Montag, 17. November 2014

Nachhaltiger Tourismus: Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit



Für fast ein Drittel der Bundesbürger spielt Nachhaltigkeit im Tourismus eine große Rolle. Am Ende verreisen aber die wenigsten tatsächlich umwelt- und sozialverträglich – warum das so ist, weiß Astrid Koch, Co-Autorin einer nun abgeschlossenen Projektstudie der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR).

Nachhaltiger Tourismus. Ist das nicht eine Randerscheinung?

Koch: Ganz und gar nicht. Das Thema ist längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen – auch im Bereich des Tourismus. Für 31 Prozent der Bevölkerung ist die ökologische Verträglichkeit von Urlaubreisen wichtig, 38 möchten sozialverträglich verreisen. Und immerhin 28 Prozent interessieren sich sowohl für die ökologische als auch für soziale Dimension bei der Urlaubswahl.

Woher stammen diese Daten?

Für die Studie haben wir rund 7500 repräsentativ ausgewählte Personen zu verschiedenen Aspekten von Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Urlaubsreisen befragt. Dabei stellten wir fest, dass das Thema immer mehr an Bedeutung gewinnt – und das nicht nur im gutverdienenden Bildungsbürgertum.

Sondern?

Das geht quer durch alle Gesellschaftsschichten und betrifft Menschen mit Hauptschulabschluss genauso wie solche mit Abitur oder Akademiker – auch wenn der Anteil der Personen aus den oberen sozialen Schichten etwas höher ist. Dies spiegelt sich auch bei der Frage des Durchschnittsnettoeinkommens wider. Das liegt in Deutschland bei monatlich 2523 Euro. Die an Nachhaltigkeit Interessierten verfügen mit durchschnittlich 2658 Euro über ein etwas höheres Budget.

Geld spielt also auch eine Rolle?

Natürlich. Nur zwölf Prozent der Befragten sind bereit, für eine nachhaltige Urlaubsreise mehr auszugeben als für ein gleichwertiges, konventionelles Angebot. Der Preis ist jedoch nur ein Hindernis von vielen.

Welche gibt es noch?

Ein kritischer Punkt ist die Anreise: Ausgerechnet der Aspekt, wo die größte ökologische Belastung entsteht. Von den befragten Personen hat nur ein Viertel angegeben, auf eine Flugreise zugunsten umweltverträglicher Verkehrsmittel verzichten zu wollen. Und für nur zwei Prozent ist eine Kompensation für die Klimabelastung beim Flug ein Thema. Dabei muss man wissen, dass von Verzicht zumindest teilweise auch derjenige spricht, für den – aus welchen Gründen auch immer – ein Flug sowieso nicht in Frage kommt. Allerdings stimmt es auch nicht, dass nachhaltigkeitsinteressierte Reisende überwiegend mit der Bahn ins Binnenland zu einem Naturerlebnisurlaub fahren. Vielmehr haben sie einen Reisewunsch, beispielsweise Mallorca – und suchen dann dort ein möglichst nachhaltiges Angebot.

Wie groß ist nun der Anteil derer, die tatsächlich nachhaltig verreisen?

Da klafft eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Lediglich für zwei Prozent der Teilnehmer an unserer Befragung war Nachhaltigkeit tatsächlich das entscheidende Kriterium bei der Wahl ihrer letzten Urlaubsreise. Bei weiteren elf Prozent hat sie neben anderen Dingen eine Rolle gespielt – und für noch einmal zwei Prozent gab sie den Ausschlag zwischen zwei gleichwertigen Angeboten.

Mangelt es an nachhaltigen Reiseangeboten?

Nein, das glaub ich nicht. Die Veranstalter tun schon eine Menge, auch wenn natürlich nach oben immer noch Luft ist.

Woran liegt es dann?
Neben Preis und Anreise sind fehlende Informationen ein wichtiger Punkt. Immerhin haben 23 Prozent der Befragten angegeben, dass sie eine nachhaltige Reise buchen wollten, den Aufwand zum Finden solcher Angebote jedoch als zu groß beurteilten – oder Informationen vermissten, um die Nachhaltigkeit der Angebote beurteilen zu können. 43 Prozent wünschen sich darüber hinaus klare Gütesiegel. Die Stellschraube ist ganz sicher die Frage der Information. Hier können sich Veranstalter aber auch Reisebüros positiv hervorheben, in dem sie nachhaltige Angebote prominent bewerben.
Quelle: Travel Tribune, FUR