Mittwoch, 8. Juli 2015

Schatzkammer Schublade: So umweltschädlich ist der Handy-Verbrauch



Beinahe drei Monate ist das neue Top-Smartphone von Samsung auf dem Markt. Das neueste iPhone von Apple gibt es seit September, es ist die siebte Generation des Alleskönner-Handys. Andere Hersteller ziehen nach: In jedem Jahr um die gleiche Zeit stellen sie ihre neuen Geräte vor. Selbst, wenn sich manchmal technisch nicht viel ändert, muss jedes Jahr ein neues Modell her. Man muss ja im Gespräch bleiben. Schon am ersten Verkaufswochenende des iPhone 6 verkaufte Apple zehn Millionen Stück. Die Bilder von den langen Schlangen vor den Apple-Geschäften sind nicht nur kostenlose Werbung für den Konzern – sie zeigen auch eindrücklich, wie Nutzer nach dem ständig Neuen gieren, obwohl die meisten von ihnen bereits funktionierende Telefone haben dürften. Die Mobilfunkanbieter verstärken das Ganze, indem sie ihren Kunden mindestens alle zwei Jahre ein neues Smartphone andrehen. Hersteller wie Netzanbieter sind darauf angewiesen, immer neue Handys zu verkaufen, damit die Umsätze wachsen. In diesem sich selbst verstärkenden Zusammenspiel von ständig neuen Modellen und dem Wunsch, das eigene Handy möglichst schnell zu ersetzen, bleibt meist unsichtbar, wie sehr dieses Handy-Wechsel-Dich der Umwelt schadet.

In deutschen Schubladen lagern 765 Tonnen Kupfer

Mittlerweile horten die Deutschen mehr als 100 Millionen Geräte zu Hause, wie der IT-Verband Bitkom im April bekanntgab. Das errechnet der Verband regelmäßig, noch 2010 waren es 72 Millionen alte Handys. Mit Bezug auf damals etwa 85 Millionen ungenutzte Geräte (aus einer anderen Schätzung) errechnete das Umweltbundesamt vor einem Jahr, in deutschen Haushalten lagerten mehr als 21 Tonnen Silber, zwei Tonnen Gold, 765 Tonnen Kupfer und vieles mehr. Die Folge: immer mehr frische Erze und seltene Erden müssen abgebaut werden, um die Nachfrage nach neuen Handys zu decken. Immer mehr Edelmetalle liegen mit den alten Geräten ungenutzt in der Schublade – eine bedingt sinnvolle Geldanlage. Was das Ganze noch schlimmer macht: Das vollständige Recycling der Rohstoffe in Handys lohnt sich oft weniger, als sie einfach zu verschrotten. Zumeist lohnt sich noch der Weiterverkauf der Altgeräte – immerhin besser, als sie zu entsorgen. Firmen wie Zonzoo oder wirkaufens machen daraus ein Geschäft: Sie kaufen alte Smartphones an, verkaufen sie weiter oder verwerten die Rohstoffe wieder. Die Recyclingraten verharren allerdings seit Jahren bei wenig mehr als zehn Prozent. Die selbst ernannten Recycling-Firmen verkaufen die Handys nämlich vielfach an Zwischenhändler in Entwicklungsländern. Ab dort verliert sich ihre Spur.

Wer braucht jedes Jahr ein Smartphone?

„Die Entsorgung von Handys folgt oft nicht der Recycling-Route, die Hersteller in ihren Erklärungen annehmen“, schreiben die Forscher James Suckling und Jacquetta Lee von der britischen Universität Surrey in einem kürzlich im International Journal of Life Cycle Assessment erschienenen Papier. Der logistische Aufwand zur Rücknahme und zum Recycling der Althandys werde fast vollständig durch das Weiterverkaufs-Geschäft subventioniert, weil es sich sonst nicht lohnen würde, schreiben die Autoren. Und: Ein durchschnittliches Handy verursache ohne Netzwerk- und Internetnutzung über seinem Lebenszyklus schon etwa 48 Kilogramm CO2-Äquivalent. Macht bei 30 Millionen verkauften Geräten in Deutschland: 1,44 Millionen Tonnen CO2, die diese Geräte von der Herstellung bis zur Entsorgung verursacht haben werden. Derzeit arbeiten Chemiker an Verfahren, die die Wiedergewinnungsprozesse der Metalle und seltener Erden vereinfachen sollen. Das Umweltbundesamt findet, man solle die Hersteller zunächst zu einer „verlässlichen Mindestlebensdauer“ für ihre Geräte verpflichten. Das dürfte bei Handys schwierig durchzusetzen sein. Schließlich halten die Geräte jetzt schon bei pfleglichem Gebrauch bis zu drei Jahren, wenn man zwischendurch mal einen neuen Akku anschafft (oder einbauen lässt). Und das ist bis auf weiteres auch der beste Tipp, um umweltschonend Mobiltelefone zu nutzen: Man sollte sie möglichst lange verwenden. Wer braucht schon wirklich einmal im Jahr ein neues Handy?
Quelle: WiWo Green, Foto: Frank Herrmann