverbindliches  Instrument  erarbeiten  soll,  wurde    gegen  die  Stimmen  mehrerer  Industrienationen einschließlich Deutschland – mehrheitlich von 20 Staaten angenommen. Die Industrienationen sollten ihre Blockadehaltung aufgeben. Der vorliegende Bericht zeigt erneut, dass freiwillige Regelungen allein nicht ausreichen.

Kaufkraft bedeutet Verantwortung

Der  Staat  sollte  zugleich  auch  als  Konsument  die  Einhaltung  von  Arbeits-  und Menschenrechten einfordern. Hochschulen in Westeuropa gaben im Jahr 2014 allein für Server 461,38 Millionen Euro aus. Die jährlichen Gesamtausgaben für IT-Hardware, Software und Dienstleistungen belaufen sich auf mehr als  4 Milliarden  Euro.  An  sie  wendet  sich  die  EU-Vergaberichtlinie,  die  es  nach  ihrer  Umsetzung  ins nationale  Recht  erstmals  eindeutig  Universitäten  und  anderen  öffentlichen  Institutionen  ermöglicht, soziale Arbeitsstandards ihrer Lieferanten in der gesamten Lieferkette einzufordern und zu überprüfen. Bei der aktuellen Umsetzung in deutsches Recht nutzt die Bundesregierung die Spielräume jedoch nicht ausreichend und umgeht Vorgaben wie beispielsweise den eindeutigen Ausschluss von Produkten aus Kinderarbeit.
Quelle: WEED